Ein Gastbeitrag von Vera Lengsfeld
Nachdem das BSW in Sachsen die Sondierungsgespräche beendet hat, weil man sich nicht auf eine gemeinsame „Friedensformel“ einigen konnte, scheinen die Thüringer Brombeerkoalitionäre CDU, SPD und BSW unbeeindruckt weitermachen zu wollen. Das haben die drei Spitzenverhandler Mario Voigt (CDU), Katja Wolf (BSW) und Georg Maier (SPD) am 10.11. in der „Frankfurter Allgemeinen“ demonstriert. Wer sich den kurzen Text anschaut, stellt schnell fest, dass außer Wortgeklingel die künftige Koalition nichts zu bieten hat.
Der Artikel startet mit der kühnen Aussage, die Landtagswahl hätte den „Variantenreichtum möglicher Regierungskooperationen neu bestimmt“. Nein, nicht die Wahl hat das getan. Die Wähler haben sehr eindeutig für eine liberal-konservative Regierung gestimmt. Es sind die drei Politiker, die fest entschlossen sind, den Wählerwillen zu missachten und für Thüringen an einer neuen linken Regierung zu basteln, koste es, was es wolle.
Angeblich gehe es um Pragmatismus statt um politische Grabenkämpfe, es gehe nicht um Parteiinteressen, sondern um das Land.
Wirklich? In den drei Punkten, die folgen, ist davon wenig zu spüren.
An der Spitze der Bemühungen stehen nicht etwa Überlegungen, wie man die Thüringer Wirtschaft vor dem weiteren Absturz bewahrt und vom angehäuften Schuldenberg herunterkommt, sondern „gleichwertige Lebensverhältnisse“. Darin steht nichts außer der Beteuerung, dass man im wunderschönen Thüringen an jedem Ort gut leben können muss.
Unter Punkt zwei: „Kultur des Ermöglichens“ folgt die Ankündigung, künftig Fördermittel „ohne übermäßige Dokumentationspflichten oder die Vorausschau des Antragstellers für die nächsten fünf Jahre“ an alle zu bewilligen, die „Mut zu Ideen“ haben. Eine klarere Einladung zur Fördermittel-Abzocke kann kaum ausgesprochen werden. Wo das Geld herkommen soll, darüber wird kein Wort verloren, denn es müssten dafür neue Schulden gemacht werden.
In Punkt drei „Kooperation statt staatliches Mikromanagement“ wird eine weitere Entbürokratisierung versprochen, aber so, dass außer der blumigen Ankündigung nichts zu entnehmen ist, wie das erreicht werden soll, etwa durch konkrete Abschaffung von Vorschriften und Gesetzen.
Den Thüringern wird versprochen, dass ihnen das Leben leichter gemacht werden soll, damit sie Vertrauen in die Politik zurückgewinnen.
Der ganze Beitrag ist, wie ausgerechnet Benjamin Hoff (Linke) auf X feststellte, „eine Aneinanderreihung von Plattitüden aus dem Baukasten des Politsprechs. Ihm fehlt Originalität, da er weder Kante noch Profil zeigen soll. Dafür Wohlfühlworte und nichts, was nicht jede andere Koalition in jeder anderen Farbkonstellation auch verspricht“. Frage an Herrn Hoff: Wird die Linke dennoch diese Koalition mit ihrer Stimme stützen?
Frage an die Thüringer: Warum lasst ihr euch das bieten, statt den Koalitionären zu zeigen, was ihr wollt?
„Wer die Wahrheit sagt, braucht ein schnelles Pferd“
sagt ein altes chinesisches Sprichwort. Bei uns ist es wohl eher ein guter Anwalt – und der kostet Geld. Augsburgs CSU-Oberbürgermeisterin Eva Weber hat mich gerade angezeigt, weil ich es gewagt habe, ihre Amtsführung zu kritisieren. Es geht um mehr als nur diesen Fall. Es geht um das Recht, Kritik an den Mächtigen zu üben, ohne kriminalisiert zu werden. Helfen Sie mir, dieses wichtige Recht zu verteidigen! Jeder Beitrag – ob groß oder klein – macht einen Unterschied. Zusammen können wir dafür sorgen, dass unabhängiger Journalismus stark bleibt und nicht verstummt. Unterstützen Sie meine Arbeit:
1000 Dank!
Aktuell sind (wieder) Zuwendungen via Kreditkarte, Apple Pay etc. möglich – trotz der Paypal-Sperre:
Über diesen LinkAlternativ via Banküberweisung, IBAN: DE30 6805 1207 0000 3701 71 oder BE43 9672 1582 8501
BITCOIN Empfängerschlüssel auf Anfrage
Diejenigen, die selbst wenig haben, bitte ich ausdrücklich darum, das Wenige zu behalten. Umso mehr freut mich Unterstützung von allen, denen sie nicht weh tut.
Meine neuesten Videos und Livestreams
Mein Demo-Déjà-vu in Berlin – Polizei zeigt ganz anderes Gesicht
Der Putsch gegen demokratische Prinzipien (und die AfD) im Thüringer Landtag – für Sie dechiffriert
Gastbeiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Und ich bin der Ansicht, dass gerade Beiträge von streitbaren Autoren für die Diskussion und die Demokratie besonders wertvoll sind. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.
Vera Lengsfeld, geboren 1952 in Thüringen, ist eine Politikerin und Publizistin. Sie war Bürgerrechtlerin und Mitglied der ersten frei gewählten Volkskammer der DDR. Von 1990 bis 2005 war sie Mitglied des Deutschen Bundestages, zunächst bis 1996 für Bündnis 90/Die Grünen, ab 1996 für die CDU. Seitdem betätigt sie sich als freischaffende Autorin. 2008 wurde sie mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande geehrt. Sie betreibt einen Blog, den ich sehr empfehle.
Bild: Shutterstock