„Oops! … I Did It Again“, sang im Jahr 2000 die US-amerikanische Pop-Sängerin Britney Spears: „Oops! Ich habe es schon wieder gemacht!“ Das trifft heute auch für viele Wähler in Ostdeutschland zu – im übertragenen Sinne. Denn eine Woche, nachdem mit dem Rechtsanwalt und Landtagsabgeordneten Robert Sesselmann in Sonneberg erstmals ein AfD-Politiker in ein kommunales Spitzenamt gewählt wurde, gewann erneut ein Politiker der stigmatisierten Partei eine Bürgermeisterwahl: Der Landtagsabgeordnete Hannes Loth besiegte in einer Stichwahl in Raguhn-Jeßnitz in Sachsen-Anhalt seinen parteilosen Gegen-Kandidaten.
Ob auch für Loth jetzt eine „Gesinnungsprüfung“ angeordnet wird wie für den frisch gewählten, aber noch nicht vereidigten Landrat Sesselmann, war am Sonntag noch unklar. Der Thüringer AfD-Mann soll von der vorgesetzten Behörde auf seine Verfassungstreue geprüft werden. Faktisch wird damit der Bürgerwille von einer Art TÜV-Prüfung durch die Bürokratie abhängig gemacht. Selbst die örtliche CDU zeigte sich als gute Verliererin und beklagte das Vorgehen der Behörden in dem Bundesland, das von Bodo Ramelow von den „Linken“, also den SED-Erben, geführt wird.
Das Ergebnis in der Gemeinde im Landkreis Anhalt-Bitterfeld, in der 8.861 Menschen leben und rund 7.800 wahlberechtigt waren, fiel knapp aus: Der 42-jährige Loth bekam 51,13 Prozent der Stimmen, sein 31-jähriger Gegenkandidat nur 48,87 Prozent. Die Wahlbeteiligung lag bei 61,51 Prozent. Der Wahlsieger Loth ist in der Gemeinde aufgewachsen und als Landwirt war er vor seiner Wahl Betriebsleiter in einem Agrarunternehmen.
In den Blasen in den sozialen Medien kam es zu den – wie man inzwischen leider sagen muss – üblichen Beschimpfungen. So wurden unter einem Instagram-Post über die Wahl beim ZDF Wähler und Politiker der AfD als „menschlicher Müll“ bezeichnet. Man könnte nun sagen: Was kann das ZDF für Kommentatoren? Einiges. Denn erst kürzlich hat der Sender schon Kindern erklärt, warum die AfD schlecht bzw. rechtsextrem sei.
Das #ZDF erklärt Kindern warum die #AfD schlecht bzw #rechtsextrem ist…#Propaganda und #Agitation für #Kinder: pic.twitter.com/76qmeUc7xW
— Dr. David Lütke (@DrLuetke) July 2, 2023
Ein konservativer Journalist schrieb auf seinem Twitter-Account, offensichtlich als Satire: „Meine Familie (und wir sind viele!) wollte ihren wohlverdienten Sommerurlaub in #RaguhnJessnitz verbringen. Jetzt müssen wir alles absagen & zuhause bleiben. Alle Kinder weinen. Meine Frau fragt mit zitternder Stimme: ‘WaRuM?‘ – Ich kann nur noch hilflos flüstern: ‘Oh mein Gott!‘“
Auffallend ist, dass die sonst bei AfD-Siegen üblichen Skandal-Wellen auf Twitter fast gänzlich ausblieben. So als hätte irgendjemand einen Hebel umgelegt. Statt des üblichen Hyperventilierens herrschte Schweigen.
Man könnte das natürlich damit erklären, dass es sich um eine nicht allzu große Gemeinde handelt. Aber auch der Landkreis Sonneberg ist der zweitkleinste in Deutschland, und dort war der Sturm der Empörung über den ersten AfD-Landrat in Deutschland riesig. Dass die Partei aber nun auch erstmals einen Bürgermeister stellt, hat eine hohe Symbolkraft – sowohl für Anhänger als auch Widersacher der AfD. Insofern wäre eine „Empörungs-Welle“ zu erwarten gewesen. Vielleicht kommt sie ja auch noch.
Auch in einigen Medien wurde die Wahl auffallend beiläufig unter „ferner liefen“ behandelt. In der digitalen „Bild“ ist sie nur im Kleingedruckten zu finden. Andere wiederum, wie die „Welt“, machten sie zur Hauptnachricht ganz oben auf ihrer Internetseite.
Die Politik der „Brandmauer“, die von den anderen Parteien im Umgang mit der AfD propagiert wird, droht mit den Erfolgen der Partei im kommunalen Bereich zu scheitern. Allen Beteuerungen der Parteispitze zum Trotz arbeiten hier auch heute schon oft Mandatsträger der anderen Parteien mit der AfD zusammen. Wenn die AfD ihre Chance nutzt, werden viele Bürger die Partei nicht (mehr) als Tor zur Hölle sehen, sondern als pragmatische Kraft. Damit würde der Damm der Stigmatisierung weiter brechen.
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