Von Kai Rebmann
In Hamburg vergeht inzwischen kaum noch ein Tag ohne neue Meldungen über bürgerkriegsähnliche Auseinandersetzungen zwischen verfeindeten Kartellen der Drogen-Mafia. Immer wieder geraten dabei auch völlig Unbeteiligte zwischen die Fronten und müssen teilweise mit ihrem Leben bezahlen, weil sie zur falschen Zeit am falschen Ort waren.
Hinter der Gewaltspirale steht ein Wettrüsten, das seit Jahren an Fahrt aufnimmt und Teile der Hansestadt längst zu No-Go-Areas gemacht hat. Die Polizei kann dem Treiben über weite Strecken nur zuschauen und fühlt sich zunehmend zum Statisten in einem blutigen Schauspiel degradiert.
So spricht Jan Reinecke vom Bund Deutscher Kriminalbeamter offen von einem Kontrollverlust auf Hamburgs Straßen und räumt ein, die Polizei sei „eigentlich nur noch in der Lage zu reagieren, um wenigstens der aktuell in Erscheinung tretenden Täter habhaft zu werden“.
Mit anderen Worten: Auf die Drahtzieher und Hintermänner der Kartelle gibt es kaum einen Zugriff, die Behörden vor Ort können allenfalls noch die offenkundigsten Symptome bekämpfen – wenn überhaupt!
‚Sicherheit im Hamburger Hafen jahrelang vernachlässigt‘
Das Wettrüsten innerhalb der Drogen-Mafia bezeichnete Reinecke im Interview mit der „Morgenpost“ als besorgniserregend und führt dazu aus: „Messer und illegale Schusswaffen werden nicht mehr in irgendeinem Schrank aufbewahrt oder in einem Erddepot für den Notfall vergraben, sondern immer häufiger dauerhaft und schussbereit in der Jackentasche oder im Hosenbund mitgeführt und dann kurzentschlossen oder gezielt eingesetzt.“
Heißt: Hinrichtungen auf offener Straße wie zuletzt die eines Geschäftsmannes in der Neustadt sind längst keine Einzelfälle mehr, sondern werden mehr und mehr zum erschreckenden Alltag. Der Kriminalbeamte beklagt, dass die Hemmschwelle für derartige Taten im Milieu während der letzten Jahre „erheblich gesunken, wenn nicht gar gänzlich verschwunden“ sei.
Doch wie ist es zu erklären, dass Hamburg längst zu einem, wenn nicht dem wichtigsten Drehkreuz für die Drogen-Mafia in Europa geworden ist? Für Reinecke steht fest, dass die Probleme größtenteils hausgemacht sind und verweist auf die bisherigen Hotspots bei unseren Nachbarn:
„Die Gegenmaßnahmen in den Häfen von Rotterdam und Antwerpen wirken dabei wie ein Brennglas für Hamburg, denn im Hamburger Hafen wurde die Sicherheit über viele Jahre vernachlässigt.“ Erste, kleine Schritte seien zuletzt zwar unternommen worden, dennoch „müsste die Bundesrepublik, konkret der Zoll, zusammen mit der Hafenwirtschaft erhebliche Gelder investieren, um ebenfalls in deutlich höhere Sicherheitsstandards in der Infrastruktur, der IT und erst recht im Personalkörper zu etablieren“.
Tatsächlich sind die Gewaltexzesse innerhalb der Drogen-Mafia nicht aus heiterem Himmel über Hamburg hereingebrochen. Berichte über wilde Schießereien in Shisha-Bars oder auch auf offener Straße gibt es seit mindestens drei Jahren. Geschehen ist seither sehr wenig bis nichts. Reinecke sieht die Uhr „noch auf fünf vor Zwölf“ stehen, braucht dafür aber einiges an optimistischer Sichtweise, wie er selbst zugeben muss.
Waffen größtenteils vom Schwarzmarkt aus Kriegsgebieten
Damit sich die Gewaltspirale künftig nicht noch schneller drehe und die Anzahl der Täter und Opfer nicht noch schneller anwachsen, braucht laut Einschätzung des Insiders „den absoluten Willen der politischen Entscheidungsträger, in diesen Kampf mit entsprechenden Gesetzen und Geldern zu investieren“. Die Alternative seien „schon bald niederländische und belgische Verhältnisse“ in Deutschland und insbesondere in Hamburg.
Gesetze und Gelder für den Kampf gegen Gewaltkriminalität, wie der Kriminalbeamte sie eindringlich fordert, können dabei sicher nur ein Teil der Lösung sein. Viel wichtiger erscheint dabei aber – und das hat Reinecke leider nicht erwähnt – die konsequente Umsetzung bzw. Anwendung von bereits bestehendem Recht und Gesetz in Deutschland.
Denn auch bei den Täterstrukturen gibt es den Ausführungen zufolge ein sehr klar definierbares Profil. So habe man es in der Hansestadt insbesondere mit südamerikanischen Kartellen zu tun, „denen hier zahlreiche Mitglieder albanischer Herkunft zugeordnet werden können, bestrebt, den Rauschgiftschmuggel und Handel im und aus dem Hamburger Hafen heraus zu kontrollieren“.
Die Beschaffung der Schusswaffen erfolge „aus den Ländern des ehemaligen Jugoslawiens, aber auch durch Diebstahl aus den großen deutschen Waffenschmieden und aus aktuellen Kriegsgebieten“. Große Sorgen bereitet Reinecke in diesem Zusammenhang auch der Krieg in der Ukraine und die dort vorhandene „unglaubliche Menge an verfügbaren Schusswaffen“. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund der sich zuletzt wieder häufenden Fälle von Korruption im Kiewer Regierungsapparat klingen diese Befürchtungen alles andere als abwegig.
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Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.
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