Von Alexander Wallasch
Druck aus den eigenen Reihen, der ihn zur Besinnung bringen sollte, ist ihm längst vollkommen wurscht: Noch-EKD-Chef Heinrich Bedford-Strohm wird zwar als Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche Deutschland (EKD) im Herbst 2021 nicht mehr antreten, was ihn allerdings nicht davon abhält, sich weiter als einer der engagiertesten Scharfmacher der Republik zu gerieren.
Fast ganz gleich, wo Bürger berechtigte Zweifel haben und Kritik äußern, der Landesbischof der Lutheraner in Bayern fährt dazwischen und beendet Sachdiskussion mit der Moralkeule. Wer nicht will wie er, der wird von ihm rüde beschimpft – inflationär insbesondere dort, wo Deutsche auf die Einhaltung wenigstens des Asylrechts pochen und Missbrauch beklagen. Für Bedford-Strohm ist das eine „Schande“.
Die Sea-Watch-Kapitänin Carola Rackete wird in Italien festgenommen? Für Bedford-Strohm ist das gleichwertig mit Blasphemie und die Festnahme der heiligen Jungfrau zur See „eine Schande für Europa“!
Die Europäische Union debattiert über den Schutz ihrer Außengrenzen? Für Bedford-Strohm ist im Zweifel auch die Arbeit dieser Institution „eine Schande“. Denn wenn es darum geht, illegale Zuwanderung zu legalisieren, wird der Bischof zum Revolutionär:
„Die Bereitschaft ist ja da, in Europa aufzunehmen, sie darf nur nicht länger von den Regierungen der Staaten blockiert werden.“ Merksatz hier also: Wer sich an die Asylgesetzgebung hält, der ist ein Blockierer, wer diese Gesetze bricht, ist ein Heiliger.
Bedford-Strohm möchte, dass möglichst viele Schiffe auslaufen, um immer mehr Menschen auf den gefährlichen Weg über das Mittelmeer zu locken, wer das kritisiert: eine Schande.
Und weil diese Seenotrettungen immer umstrittener sind und das Risiko erhöhen, zu ertrinken, erhalten die Seenotretter vom Bedford-Strohm einen Ablassbrief frei Haus. Der Bischof erteilt seinen Segen für das Seenotrettungsgeschäft, von dem auch die Kirche via Spendengeldern kräftig profitiert: „Aus der Sicht christlicher Grundorientierungen ist es für das Hilfshandeln nicht entscheidend, warum Menschen in Lebensgefahr geraten, sondern nur, dass sie in Lebensgefahr sind.“
Von der Seenotrettung vor Libyen mit Bedford-Strohm umstandslos hinüber zur Machtübernahme der Taliban: Kaum ein paar Stunden, nachdem die Islamisten nach Kabul zurückgekehrt waren, meldete sich Spürnase Bedford-Strohm bereits zu Wort und wedelte mit seinem christlichen Kompass, als hätte ihn jemand darum gebeten: Deutschland solle einen „solidarischen Beitrag zur Bewältigung der Folgen“ leisten? Diese in der christlichen Tradition stehende Umdeutung der tatsächlichen Ereignisse und Gegebenheiten ist exemplarisch. Und wer hier Kritik übt an der eingeforderten Solidarität, dem droht der öffentliche Pranger, da kennt der Kirchenmann nichts und wirft seinen bischöflichen Schande-Bann über den Schändling.
Diese überhebliche Vereinnahmung einer humanitären Aktion durch Bedford-Strohm, einer Hilfe von Menschen, die einfach machen und nicht nur Reden schwingen, ist unerträglich: Bedford-Strohm „dankt allen, die an Rettungsaktionen beteiligt sind“. Fast so, als basiere das alles auf einer christlichen Mission und der Noch-EKD-Chef wäre der Mutigste von allen und nicht jene, die wirklich anpacken, anstatt nur über andere zu urteilen und zu moralisieren – weltvergessen nur in der eigenen Eitelkeit.
Wenn es darauf ankommt, dann duckt sich der Herr Bischof allerdings gerne weg, dann verbirgt er das Gesicht, da will er es nicht gewesen sein – die Geschichtsbücher sind voll von solchen Kirchenleuten, der Begriff der Scheinheiligkeit hat sich hier über ein Jahrtausend hinweg fest etabliert.
Richtig zaghaft zeigte sich Heinrich Bedford-Strohm nämlich auf einmal, als ihm zugetragen wurde, dass ein von ihm initiiertes Seenotrettungsschiff mit der Antifa-Flagge in See sticht und auch das Personal schon im Antifa-Ornat gesichtet wurde. Da wollte er schnell nichts mehr mit seinem Schiff zu tun haben. Zuerst bat er seine Antifa zur See noch zaghaft, doch bitte das Fähnchen abzuhängen, dann duckte sich der Kirchenmann weg und sprang von Bord.
Zuerst posaunte er „Wir retten Menschen auf der Flucht vor dem Ertrinken“, dann strich die erste Kirche ihre Kollekte für das unter Antifa-Flagge fahrende Schiff vom Bischof. Und anschließend soll es gar nicht mehr das Schiff der Kirche sein, es sei längst den Seenotrettern übergeben worden. Der Bischof schwieg und schickte eine EKD-Sprecherin zur Causa Antifa vor, zu peinlich war wohl selbst dem peinlichen Bischof die Antifa-Meuterei auf seinem Kirchenschiff:
„Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) steht mit vielen anderen Institutionen, Parteien und Organisationen in Deutschland ein für eine auf der Würde jedes Menschen gründende, offene, tolerante und gerechte Gesellschaft. Die EKD wendet sich entschieden gegen rechtspopulistische, rechtsextreme, rassistische, minderheitenfeindliche und völkisch-nationalistische Einstellungen. Dabei setzt sich die EKD ausdrücklich für gewaltfreie Lösungen ein.“
Aber dieser Moralfilz reicht ja noch viel tiefer und bis hinein in die Parteipolitik. Wir sind jetzt bei Thies Gundlach angekommen. Der gilt als so etwas wie der Vordenker der EKD. Der führende Kopf des Unternehmens Kirche bekleidet den Posten eines Vizepräsidenten. Aber hier viel wichtiger: Er ist auch Vorsitzender jenes Vereins, der das Antifa-Schiff finanziert hat. Und Gundlach ist zudem mit der Grünen Politikerin Katrin Göring-Eckardt liiert. Hier wäre es wohl ein Segen, davon nicht erzählen zu müssen. Aber es muss sein, denn die Grüne ist eine der Hauptbefürworterinnen der Massenzuwanderung nach Deutschland und da schließt sich der Kreis dann bis hin zu den Grünen als Wunschkoalitionspartner der Union, eingefädelt von Merkel.
Jetzt pünktlich zur Machtübernahme der Taliban also der Ruf von Bedford-Strohm für die Aufnahme von afghanischen Flüchtlingen. Übrigens: Die Muslime wissen den Bischof spätestens seit Oktober 2016 sehr zu schätzen dafür, dass der deutsche Christenführer auf dem Tempelberg sein Kreuz abgelegt hatte – jenes Kreuz, für das so viele bekennende Christen jahrhundertelang in den Tod gegangen sind, Bedford-Strohm steckte es lieber in die Hosentasche, bevor es Ärger geben könnte.
„Wir haben als Land in den vergangenen Jahren Mitverantwortung in Afghanistan getragen“, sagte Bedford-Strohm Mitte August 2021 der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. „Gerade deshalb ist es jetzt auch an uns, einen solidarischen Beitrag zur Bewältigung der Folgen zu leisten, indem wir dafür sorgen, dass Menschen, denen die Flucht aus Afghanistan gelingt, menschenwürdige Aufnahme finden.“ Dies gelte unabhängig davon, ob sie Helfer der Alliierten waren oder nicht.
Dies gelte unabhängig davon, ob sie Helfer der Alliierten waren oder nicht?
Es geht dem Scheinheiligen hier also nicht einmal mehr darum, ob es sich um so genannte Ortskräfte der Bundeswehr oder der NATO vor Ort handelt, die alle nach Deutschland sollen. Nein, jeder Afghane ist gemeint.
Dass allerdings eine Reihe von Nichtregierungsorganisationen, die GIZ, der UNHCR und weitere Player, auch unter den Taliban weiter arbeiten wollen und sogar ihre Ortskräfte bitten zu bleiben, passt nicht recht ins Bild, stört den (vor)lauten Bischof aber nicht: „Alle sollen trotzdem nach Deutschland kommen.“
Der Regionalbischof des bayerischen Kirchenkreises Regensburg, Hans-Martin Weiss, riet seinem Glaubensbruder schon Mitte 2019 eindringlich: „Wir wünschen uns, dass er da zurückhaltender agiert und seine moralische Autorität nicht so vor sich herträgt, wie das mittlerweile in der Öffentlichkeit berechtigterweise kritisch wahrgenommen wird. Er sollte sich mehr mit der Frage beschäftigen: Was tue ich wann? Wann rede ich, wann schweige ich?“ Was für ein frommer Wunsch war das eigentlich?
Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.
Alexander Wallasch ist gebürtiger Braunschweiger und betreibt den Blog alexander-wallasch.de. Er schrieb schon früh und regelmäßig Kolumnen für Szene-Magazine. Wallasch war 14 Jahre als Texter für eine Agentur für Automotive tätig – zuletzt u. a. als Cheftexter für ein Volkswagen-Magazin. Über „Deutscher Sohn“, den Afghanistan-Heimkehrerroman von Alexander Wallasch (mit Ingo Niermann) schrieb die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung: „Das Ergebnis ist eine streng gefügte Prosa, die das kosmopolitische Erbe der Klassik neu durchdenkt. Ein glasklarer Antihysterisierungsroman, unterwegs im deutschen Verdrängten.“ Seit August ist Wallasch Mitglied im „Team Reitschuster“.
Bild: Maik Meid/ShutterstockText: wal