Von Kai Rebmann
Unvergessen bleiben die Sätze, mit denen Annalena Baerbock im Mai 2021 klarstellte, warum nur sie Kanzler-Kandidatin der Grünen werden konnte und eben nicht Robert Habeck – und sich über diesen auf offener Bühne lustig machte: „Vom Hause her kommt er – Hühner, Schweine, […] Kühe melken. Ich komm’ eher vom Völkerrecht. Da kommen wir aus ganz anderen Welten im Zweifel.“ Die kaum verhohlene Botschaft: Hier die kultivierte und gebildete Frau von Welt, dort der Stallbursche aus der Provinz …
Zweifel sind in den Wochen und Monaten nach dieser Aussage aber vor allem am offenbar frisierten Lebenslauf der heutigen Bundesaußenministerin laut geworden. Und jetzt ist Annalena Baerbock einmal mehr über ihren eigenen Hochmut gestolpert. Die Möchtegern-Kanzlerin hat das Kunststück fertiggebracht, dass Deutschland erstmals seit der Gründung des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag (1. Juli 2002) keinen der dort amtierenden 18 Richter stellt – ein politisches und nicht zuletzt völkerrechtliches Desaster!
Dabei galt es unter den rund 160 Mitgliedsstaaten dieses Gremiums bisher als ungeschriebenes Gesetz, dass Deutschland stets einen Sitz erhält. Nicht zuletzt wohl auch deshalb, weil die Bundesrepublik der zweitgrößte Beitragszahler ist – denn wer bezahlt, der bestimmt bekanntlich auch, zu welcher Musik getanzt wird.
Peinliches Novum in Den Haag
Doch damit ist jetzt auch in Den Haag Schluss – und der Grund dafür könnte banaler kaum sein. Deutschland hat es schlicht und einfach ver(baer)bockt und bei der Richterwahl die falsche Kandidatin – und das im Wortsinn – ins Rennen geschickt. Ute Hohoff selbst kann dafür freilich am allerwenigsten. Die Juristin gilt als hochanerkannt, aber eben nur auf nationaler Ebene. Auf dem Parkett der internationalen Politik und Justiz ist Hohoff ein weitgehend unbeschriebenes Blatt.
Die Crux: Das Auswärtige Amt und dessen Hausherrin beharrten darauf, dass der durch das Ausscheiden von Bertram Schmitt vakant gewordene Sitz am Internationalen Strafgerichtshof um jeden Preis von einer Frau besetzt werden muss. Dabei wurde jedoch übersehen, oder ganz bewusst ignoriert, dass zuletzt bereits 9 von 12 Mandaten an Frauen gingen. Im Sinne der Geschlechtergerechtigkeit hätte man wohl erwarten können, dass ein Mann die deutlich besseren Chancen haben würde.
Und so kam es dann auch: Während Hohoff bei der Vertragsstaatenversammlung auch im sechsten Wahlgang nur kümmerliche 16 von 120 Stimmen erhielt, freut sich jetzt Frankreich über den von der Bundesregierung sicher geglaubten Sitz am Internationalen Strafgerichtshof. Die Mehrheit sprach Nicolas Guillou im siebten Wahlgang wenig überraschend das Vertrauen aus.
Ideologischer Alleingang gescheitert
Doch wie konnte es zu diesem Fauxpas überhaupt kommen, weshalb nahm Baerbock niemand die ideologischen Scheuklappen ab? Anders als etwa bei der Kandidatenkür für den Bundesgerichtshof, das Bundesverfassungsgericht oder auch den Europäischen Gerichtshof haben Opposition oder gar außerparlamentarische Stimmen bei der entsprechenden Auswahl für den Internationalen Strafgerichtshof nichts zu melden – und das Auswärtige Amt de facto das alleinige Sagen.
Man mag an dieser Stelle einwenden, dass Ute Hohoff von einem aus vier Völkerrechtlern bestehenden Wahlausschuss in den Kandidatenstand erhoben wurde. Doch dieses Gremium arbeitet alles andere als unabhängig, werden ihre Mitglieder doch vom Auswärtigen Amt bestimmt, sodass sich die Katze hier ganz offensichtlich in den Schwanz beißt. Die Abhängigkeitsverhältnisse sind also noch deutlich größer, als es bei den Gerichten auf nationaler Ebene trotz der oben beschriebenen „Vorsichtsmaßnahmen“ ohnehin schon der Fall ist.
Das eindeutige Votum aus Den Haag bringt die Bundesaußenministerin und selbsternannte Völkerrechts-„Expertin“ in Erklärungsnot. Wohl noch nie in der gut 20-jährigen Geschichte des Internationalen Strafgerichtshofs erlebte die Welt derart bewegte Zeiten. Ausgerechnet jetzt fehlt eine Stimme aus Berlin – und das aller Wahrscheinlichkeit nach nur aufgrund eines ideologischen Tunnelblicks!
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