Baulöwe fordert: Gleiche Rechte für Obdachlose wie für Flüchtlinge Von Politik und Gesellschaft vergessen

Von Kai Rebmann

Es waren Sätze, die so gar nicht in die besinnliche Adventszeit passen wollten. Kurz vor Weihnachten ließ der Bauunternehmer Richard „Mörtel“ Lugner mit einem Klartext-Interview aufhorchen. Die Wiener Society-Legende prangerte den Umgang mit Obdachlosen an und zog als Vergleich die Rundum-Sorglos-Pakete heran, die für Flüchtlinge geschnürt werden. Kernpunkt der Kritik: „Jedem Asylanten werden umgehend ein warmer Schlafplatz und verschiedene Sozialleistungen von Stadt und Bund zur Verfügung gestellt! Unsere heimischen Obdachlosen müssen aber frieren. Das ist alles eine einzige Frechheit.“

Wie nicht anders zu erwarten, sah sich Lugner auf der Stelle mit Vorwürfen konfrontiert, er wolle „bei ÖVP und FPÖ andocken“, wie es der Interviewer der „Krone“ formulierte. Dagegen verwahre er sich, ließ der Unternehmer sein Gegenüber wissen und stellte klar: „Es ist die Aufgabe des Staates, sich um diese Dinge zu kümmern. Durch die Verdrängung in die Öffentlichkeit entstehen zusätzliche soziale Brennpunkte. Gerade die Obdachlosen, die im Kampf gegen die Kälte und Probleme zum Alkohol greifen, werden so von jeglicher Unterstützung ausgeschlossen und auf die Straße gedrängt und somit auch zur Belastung für die Allgemeinheit.“

Leben auf der Straße – in Deutschland ein Tabuthema

Auch hierzulande wird das Problem der Obdachlosigkeit beharrlich totgeschwiegen. Tenor: Menschen, die auf der Straße leben, darf es im „besten Deutschland aller Zeiten“ nicht geben. Anders als in Österreich, wo sich in dieser Hinsicht vieles auf den Brennpunkt Wien konzentriert, gehören Obdachlose in nahezu jeder deutschen Großstadt längst zum Alltag. Wie viele Menschen es genau sind, die keinen festen Wohnsitz haben, darüber herrschte lange Rätselraten. So genau wollte es wohl auch niemand wissen, am allerwenigsten die Machthaber in Berlin. Fest stand nur: Es werden immer mehr. Der gerade in der jüngsten Vergangenheit stetig wachsende Zulauf bei den Tafeln konnte als erstes Indiz für diese Annahme gewertet werden.

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Da passt es ins Bild, dass es bis zum Spätjahr 2022 dauerte, ehe in Deutschland überhaupt erstmals eine repräsentative Studie über das Leben auf der Straße durchgeführt wurde. Die Gesellschaft für innovative Sozialforschung und Sozialplanung (GISS) hat dabei herausgefunden, dass knapp 90.000 Menschen „nicht institutionell versorgt“ werden. Im Klartext heißt das: 37.400 Obdachlose leben auf der Straße, weitere 49.000 kommen vorübergehend bei Freunden oder Bekannten unter, was die Autoren der Studie als „verdeckte Wohnungslosigkeit“ bezeichnen. Besonders alarmierend: Zu diesen Obdachlosen gehören auch 6.600 Kinder und Jugendliche, die mitten in Deutschland ohne Dach über dem Kopf aufwachsen. Weitere knapp 180.000 Menschen werden über die sogenannte „Wohnungsnotfallhilfe“ versorgt. Insgesamt reden wir in Deutschland also über mindestens 260.000 Obdachlose, wobei eine mehr oder weniger hohe Dunkelziffer noch nicht berücksichtigt ist.

Ist der Vergleich mit Flüchtlingen zulässig? Ja!

Nun verbietet es sich sicherlich, den Flüchtlingen und Asylanten die Schuld für dieses Elend in die Schuhe schieben zu wollen. Dennoch muss die Frage erlaubt sein: Was tut der Staat auf der einen Seite und was unterlässt er auf der anderen Seite? Häufig wird das Argument vorgeschoben, Obdachlose würden sich aus freien Stücken für ein Leben auf der Straße entscheiden. Das mag im Einzelfall womöglich zutreffen, kann aber nicht für die Mehrheit angenommen werden, wie die GISS-Studie ebenfalls gezeigt hat. Zu den häufigsten Gründen für die Wohnungslosigkeit gehören demnach Mietschulden, teure Scheidungen und misslungene Resozialisierung nach abgesessenen Gefängnisstrafen. Und auch bei der Frage, warum Obdachlose nicht Zuflucht in einer Behelfs- oder Notfallunterkunft suchen, ergab sich ein einheitliches Bild. Diese seien in den meisten Fällen überfüllt, völlig verdreckt und stellen ein hohes Sicherheitsrisiko dar, was vor allem von Frauen so gesehen wird.

Ist es also gerecht, wenn Flüchtlinge und Asylanten, die noch nie einen Cent in das deutsche Sozialsystem eingezahlt haben, teilweise ab dem ersten Tag ihrer Ankunft zu vollberechtigten Leistungsempfängern werden? Darf sich eine verantwortungsvolle Politik einer offenen Diskussion darüber verweigern, wie sinnvoll es ist, immer mehr Migranten ins Land zu holen, die das Sozialsystem absehbar weiter belasten werden, ehe man sich zuerst um die eigenen Obdachlosen kümmert, indem man menschenwürdige Lebensbedingungen schafft? Die GISS-Studie spricht eine weitere unbequeme Wahrheit offen aus: Zwei von drei Obdachlosen haben die deutsche Staatsbürgerschaft, bei den „verdeckt Wohnungslosen“ trifft dies sogar auf drei von vier Menschen zu.

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Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.

Bild: Shutterstock

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