Admiral in Seenot Geschichten zum Schmunzeln – Mein Krisen-Alternativ-Programm

Hand aufs Herz: Haben Sie es nicht auch satt, ständig negative Nachrichten zu lesen? Bei denen man denkt, es seien „Aufzeichnungen aus einem Irrenhaus“? Was sie aber leider nicht sind – denn es sind reale Neuigkeiten aus Deutschland. Ich möchte Ihnen ein Kontrastprogramm bieten, aus meiner Zeit in Russland. Zum Entspannen und Schmunzeln. Voilà:

Um ein Haar wäre ein Lebenstraum in Erfüllung gegangen: Ausgerechnet eine böse Überraschung machte mir Hoffnung, ich könne in einem Kampfschiff die Moskwa hinauffahren und direkt an der Kreml-Uferstraße gegenüber von Wladimir Putins Arbeitsplatz triumphierend von Bord gehen. Stattdessen landete ich gekrümmt wie ein sowjetischer „Kosmonaut“ in einer winzigen Raumkapsel auf einem zeitungsblatt-großen Plätzchen in einer Tupoljew.

Doch alles der Reihe nach: Mitten in Kaliningrad, genauer gesagt in einem heruntergekommenen Motel vor dessen Toren (wo ich mich auch ohne Panorama-Tapete wie im Gebirge fühlte, weil die Toilette plätscherte wie ein Bergbach) kam mit den überkochten Frühstückseiern die Nachricht, dass wir festsitzen in der früheren Festung. Die Fluggesellschaft, mit der wir gekommen waren und in ein paar Stunden nach Moskau zurückfliegen sollten, hatte über Nacht ihre Lizenz verloren. Wegen Sicherheitsmängeln.

Pech für Iwan Normalflieger

„Kaliningrad-Avia hat seine Passagiere großen Gefahren ausgesetzt“, lautete die wenig beruhigende Nachricht. War da nicht dieses seltsame Wackeln der Deckenverkleidung beim Hinflug? Oder waren es meine Knie, die zitterten? Sei´s drum, es gab einen Lichtblick: Wir waren schließlich kein „Meerrettich vom Berg“ – wie man in unfeinem Russisch all jene nennt, die zur falschen Zeit am falschen Ort sind – sondern, in der Bürokraten-Sprache, „offizielle Personen“: Gäste der baltischen Flotte. So gab es Hoffnung, dass wir die nächsten Stunden oder Tage nicht wie Iwan Normalflieger verbringen würden: Vor Flugzeugkassen, und Leidensgenossen um heißen Tee aus rostigen Thermos-Kannen anbettelnd.

Wandelnder Panzerkreuzer

Die Flotte versprach, ihre gewaltige Feuerkraft zu Lande und zur See in unseren Dienst zu stellen. An einem durchschlagenden Erfolg konnten wir keine Zweifel haben – nachdem wir kurz zuvor den Oberkommandierenden persönlich in Augenschein nehmen durften. Ein Mann wie ein Schlachtschiff, mit gewaltiger Wasserverdrängung und beeindruckender Panzerung, 23 Orden und sechs Sternen. Seine Hände waren so kräftig, dass er den Kuli zwischen den Fingern zu zerquetschen drohte; nur sein glatt glänzendes Gesicht schien mehr Spuren von Sekt-Empfängen an Land aufzuweisen als von Sturmwinden und Rum-Gelagen zur See.

Drei Augen vor dem Standesamt

Die Flotte sei notwendig wie eh und je, rechtfertigte der Admiral ungefragt sein Dasein: Alte Munition an Land und See müssten seine Leute bergen, weil sonst Tiere das Teufelszeug fressen und dann mutieren würden. Über den Nahrungskreislauf käme das Gift irgendwann beim Menschen an, und Paare mit „drei Augen und wer weiß was sonst noch allem am falschen Fleck“ würden bald bei den Standesämtern vorsprechen. Was für ein Glück, dass es die Flotte gibt!

SOS – argumentative Seenot

Doch nicht nur für den Artenschutz sind die Seebären unerlässlich. Ganz treu nach Putins Lieblings-Parole eröffnete dieses Schlachtschiff von einem Admiral, die neue Aufgabe der Marine sei die Terrorbekämpfung. Wie die ausgerechnet in der Ostsee aussehe? Das saß. Der Admiral geriet in Seenot. Sein Kopf fiel in Schräglage backbord, die Sterne auf seinen Schultern gingen auf Tauchstation. Er murmelte etwas von Piraten, aber es klang wie „SOS“ – ein Hilfeschrei nach Argumenten.

Mütter ohne Mann und Kind

Doch dann die jähe Konterattacke. Die Frage nach dem jüngsten Skandal – zwölf Wehrpflichtige konnten, misshandelt von ihren Vorgesetzten, gerade noch aus einer Kaserne ausbüchsen und kamen gleich ins Krankenhaus, brachte dem Admiral Oberwasser, er plusterte sich auf, schien mit einem Mal noch breiter, und schoss eine Salve nach der anderen ab: „Diese Soldaten haben sich doch in Wirklichkeit gefreut über ihre Verletzungen, weil sie damit einen Vorwand haben, nicht zu dienen“. Schuld an allem sei der armeekritische Verein der „Soldatenmütter“ – das seien Mamas, die weder Männer noch Kinder haben, feuert der Haudegen wütend und logisch nicht mehr ganz astrein nach: „Wahre Mütter sind so wie bei uns unsere Frau Sidorowa, die zwei Söhne bei der Flotte verloren hat, jetzt ihren dritten Sohn zu uns brachte und in Schulen auftritt und die jungen Männer für die Armee wirbt.“

Allerheiligstes der Korrosion

Werbung hat die Truppe auch nötig. In „Baltiisk“, dem alten Pillau, rostet des Admirals Flotte vor sich hin – ein trauriges Schauspiel. Selbst am Stolz des Verbandes, dem Torpedoboot „Der Hartnäckige“, nagt schon hartnäckig der Zahn der Zeit: Obwohl 1994 gebaut, scheint das Computerzeitalter ohne jede Spur an ihm vorbeigegangen zu sein – bis auf den DVD-Recorder in der Kapitänskajüte. „Im Computerraum, alles geheim“ antworten die Offiziere vieldeutig auf die Frage nach moderner Technik. Ins Allerheiligste der Korrosion dürfen wir Ausländer nicht vordringen. Auch die frühere Mindestration der Gastfreundschaft – 100 Gramm Wodka und eine Salzgurke (meistens mehr) – ist inzwischen gestrichen.

Wort-Salve Richtung Flughafen

Meine Hoffnung, dass der Admiral für uns einen Panzerkreuzer nach Moskau abkommandiert, war nichts anderes als ein Tagtraum – Trost in eigener Sache, wo wir schon ohne Flieger da saßen. Doch ganz umsonst war die Hoffnung auf die Schusskraft des Flottenchefs nicht. Allem Anschein nach reichte eine einzige Wort-Salve Richtung Flughafen – und schon hieß es, dass wir in die nächste Tupoljew kommen, die Kaliningrader Boden verlässt. Und so waren wir guter Dinge – dabei hätten wir ahnen müssen, dass auch der Rückflug alles andere als langweilig wird.

Fortsetzung folgt.

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