Kamala Harris redet sich in Kuschel-Interview um Kopf und Kragen US-Sender tauscht Antworten aus

Von Kai Rebmann

Man stelle sich vor, Donald Trump gibt ein Interview und entscheidende Passagen werden hinterher herausgeschnitten. Ein Sturm der medialen Empörung über einen derartigen Skandal wäre die sichere Folge. Genau das ist jetzt in den USA passiert, aber eben unter umgekehrten Vorzeichen. Es war nicht der Republikaner, sondern dessen Kontrahentin Kamala Harris, deren Antworten „nachgebessert“ werden mussten.

Schon in den vergangenen Wochen fiel auf, dass die amtierende Vize-Präsidentin sich im Wahlkampf auffällig zurückhält. Daran hat sich auch im gerade begonnenen Endspurt nichts geändert. Von den Pflichtterminen wie etwa Besuchen in den Hurrikan-Gebieten oder schwammigen Aussagen über Inflation, Migration, Russland oder den Nahen Osten mal abgesehen, ist von der Demokratin wenig bis nichts zu sehen oder zu hören.

Während Donald Trump in den vergangenen Tagen seine Tour insbesondere durch die wohl wahlentscheidenden Swings States fortgesetzt hat, begnügte sich Kamala Harris mit einem TV-Interview bei CBS News. Mit Bill Whitaker traf die Kandidatin der Demokraten im Format „60 Minutes“ auf einen ihr äußerst wohlgesinnten Moderator, der kaum kritische Fragen im Gepäck hatte oder auch nur den Versuch unternahm, Harris aufs Glatteis zu locken.

Viel reden, aber bloß nichts sagen

Trotz dieser offenbar sorgsam aufgebauten Kuschelatmosphäre brachte es die Vize-Präsidentin fertig, dass Ausschnitte dieses Interviews im Nachhinein geändert bzw. „angepasst“ werden mussten – damit deren oft nichtssagenden Worthülsen sie nicht ganz so nackt dastehen lassen. In Bezug auf die Rolle der USA im Nahen Osten wollte Whitaker von seiner Gegenüber wissen, ob das Weiße Haus keinen Einfluss auf Israels Premierminister Benjamin Netanjahu habe.

Getreu dem Motto „viel reden, aber bloß nichts sagen“ antwortete Harris wie folgt: „Die Hilfe, die wir Israel gewährt haben, hat es Israel ermöglicht, sich gegen 200 ballistische Raketen zu verteidigen, die nur dazu bestimmt waren, die Israelis und das israelische Volk anzugreifen. Und wenn wir an die Bedrohung denken, die von Hamas, Hisbollah und Iran ausgeht, dann ist es meiner Meinung nach ohne Frage unsere Pflicht, alles zu tun, was wir können, um Israel die Verteidigung gegen derartige Angriffe zu ermöglichen. Unsere diplomatische Arbeit mit der israelischen Führung ist ein fortwährendes Bestreben, unsere Prinzipien klarzustellen, zu denen die Notwendigkeit humanitärer Hilfe, die Notwendigkeit, diesen Krieg zu beenden, die Notwendigkeit eines Abkommens zur Freilassung der Geiseln und zur Schaffung eines Waffenstillstands gehören. Und wir werden nicht aufhören, diesen Druck auf Israel und die Region, einschließlich der arabischen Führer, auszuüben.“

Daraufhin wandte Whitaker ein: „Aber es scheint, als würde Premierminister Netanjahu nicht zuhören“, worauf Harris erwiderte: „Nun, Bill, unsere Arbeit hat zu einer Reihe von Bewegungen Israels in der Region geführt, die durch viele Dinge ausgelöst wurden oder das Ergebnis vieler Dinge waren, darunter unser Eintreten für das, was in der Region geschehen muss.“

Welche Bewegungen Israels wurden von welchen Dingen ausgelöst? Welche Dinge führten zu welchem Ergebnis? Wofür tritt die USA im Nahen Osten ein und was muss dort in ihren Augen geschehen? Auf all diese Fragen blieb Kamala Harris – nicht zum ersten Mal – konkrete Antworten schuldig. Das bei CBS dazu Gesagte kann von jedem ganz nach Belieben ausgelegt und interpretiert werden.

Kamala Harris – US-Version von Annalena Baerbock?

Das hat dann wohl auch der Sender gemerkt und die ursprünglichen Ausführungen seines Gastes zensiert. In der TV-Ausstrahlung des Interviews, die einen Tag später erfolgte, fielen die Antworten von Kamala Harris nicht nur deutlich kürzer aus, sie wirkten auch sehr viel „präsidialer“ – was wohl auch die Absicht hinter diesem technischen Eingriff gewesen sein mag.

Baerbock auf Amerikanisch

Zum Einfluss der USA auf Israel lautete die korrigierte Antwort so: „Unsere diplomatische Arbeit mit der Führung Israels ist ein fortwährendes Streben danach, unsere Prinzipien klarzustellen.“ Auf die Frage, ob Netanjahu dem Weißen Haus überhaupt zuhöre, entgegnete Harris dann: „Wir werden nicht aufhören, das zu tun, was notwendig ist, damit die Vereinigten Staaten klarstellen, wo wir hinsichtlich der Notwendigkeit stehen, diesen Krieg zu beenden.“

In weiten Teilen dieses CBS-Interview wirkte Kamala Harris wie eine US-Version von Bundesaußenministerin und Möchtegern-Kanzlerin Annalena Baerbock (Grüne), der von manchem auch schon geraten wurde, von Zeit zu Zeit einfach mal gar nichts zu sagen.

Die Fragen wirkten wie abgesprochen, die Antworten wie vorgefertigt. Wirklich kritische Themen, etwa das Versagen der Biden-Administration im Zusammenhang mit Hurrikan „Helene“ oder die Massenmigration infolge der in diesem Jahr erfolgten Grenzöffnungen im Süden kamen – aus Harris‘ Sicht – gnädigerweise gar nicht erst zur Sprache.

Grundlegende Fragen bleiben unbeantwortet

Als um Wirtschaft und Inflation ging, begnügte sich Harris damit, dass sie „einen Plan“ habe, wie sie das Land und dessen Bürger aus dieser Krise herauszuführen gedenke. Obwohl Whitaker mehrfach gleich mit dem ganzen Zaun winkte, verpasste – oder besser: vermied – die Vize-Präsidentin es, diesen ominösen „Plan“ näher zu erläutern. Mancher US-Kommentator war an dieser Stelle schon froh, dass Harris die Nation mit ihrem ansonsten üblichen „Ich bin ein Kind der Mittelschicht“-Schwur verschonte.

Ähnliches Bild bei der Frage zur Refinanzierung der Billionen-Schulden, die die USA in den kommenden Jahren aufnehmen wollen. Außer den allenfalls 08/15-tauglichen „Steuererhöhungen für die reichsten Steuerzahler“ fiel der Demokratin nichts Konkretes ein.

Bemerkenswert bei all dem ist vor allem die Reaktion bzw. Nicht-Reaktion der deutschen Leitmedien. Wäre ein derart inszeniert wirkendes und letztlich sogar noch „angepasstes“ Interview etwa von Fox News mit Donald Trump geführt worden – in den Redaktionsstuben hätten wohl die Tastaturen gequalmt. Und bei CBS und Kamala Harris? Still ruht der See…

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Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.

Bild: Screenshot Youtube-Video „60 Minutes“

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