Sachsen-Anhalt: kleines Land – große Wirkung? Hat der CDU-Sieg der Bundespolitik einen Dämpfer versetzt?

Ein Gastbeitrag von Gunter Weißgerber, den er für die ungarische Zeitung Magyar Nemzet schrieb. Weißgerber ist Redner der Leipziger Montagsdemonstrationen 1989/90, Mitbegründer der Ost-SPD, Mitglied der freigewählten Volkskammer 1990, Mitglied des Deutschen Bundestages 1990–2009

Am 6. Juni 2021 wählten die Sachsen-Anhaltiner inmitten Deutschlands ein neues Parlament. Mit knapp über zwei Millionen Einwohnern ist das Bundesland das fünftkleinste im föderalen System der Bundesrepublik mit zusammen rund dreiundachtzig Millionen Einwohnern. Nach Bruttoinlandsprodukt (BIP) mit 1,9 Prozent steht das Land auf Platz 12 bei einem deutschen BIP, nach dem BIP pro Kopf nimmt es mit rund 29.000 EUR den letzten Platz ein. Zum Vergleich: auf Platz Eins liegt Hamburg mit rund 67.000 EUR.

Wahlsieger wurde eindeutig die CDU unter ihrem Spitzenkandidaten und Ministerpräsidenten Reiner Haseloff mit 37,1 Prozent (die Zahlen gelten noch als vorläufig, da das amtliche Wahlergebnis wahrscheinlich erst ab der dritten Juniwoche vorliegen wird). An zweiter Stelle lief die AfD mit 20,8 Prozent über die Ziellinie. Weit abgeschlagen folgen Die Linke mit 11 Prozent, SPD mit 8,4 Prozent, FDP mit 6,4 Prozent und die Grünen mit 5,9 Prozent. Die restlichen 10,3 Prozent verteilen sich auf etliche weitere Kleinparteien unterhalb der 5-Prozent-Hürde.

Der CDU-Sieg in Sachsen-Anhalt, und genau darauf kommt es an, beruht zwar auf einem im Lande akzeptierten, bodenständigen Mann aus der Merkel-Partei, doch das war es dann schon an Gemeinsamkeiten mit der Kanzlerin. Reiner Haseloff suchte zwar den Konflikt zur Linie der Bundeskanzlerin nie direkt, aber er nahm seine Positionen immer nachvollziehbar ein. Mit Haseloff hätte es ab 2015 keine ungesteuerte Völkereinwanderung, keine für die deutsche Wirtschaft höchst gefährliche Energiewende, keine genderfördernde und damit familienzerstörende Gesellschaftspolitik und keine Multikulti-Umerziehungspropaganda der öffentlich-rechtlichen Medien ARD und ZDF gegeben. Letzteres haben die Sachsen-Anhaltiner und mit ihnen sehr viele Deutsche im Januar dieses Jahres wirksam miterlebt. Der einzige Ministerpräsident war Reiner Haseloff, der der automatischen Gebührenerhöhung ein Stopp-Zeichen setzte.

Für die Ungarn vielleicht von Interesse: Die öffentlich-rechtlichen Medienanstalten Deutschlands bekommen derzeit 8 Milliarden in ihre Töpfe gespült – das ist eine 8 mit 9 Nullen vor dem Komma, über Zwangsgebühren aller Haushalte finanziert. Davon lässt sich besser als zu Kommunismus-Zeiten Propaganda betreiben. Viel Geld macht korrupt. Das gilt auch für Medien.

Zuletzt fiel Haseloff mit seiner Kritik an der sogenannten „Bundesnotbremse“ innerhalb des Anti-Corona-Regimes auf. Er sah nicht ein, dass die Menschen in der dünnbesiedelten Fläche seines Landes unter gleichen Restriktionen wie die im Gewühl der Großstädte leben sollten. Also, die Sachsen-Anhaltiner wissen ihren Ministerpräsidenten zu schätzen. Das Wahlergebnis zeigt es.

Der Sieg Reiner Haseloffs geht somit aus Sicht vieler Deutscher in Ordnung. Die alte CDU oder ihren Schatten scheint es noch zu geben. Die Frage wird sein: wie wirkt sich das Wahlergebnis eines kleinen Bundeslandes auf die Stimmung im Bundestagswahlkampf und die kommende Bundespolitik aus?

Vor der Wahl waren sich die Beobachter nicht sicher, wie stark die AfD sein würde. Gefürchtete Mutmaßungen, die AfD würde Richtung dreißig Prozent oder gar darüber gehen, erfüllten sich nicht. Die AfD scheint ihre Stammwählerschaft oberhalb 20 Prozent zu haben, mehr war angesichts des CDU-Mannes Haseloff nicht drin. Als Protestpartei wird sie aus den Parlamenten nicht so schnell wegzudenken sein. Jedenfalls gilt das solange, wie die Bundespolitik ihren Standortabbau und ihre Umerziehung der Bevölkerung weiterführt.

Das Wahlergebnis von Sachsen-Anhalt könnte dieser Bundespolitik einen Dämpfer versetzt haben. Sicher werden die Grünen die Landesregierung verlassen und ihren Platz möglicherweise für die FDP freimachen müssen. Damit würden die grünen Bäume nicht nur in Sachsen-Anhalt nicht mehr in den Himmel wachsen, sondern über die dadurch geänderten Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat am weiteren grünideologischen Wildwuchs gehindert werden. Mehr wissen wir diesbezüglich erst am 26. September 2021 ab 18 Uhr und dem Schließen der Bundestagswahllokale.

Erwartungsgemäß wurden Linke, SPD und Grüne vom Wähler weitgehend verschmäht. Wer Politik gegen die eigene Bevölkerung zelebriert, wird im eigenen Land nicht gewählt. Das gehört eigentlich zum kleinen Einmaleins von Politik, die Ideologen dieser Parteien haben dieses Wissen vergessen. Politische Demenz.

Die Wirtschaft Sachsen-Anhalts war zu DDR-Zeiten von Braunkohle, Kupferschieferbergbau, Chemie, Maschinenbau, Landwirtschaft und damit einhergehend von desaströsen Umweltbelastungen geprägt. Umweltbelastungen, wie sie heute vielfach noch in Asien, Afrika und Südamerika die Lebensbedingungen der Menschen im Griff haben. Im Sachsen-Anhalt des Jahres 2021 haben sich Wirtschaft und Umwelt längst aus den Ruinen der sozialistischen Kommandowirtschaft nicht nur erholt, sondern sind mitsamt dem gesamten Standort Deutschland im weltweiten Vergleich gut aufgestellt. Chemie-, Mineralöl- und Pharmaindustrie, Raffinerie Mitteldeutschland, Automobilzulieferindustrie, Maschinenbau, Metallindustrie, eine weite Forschungslandschaft uvm. sind hier mit Stolz zu nennen. Und woran zu DDR-Zeiten überhaupt nicht denken war, sind die Tourismusmöglichkeiten im früheren Braunkohlegebiet mit vielen wunderschönen Seen. Sachsen-Anhalt ist immer eine Reise wert – sei es aus wirtschaftlichen oder aus touristischen Gründen. Das soll auch so bleiben, und deshalb war diese Landtagswahl im Vorfeld der Bundestagswahl so wichtig.

Nach dem systembedingten Kollaps der ostdeutschen Wirtschaft vor über dreißig Jahren und den folgenden sehr unsicheren Zeiten bis zum heutigen Stand ist eine erhöhte Sensibilität der ansässigen Bevölkerung hinsichtlich neuer und im Ausmaß nicht absehbarer Veränderungen zu konstatieren. Waren der Zusammenbruch der DDR-Wirtschaft und die folgenden zwingenden Aufbauanstrengungen für die Menschen noch logisch nachvollziehbar, so haben es die Zeitgenossen nun mit einer absurden Problemlage zu tun. Die Bundesrepublik Deutschland besitzt im Rahmen ihrer sozialen Marktwirtschaft alle Möglichkeiten, Wirtschaft ohne dramatischen Abbau zu modernisieren und Forschung weltweit führend mitzugestalten. Und was erleben die schon einmal schwer gebeutelten Menschen? Dieser moderne Staat würgt sich in Hybris badend zum vermeintlichen Wohl des Weltklimas selbst ab. Der grüne Zeitgeist ist drauf und dran, die Automobilindustrie zu zerstören, die Wirtschaft zu lähmen, die Chemieindustrie ins Ausland zu vertreiben, Wissenschaft und Forschung zu Dienern der Politik zu machen. Gefördert wird nur, was die Thesen der Politik bestätigt. Das notwendige Zusammenspiel von These und Antithese ist in Deutschland der grünen Mottenkiste geopfert worden. Deutschland ist aus eigenem Antrieb wirtschaftlich und wissenschaftlich auf dem Rückzug. Die Ungarn sollten die Chance nutzen und die Lücken besetzen.

Wer in Deutschland hart nachrechnet, Thesen hinterfragt, gilt als rechts und wird sehr schnell als Leugner oder Nazi geschmäht. Zwar dämmert inzwischen auch manchen Grünen, dass die angestrebte Energiewende mit dem vollständigen Ersatz von Energie aus Kohle, Öl, Gas, Kernkraft durch Solar- und Windenergie die Notwendigkeit der Grundlastsicherung nicht ansatzweise lösen kann, doch ist der Gedanke an eine Revitalisierung der Atomkraft noch immer tabu. Dieses Tabu hatte übrigens auch dazu geführt, dass es die deutsche Kernforschung und damit den deutschen Wissensvorsprung auf diesem Gebiet nicht mehr gibt. Wo vorher weltweit deutsche Firmen Kernkraftwerke bauten, tun dies heute Russen, Chinesen, Franzosen. So wird der eigene Absturz organisiert. Den Ungarn ist auch an dieser Stelle eindringlich zu raten, sich die deutschen, ideologisch bedingten Fehler gut anzuschauen, um sich diese zu ersparen.

Das Fazit der Sachsen-Anhalt-Wahl ist schnell umrissen:

1. Wer Politik für die Bevölkerung macht, kann Wahlen gewinnen.
2. Die grünlinke Ideologie ist nicht mehrheitsfähig. Zusammen kommen Grüne, SPD, Linke nur noch auf rund 25 Prozent mit weiterem Abwärtstrend. Das ist sehr deutlich.
3. Der CSU-Mann Markus Söder ist, was die Kanzlerkandidatur der Union angeht, endgültig aus dem Rennen. Nur eine CDU-Niederlage hätte ihm das Podium gegeben, diese Frage noch einmal aufzumachen.
4. Der Sieg Reiner Haseloffs ist eine Niederlage der Bundeskanzlerin Merkel und bedeutet das Scheitern der desaströsen Merkel’schen Politik, einer Moral, über den Regeln stehend. Süffisant zu bemerken ist, Haseloff verzichtete wohlweislich auf Wahlkampfhilfe der Bundeskanzlerin. Ihm ging es um Sieg, nicht um Niederlage.

Was bedeutet das für die Ungarn? Bis zur Bundestagswahl ist das nicht seriös zu beantworten. Das deutsch-ungarische Verhältnis wird bis zum 26. September von allen Parteien missdeutet und missbraucht werden. Sollte es eine von Armin Laschet geführte Bundesregierung geben, würde auf jeden Fall mehr Verlässlichkeit einziehen. Verlässlichkeit ist immer ein Wert an sich.

Diejenigen, die selbst wenig haben, bitte ich ausdrücklich darum, das Wenige zu behalten. Umso mehr freut mich Unterstützung von allen, denen sie nicht weh tut!

Gastbeiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.

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Gunter Weißgerber war Montagsdemonstrant in Leipzig, Mit-Gründer der Ost-SPD und saß dann 19 Jahre für die SPD als Abgeordneter im Deutschen Bundestag. 2019 trat er aus der Partei aus. Der gelernte Bergbauingenieur ist heute Publizist und Herausgeber von GlobKult. Im Internet zu finden ist er unter www.weissgerber-freiheit.de. Dieser Beitrag ist zunächst in der ungarischen Tageszeitung „Magyar Nemzet“ auf magyarnemzet.hu erschienen.

Bild: phoelixDE/Shutterstock
Text: Gast
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