Wie Georg Maier mit unbelegten Behauptungen gegen die AFD Politik macht Politische Schwäche wird durch Verdacht ersetzt

Ein Gastbeitrag von Thomas Rießinger

„Still! Wir wollen in eine Seele schauen. Im Fluge gleichsam, im Vorüberstreichen und nur ein paar Seiten lang, denn wir sind gewaltig beschäftigt.“ So beginnt Thomas Manns Erzählung „Ein Glück“ aus dem Jahr 1904. Dem Gang der Erzählung will ich hier nicht folgen, aber vielleicht können auch wir hier ein wenig „im Vorüberstreichen“ in die eine oder andere Seele schauen, wenn auch in völlig andere als Thomas Mann und weit entfernt von seinen stilistischen Möglichkeiten.

Beginnen wir mit Georg Maier, der bis dato den meisten Menschen noch nicht ins Bewusstsein geraten sein dürfte. Er ist SPD-Politiker, wofür man ihn vielleicht bedauern könnte, doch er hat es in dieser Eigenschaft weit gebracht: Innenminister in Thüringen ist er als einer von zwei SPD-Ministern, das ist doch schon mehr als nichts. Und es ist nicht sein erstes Thüringer Staatsamt. Seit 2015 war er Staatssekretär im Thüringer Wirtschaftsministerium, ein Amt, das er nur aufgab, weil er 2017 von Bodo Ramelow, seinerzeit Ministerpräsident des Landes Thüringen, zum Innenminister ernannt wurde. Das ist schon eine Erwähnung wert, denn weder die SPD als Ganzes noch Maier als Einzelner waren sich zu schade, eine Koalition mit der Linkspartei, die nichts anderes ist als die mehrfach umbenannte Mauerschützenpartei SED, und der Partei des infantilen Totalitarismus, die man auch die Grünen nennt, einzugehen. Von der Vergangenheit lässt man sich eben nur ungern belasten, vor allem dann, wenn es um Ministersessel geht, und dass Ramelow sich noch 2019 weigerte, die DDR als den Unrechtsstaat zu bezeichnen, der er war, muss einen Sozialdemokraten von altem Schrot und Korn nicht weiter stören.

Auch die Irrungen und Wirrungen des Februar 2020 hat Maier unbeschadet überstanden. Man erinnert sich: Die Regierung Ramelows und seiner Genossen war im Oktober 2019 abgewählt worden und die Ratlosigkeit war groß, denn abgewählt zu werden ist man bei der SED nicht gewöhnt. Nach langem Hin und Her wurde der FDP-Abgeordnete Thomas Kemmerich im Februar 2020 mit den Stimmen der AfD zum Ministerpräsidenten gewählt und trat nach nur einem Tag im Amt unter dem Druck jener Leute zurück, die sich als Demokraten bezeichnen, aber Ergebnisse demokratischer Wahlen nur akzeptieren, wenn sie ihnen behagen, woraufhin Ramelow wieder gewählt wurde und eine Minderheitsregierung mit Unterstützung der CDU bildete.

Georg Maier war immer und unverdrossen dabei. Wie es scheint, hat es ihn auch nicht allzu sehr bedrückt, dass die versprochenen baldigen Neuwahlen immer wieder bis hin zum nächsten regulären Termin verschoben wurden; welcher echte Demokrat traut schon noch dem Wähler in diesen schlechten Zeiten? Und so wurde erst im September 2024 wieder gewählt mit dem Resultat, dass der charismatische Mario Voigt das Amt des Ministerpräsidenten eroberte, getragen von einer Koalition aus CDU, SPD und BSW, in der das zusammenwuchs, was nicht zusammengehörte. Unterstützt wird sie, da ihr eine Stimme zur Mehrheit fehlt, nach wie vor von der SED. Georg Maier ist noch immer dabei und auch noch immer Innenminister, inzwischen sogar Landesvorsitzender der SPD, die sich seit 2009 von einem Stimmenanteil in Höhe von 18,5 % zu dem beachtlichen Status einer Kleinpartei mit 6,1 % der abgegebenen Stimmen hochgearbeitet hat. Es mag sein, dass ihn das etwas nervös werden ließ.

Dass er als Diplom-Kaufmann nicht unbedingt die fachlichen Voraussetzungen für das Innenministerium vorzuweisen hat, darf niemanden stören – wann hätten fehlende Fachkenntnisse jemals ein Ministeramt verhindert? Immerhin hatte er so die Möglichkeit, den eher linksorientierten Sozialpädagogen Stephan Kramer im Amt des Präsidenten des Landesamtes für Verfassungsschutz zu belassen, obwohl man dafür, folgt man dem Gesetz, die Befähigung zum Richteramt benötigt. Tut nichts, einen Bruder im Geiste setzt man nicht ab!

Georg Maier ist somit, wie es scheint, recht gesinnungstreu und vor allem treu sich selbst gegenüber, wenn es darum geht, Minister zu bleiben und Gesinnungsgenossen von eher zweifelhafter Qualifikation im Amt zu halten.

Um ein wenig von der stets drohenden Fünf-Prozent-Hürde bei zukünftigen Wahlen abzulenken, verspürte Maier nun vor wenigen Tagen das Bedürfnis, auf sich aufmerksam zu machen. Das ist ihm gelungen. Dem Handelsblatt teilte er mit, man habe Anhaltspunkte dafür, dass die AfD Spionagedienste im Sinne Russlands leiste. „Schon seit geraumer Zeit beobachten wir mit zunehmender Sorge, dass die AfD das parlamentarische Fragerecht dazu missbraucht, gezielt unsere kritische Infrastruktur auszuforschen.“ 47 Anfragen seien innerhalb eines Jahres gestellt worden und zwar von „steigender Intensität und Detailtiefe“, eine Charakterisierung, die von einer gewissen Unschärfe geprägt wird. Das Gleiche geschehe auch auf Bundesebene und werfe man einen Blick auf die Themen der Anfragen, so „drängt sich geradezu der Eindruck auf, dass die AfD mit ihren Anfragen eine Auftragsliste des Kremls abarbeitet“.

Der so wendige wie anpassungsfähige Innenminister hat einen Eindruck. Mehr hat er nicht. Eine auf dem üblichen Weg aus einer demokratischen Wahl entstandene Landtagsfraktion erdreistet sich, mithilfe des parlamentarischen Fragerechts etwas über die „kritische Infrastruktur“ zu erfahren, was im Rahmen einer parlamentarischen Demokratie ihr verbrieftes Recht ist – aber das Recht muss einen Innenminister nicht so sehr interessieren. Würden die zugehörigen Antworten tatsächlich kritische Bereiche berühren, die der Geheimhaltung bedürfen, dann könnte und würde die Regierung genau darauf hinweisen und die Aussage verweigern. Denn die Antworten auf parlamentarische Anfragen werden veröffentlicht und sollten daher nur Informationen enthalten, deren Veröffentlichung nicht schadet. Wie der Kreml davon profitieren sollte, erschließt sich nicht unmittelbar.

Die Angst davor, bei der nächsten Wahl das bisherige Ergebnis von 6,1 % noch zu unterbieten, scheint die politische Arbeit des Landesvorsitzenden zu prägen. Wenn man mit dem politischen Gegner nicht mehr zurecht kommt, versucht man, ihm Spionagetätigkeit für Putin unterzuschieben, in der Hoffnung, dass etwas hängen bleibt.

Doch die zarte Seele des Ministers musste Rückschläge einstecken. „Apollo News“ fragte im Thüringer Innenministerium nach, was man denn über den Missbrauch des Fragerechts wisse, den der Minister so lautstark angeprangert hatte. Die Antwort: nichts. Es gebe keine „amtlichen Informationen“, dass ein Missbrauch in fremdem Auftrag stattfinde. Minister Maier scheint es gewusst zu haben, in seinem Ministerium dagegen weiß man nichts. Vielleicht hat er sich inzwischen auch selbst bei seinen Mitarbeitern erkundigt, denn unlängst verkündete er in der Süddeutschen Zeitung, von einem Spionagevorwurf habe er nie gesprochen, es habe sich lediglich um eine politische Einschätzung gehandelt. Der offiziell zum Besten gegebene Eindruck, „dass die AfD mit ihren Anfragen eine Auftragsliste des Kremls abarbeitet“, ist also nichts weiter als eine politische Einschätzung und von einem Spionagevorwurf weit entfernt. Der Blick in die Seele des Ministers offenbart Abgründe, die ich nicht genauer erforschen möchte.

Aber wie das Leben so spielt, haben sich schnell und freudig andere dem fahrenden Zug beigesellt. Zwei will ich nur kurz erwähnen. Marc Henrichmann von der CDU regte an, Konsequenzen aus den Spionagevorwürfen gegen die AfD zu ziehen. Konsequenzen aus Vorwürfen, für die der findige Minister Maier keine Belege vorgelegt hat, weil sie ja ohnehin nur eine politische Einschätzung gewesen sein sollen. Und auch Henrichmann ist da nicht kleinlich: Es gebe „krasse Indizien“, verrät er dem staunenden Publikum, vergisst aber leider, das eine oder andere dieser Indizien preiszugeben. Und dann, als unüberbietbaren Höhepunkt: „Ich glaube fest, dass (Wladimir) Putin die AfD als willfähriges Werkzeug nutzt und die Führung – so sie es denn anders sähe – nicht die Kraft hat, diese Form des Verrats zu unterbinden.“ Maier hatte also einen Eindruck, der sich bei Henrichmann inzwischen zu einem festen Glauben entwickelt hat, aus dem man dann Konsequenzen ziehen soll. Ich bin beeindruckt.

Kopp Vertreibung 2

Noch beeindruckender mag mancher die grüne Abgeordnete Irene Mihalic finden, die nach Auskunft der „Welt“ gleich prüfen lassen will, „ob es möglich ist, die Beantwortung Kleiner Anfragen der AfD durch die Bundesregierung einzuschränken, wenn damit Sicherheitsrisiken zulasten Deutschlands und zugunsten Russlands verbunden sind“. Und das auf der Basis eines Eindrucks Maiers und eines festen Glaubens von Henrichmann.

Aber vergessen wir diese beiden Gestalten aus der zweiten Reihe, die nun ihren kurzen Ausflug ins Licht der Öffentlichkeit schon wieder hinter sich haben und im Dunkeln verschwunden sind. Denn einer weit wichtigeren Figur will ich mich jetzt zuwenden: Jens Spahn, der als Bundesgesundheitsminister zwar eine wesentlich bessere Beherrschung der deutschen Sprache als sein Nachfolger an den Tag legte, aber keine nennenswert bessere Politik, und der auch als derzeitiger Fraktionsvorsitzender der Union gerne beweist, dass er vielleicht doch eher in seinem angestammten Beruf als Bankkaufmann hätte bleiben sollen. Auch diese Lichtgestalt der deutschen Politik hat sich zu den Spionagevorwürfen geäußert und die AfD-Spitze aufgefordert, die Vorwürfe zu diesen Vorwürfen aufzuklären. Was genau hat er am Prinzip des Rechtsstaates nicht begriffen? Nur weil der Vorsitzende einer Thüringer Kleinpartei irgendwelche unbelegten Vorwürfe erhebt, muss der Adressat der Vorwürfe etwas aufklären?

„Der Verdacht, im Bundestag für den Ex-KGB-Spion Putin zu spionieren, wiegt schwer“, verriet er der „Rheinischen Post“, doch ein unbelegt verbreiteter Verdacht wiegt nicht nur nicht schwer, sondern gar nichts, weil jeder jederzeit jeden verdächtigen kann. Alice Weidel, so meint er weiter, müsse „umgehend und zweifelsfrei aufklären, welche Machenschaften es in ihrer Fraktion gibt“. Eigentlich nicht. Denn sollte es „Machenschaften“ in Weidels Fraktion geben, die etwas mit Spionage zu tun haben, dann ist es sicher nicht die Aufgabe der Fraktionsführung, sie aufzuklären, sondern die Sache der entsprechenden Behörden. Spahn betreibt hier eine Beweislastumkehr reinsten Wassers. Der pure Verdacht – ausgesprochen durch einen Innenminister, dessen eigenes Ministerium den Verdacht nicht bestätigen kann – veranlasst ihn zu Unterstellungen über „Machenschaften“ und zur Aufforderung an die Adressaten des Verdachts, sich endlich der Aufklärung zu widmen. Man würde sich wünschen, er könnte mit ähnlicher Begeisterung auf der Aufklärung der Untaten zu Zeiten der sonderbaren PCR-Pandemie beharren. Da hört man aber eher wenig.

Verwundern kann das alles nicht. Einerseits sieht man hier Beispiele politischer Unfähigkeit, die sich darin zeigt, dass man dem Gegner nicht mithilfe guter Politik zu Leibe rücken kann, weil man zu guter und bürgerorientierter Politik weder fähig noch willens ist. Und andererseits ist das eine schöne Gelegenheit, manche Prinzipien, die man ohnehin gerne installieren möchte, schon einmal zur Anwendung zu bringen, wie beispielsweise die Beweislastumkehr. Auf dem offiziellen X-Account des Bundesinnenministeriums hat sich Minister Dobrindt klar und unmissverständlich dazu bekannt. „Wir wollen eine Umkehr der Beweislast: Wer Vermögen besitzt, dessen Herkunft unklar ist, muss künftig beweisen, dass dieses Geld legal erworben wurde. Das ist ein echter Paradigmenwechsel.“ Bei unklarer Vermögensherkunft muss dann der Beweis erbracht werden, dass dieses Vermögen legal erworben worden ist. Der Besitzer muss den Beweis antreten, nicht etwa die Justiz den Gegenbeweis, wie das früher üblich war. Ansonsten „kann es zu einer vereinfachten Einziehung dieses Vermögens kommen“. Die Unschuldsvermutung, ein Eckpfeiler des Rechtsstaates soll außer Kraft gesetzt und durch eine Schuldvermutung ersetzt werden. Wie üblich wird das begründet durch den Kampf gegen die Organisierte Kriminalität, aber soll man glauben, dass man die Aufhebung der Unschuldsvermutung darauf beschränken wird? Vermögen sollen künftig eingezogen werden können, „wenn der legale Erwerb nicht nachgewiesen werden kann“. Nicht vielleicht dann, wenn der illegale Erwerb nachgewiesen werden kann? Solche Kleinigkeiten interessieren heute niemanden mehr.

Einführung des reinen Verdachtsprinzips, verbunden mit einer Beweislastumkehr und der Abschaffung der Unschuldsvermutung. Das sind die Methoden „unserer Demokratie“.

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Thomas Rießinger ist promovierter Mathematiker und war Professor für Mathematik und Informatik an der Fachhochschule Frankfurt am Main. Neben einigen Fachbüchern über Mathematik hat er auch Aufsätze zur Philosophie und Geschichte sowie ein Buch zur Unterhaltungsmathematik publiziert.

Bild: Steffen Prößdorf, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons

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