Ein Gastbeitrag von Gunter Weißgerber. Weißgerber ist Redner der Leipziger Montagsdemonstrationen 1989/90, Mitbegründer der Ost-SPD, Mitglied der freigewählten Volkskammer 1990, Mitglied des Deutschen Bundestages 1990–2009.
Im Juli 2017 waren wir bei unseren Freunden in Balatonfüred zu Gast. In diese Zeit fiel das „Veszprémi Utcazene Fesztivál 2017 – Musik rund um die Innenstadt“.
Die Veranstalter warben und werben noch immer mit diesen Worten „Das Straßenmusik-Festival Veszprém ist zweifelsohne das spektakulärste Ereignis der Stadt! Für ein paar Tage wird Veszprém in eine riesige Open-Air-Konzertbühne verwandelt. An jeder Ecke wird Musik gespielt. Auf den Bühnen stehen nicht nur einheimische oder ungarische Bands, von überall aus der Welt kommen Musiker, um hier spielen zu können. Unter den verschiedensten Musikrichtungen findet jeder das Passende. Somit ist dieses Festival nicht nur für Jugendliche, sondern ganz einfach für alle perfekt geeignet.“
Selbstverständlich fuhren wir mit Ildikó, László, Erika und Feri zu diesem internationalen Musikfestival und waren hellauf begeistert. Künstler in vielen Sprachen und allen Hautfarben, ebenso Besucher aus aller Welt zeigten auf ihre natürliche Weise die Vielfalt irdischen Daseins.
Die Stimmung war toll, kein Zoff, keine Kopftücher, keine Messerstechereien, Polizei war kaum zu sehen. Es war ein mehrtägiges lebenslustiges Straßenfest, wie es vor 2015 auch noch in Deutschland möglich war. Zu keinem Zeitpunkt kamen Befürchtungen von gefährlichen Situationen auf.
Dasselbe wohltuende Erlebnis hatten wir in den wunderschönen Strandbädern des Plattensees. Besucher aus vielen Ländern und keine Spur von Zoff oder Gefahr.
Es war eine Reise in eine bessere, sichere Zeit. Wer aus Deutschland oder anderen westeuropäischen EU-Ländern dort war, erkannte sofort, was ihm in den letzten Jahren genommen wurde: Die Regeln der Mehrheitsgesellschaft im eigenen Land.
Dabei wusste bereits Johann Wolfgang Goethe: „Wer sich den Gesetzen nicht beugen will, muss die Gegend verlassen, in denen diese Gesetze gelten.“ (Quelle: Goethe, Wilhelm Meisters Wanderjahre, 1821; erweitert 1829. 2. Buch, 2. Kap.). Viele Deutsche, eigentlich viele Westeuropäer, haben das vergessen.
Das Aufwachen wird unangenehm werden, eigentlich ist die Situation schon jetzt nahezu irreversibel. Um nicht falsch verstanden zu werden. Wir müssen denen, die politisch, rassistisch oder religiös verfolgt werden, Schutz geben! Deren Selbstbeschreibungen bedürfen allerdings der Überprüfung durch unsere demokratischen Rechtsstaaten. Seit 2015 erfolgt jedoch Zuwanderung faktisch unkontrolliert und es kommen nicht nur Schutzbedürftige, sondern vor allem Menschen mit steinzeitreligiösen Ansichten. Vielfach kommen auch die Verfolger der Schutzbedürftigen. Gerade für Frauen wird die Situation in der Europäischen Union bedrohlich. Die in den letzten 150 Jahren erkämpften Frauenrechte sind in Gefahr und das ausgerechnet durch die Fahrlässigkeit angeblich linker Strömungen.
Ich bin kein Parteigänger Viktor Orbáns, auch weiß ich zu wenig über den politischen Diskurs in Ungarn. Deshalb muss ich mit Bewertungen vorsichtig sein. Weder möchte ich alles, was in Ungarn geschieht, oberflächlich loben, noch möchte ich es oberflächlich kritisieren. Nur eines weiß ich ganz bestimmt: Viele EU-Regierungen und -Politiker gehen mit den Ungarn allgemein und mit dem ungarischen Ministerpräsidenten im Besonderen äußerst unfair und verlogen um. Eine Verlogenheit, die mich als Freund Ungarns in den letzten Jahren geradezu zu einem Verteidiger Ungarns gemacht hat.
Grenzschließung zum Schutz des eigenen Landes
Die in diesem Zusammenhang wichtigste Entscheidung Viktor Orbáns war die Grenzschließung 2015 zum Schutz Ungarns und der Europäischen Union vor der durch Frau Merkel fahrlässig initiierten Völkerwanderung. Sie hob die Dublin-III-Regeln auf und sofort füllten sich die Autobahnen Richtung Deutschland mit Millionen nicht kontrollierten Zuwanderern. Für die Briten war das das Signal, die EU endgültig zu verlassen. Hätte Ungarn, und hier sei ausdrücklich Viktor Orbán Dank, nicht die Grenzen geschlossen, die Europäische Union wäre heute Geschichte. Kein Staat der Welt hält den millionenfachen plötzlichen Zufluss völlig kulturfremder Menschen aus. Angela Merkels Politik führte in Deutschland zu großer Unsicherheit und zum Aufstieg der »Alternative für Deutschland« (AfD). Viktor Orbáns Politik gab Merkel und Co. Verschnaufpausen und minderte letztendlich den Aufschwung der AfD. Das war nicht Ziel von Orbáns Politik, aber eine Folge seiner stabilisierenden Maßnahmen. Angela Merkel sollte Viktor Orbán zur Auszeichnung mit einem europäischen Orden vorschlagen! Papst Kalixt III., gäbe es ihn noch, würde es sicher in einer Bulle vorschlagen. Stattdessen tun ihre Verbündeten alles, um Ungarn aus der EU zu ekeln. Damit nach den Briten niemand mehr die Kreise der Brüsseler Verwaltung stört. Allerdings besteht die Gefahr, dass nach den Ungarn die Balten „dran“ sein könnten, und sogar die Dänen laufen Gefahr wegen ihrer restriktiven Zuwanderungspolitik nicht mehr geliebt zu werden.
Über all diese Zusammenhänge sprachen wir 2017 in Balatonfüred mit unseren Freunden. Dabei ging es auch kursorisch in die Geschichte der ungarischen Befreiungskämpfe gegen das Osmanische Reich. Die Stichworte waren Eger (»Sterne von Eger«), Knabenlese, Ausrottung vieler Ungarn, nie wieder muslimische Herrschaft in Ungarn und vieles mehr. Dann kamen »Nándorfehérvár 1456« und »Mittagsläuten«. Auch wir, meine Frau und ich, wussten nicht, weshalb seit dem 6. Juli 1456 in Europa mittags die Glocken geläutet werden.
Das sogenannte »Türkenläuten« ordnete Papst Kalixt III. (1378-1458) während der Schlacht von Belgrad (Nándorfehérvár) am 6. Juli 1456 in einer Bulle für die Christenheit an. Für den Sieg der Ungarn und damit für die Freiheit des Abendlandes vor muselmanischer Herrschaft sollten fortan und für immer mittags die Kirchenglocken in den christlichen Ländern läuten.
Die Ungarn unter Johann Hunyadi (1387 oder 1407-1456) siegten am 22. Juli 1456 und sicherten ihre Unabhängigkeit für weitere siebzig Jahre. Die damalige Christenheit war dankbar. Die heutige Christenheit hat das vergessen und wüsste sie es noch, wäre es ihr völlig egal.
Unterwürfige Geste der deutschen Kirchenfürsten
Erinnern wir uns: Am 7. November 2016 unterwarfen sich der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, und der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Heinrich Bedford-Strohm, in einer einzigartig unterwürfigen Geste dem Herrschaftsanspruch des Islam. Beide verzichteten auf das Tragen ihres christlichen Kreuzes um ihren Hals im Beisein der muslimischen Autoritäten. Im umgekehrten Fall hätten sie eine gleiche Geste seitens einer muslimischen Autorität nicht am Ansatz verlangt. Die beiden Feiglinge verrieten in dem Moment ihre Herkunft und sie verrieten auch Papst Kalixt III., Johann Hunyadi und die Ungarn von 1456. Liebe Ungarn, seien Sie gewiss, auch auf Brüssel können Sie sich 2021 nur verlassen, wenn Sie stark, selbstbewusst und dabei fair bleiben.
Die Europäische Union ist eine sehr wertvolle Idee. Eine Chance hat sie nur im gegenseitigen Respekt und in Achtung vor den Erfahrungen der Völker der Mitgliedsstaaten. Das gilt nicht nur für das »Mittagsläuten«, sondern auch für den 23. August 1939. An diesem Tag begann der Zweite Weltkrieg für Mittelosteuropa. Hitler und Stalin teilten sich den Kuchen, schlugen und raubten los. Wie die Osmanen fünf Jahrhunderte zuvor.
Gastbeiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.
Gunter Weißgerber war Montagsdemonstrant in Leipzig, Mit-Gründer der Ost-SPD und saß dann 19 Jahre für die SPD als Abgeordneter im Deutschen Bundestag. 2019 trat er aus der Partei aus. Der gelernte Bergbauingenieur ist heute Publizist und Herausgeber von GlobKult. Im Internet zu finden ist er unter www.weissgerber-freiheit.de. Dieser Beitrag ist zunächst auf www.weissgerber-freiheit.de erschienen.
Bild: berni0004/ShutterstockText: Gast
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