Von Kai Rebmann
Es ist eine Frage, die in den vergangenen Jahren schon oft gestellt wurde: Können bzw. dürfen Christen guten Gewissens Mitglied in der AfD sein? Dazu gesellt sich jetzt eine weitere Frage: Können bzw. dürfen die Träger von kirchlichen Ämtern guten Gewissens Mitglied in der AfD sein?
Was wie das Gleiche klingen mag, ist eben noch lange nicht dasselbe. Immer mehr Christen treten ganz bewusst aus der Kirche aus – sei es nun die evangelische oder katholische – weil sie die dort verfolgte Ideologie nicht mehr mit ihrem Glauben vereinbaren können.
Dieser eingangs beschriebene Hintergrund ist von gewisser Bedeutung, um ein Interview von „Kirche + Leben“ mit Imre Stetter-Kamp richtig einordnen zu können. Das katholische Online-Magazin sprach mit der Präsidentin des Zentralrats der deutschen Katholiken (ZdK) nicht etwa über den Zustand ihrer Kirche, sondern über die Widerstandsfähigkeit der Gesellschaft gegen das Erstarken der AfD „und damit rechtsradikaler, rassistischer und antidemokratischer Positionen in Deutschland“.
Fake News über ‚Fremdenhass‘ und Migration
Gleich zu Beginn geht es um das Wahljahr 2024, welches Stetter-Kamp als „Lackmustest“ bezeichnet. Die Europawahl sowie die Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen würden zeigen, „ob die Saat der rechten Kräfte aufgeht“. Alle „demokratischen Parteien“ seien aufgefordert, den Wettbewerb um das Vertrauen in der Bevölkerung aktiv anzugehen und eine Regierungsbeteiligung der AfD aktiv zu verhindern.
Aktiv verhindert wird von diesen sogenannten „demokratischen Parteien“ tatsächlich schon jetzt einiges. So verwehrt man der AfD bis heute entgegen aller Gepflogenheiten etwa das Amt eines stellvertretenden Bundestagspräsidenten. Oder es wird versucht, die Desiderius-Erasmus-Stiftung von öffentlichen Fördergeldern abzuschneiden.
Aber diese Dinge hat die Kirchenfrau mit ihren Worten freilich nicht gemeint. Stattdessen fragt Stetter-Kamp sich und ihre Leser: „Ist es nicht typisch, dass oft gerade dort Fremdenhass propagiert wird, wo relativ gesehen wenige Migranten leben?“
Deutschland kann die ZdK-Präsidentin damit eigentlich nicht gemeint haben. Zumindest nicht, wenn sie sich an die Fakten halten würde. Man muss es fast schon als dreist bezeichnen, den Deutschen gerade in diesen Zeiten noch weismachen zu wollen, in ihrem Land würden „relativ gesehen wenige Migranten leben“. So sehr kann einen das Gefühl eigentlich gar nicht täuschen.
Und tatsächlich reicht ein einfacher Blick auf die Zahlen des Statistischen Bundesamtes. Demnach lag der Anteil ausländischer Staatsbürger an der Gesamtbevölkerung in Deutschland im Jahr 2022 bei genau 13,07 Prozent. Damit belegt die Bundesrepublik unter allen EU-Staaten einen Platz im oberen Drittel.
Und was den vermeintlichen „Fremdenhass“ angeht, so darf nicht automatisch jeder Protest gegen den unkontrollierten Zustrom aus aller Herren Länder als solcher bezeichnet werden. Der Blick auf Dörfer wie Upahl zeigt, um nur ein Beispiel zu nennen, dass es sehr gute, sprich sehr rationale Gründe geben kann, gegen die Aufnahme von Flüchtlingen zu sein. Mit pauschalem oder gar systematischen „Fremdenhass“, wie es hier suggeriert wird, muss das nicht zwangsläufig etwas zu tun haben.
Auch aus objektiver Sicht heraus berechtigte Ängste und Sorgen der schon länger hier lebenden Bevölkerung, etwa vor der steigenden und immer „normaler“ werdenden Kriminalität, werden in dem Interview bezeichnenderweise gar nicht erst thematisiert.
‚Aktives Eintreten für AfD widerspricht Werten des Christentums‘
Dafür aber umso mehr die Gründe, weshalb eine AfD-Mitgliedschaft und die gleichzeitige Übernahme eines kirchlichen Laienamtes unvereinbar sein soll. Die Partei sei im Verlauf der Jahre immer weiter nach rechts gerückt, glaubt Stetter-Kamp. Oder ist das politische Spektrum der „demokratischen Parteien“ in der Ära Merkel vielleicht einfach nur immer weiter nach links gerückt? Auch solche, schon fast polit-philosophischen Fragen, sucht man in dem Gespräch natürlich vergebens.
Sodann lässt die ZdK-Präsidentin das vermeintliche Totschlag-Argument vom Stapel: „Und es ist eindeutig, dass antisemitische, rassistische, menschenverachtende Haltungen und Äußerungen keinen Platz in einer katholischen Organisation haben.“
Da staunt der Laie und der Fachmann wundert sich. Denn es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, man könnte es auch als Doppelmoral bezeichnen, dass ausgerechnet Imre Setter-Kamp in einer solchen Weise – aus der selbst zugedachten Position des „Gutmenschen“ heraus – über „menschenverachtende Haltungen“ spricht.
In „Christ und Welt“ forderte die Kirchenfunktionären im Juli 2022, in Deutschland müsse es sichergestellt werden, „dass der medizinische Eingriff eines Schwangerschaftsabbruchs flächendeckend ermöglicht wird“. Ebenso begrüßte Stetter-Kamp in diesem Zusammenhang, dass Abtreibungen von entsprechenden Anbietern nun auch aktiv beworben werden dürfen. Zumindest kirchenintern befindet sich die Frau mit einer solchen Haltung inzwischen aber in guter Gesellschaft.
Und so kann es wohl kaum ernsthaft verwundern, dass die ZdK-Präsidentin – wie zuvor schon in der politischen Landschaft – auch innerhalb ihrer Kirche einen „Rechtsruck“ ausgemacht haben will. Es ist wohl ein wenig wie mit dem Autofahrer, der die falsche Autobahn-Auffahrt erwischt hat und sich dann über die ganzen Geisterfahrer auf seiner Spur wundert…
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Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.
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