Man neigt ja dazu, sich die Vergangenheit schönzudenken. Und vergesslicher wird man auch mit der Zeit. Deshalb hier heute die Frage an Sie: Irre ich mich, dass es in der alten Bundespolitik eher unüblich war, dass sich Firmen in ihrer Werbung über Kritiker der Regierung lustig machten oder diese gar verhöhnten? Dass etwa Knorr in der Suppenwerbung Atomkraft-Gegner verlachte? Oder BMW in seinem neuen Cabrio-Trailer die Friedensbewegung aufs Korn nahm? Zumindest kann ich mich nicht erinnern. Und bis vor einiger Zeit habe ich es für ein Merkmal autoritärer Regimes gehalten, wenn Firmen oder Kombinate sich wie politische Aktivisten geben in ihrer Reklame und Gegner der Regierungspolitik verhöhnen. Denn marktwirtschaftlich macht das ja wenig Sinn – man verprellt damit Kunden. Und dass man sich damit bei der Regierung beliebt macht, bringt in lupenreinen Demokratien keinen nennenswerten Mehrwert.
Insofern sagt es einiges über die politischen Zustände in Deutschland 2021 aus, was für eine Reklame jetzt die Brauerei Oettinger macht, die gar nicht allzu weit entfernt von meiner Geburtsstadt Augsburg in der schwäbischen Kleinstadt Oettingen in Bayern sitzt. Also im Lande von Corona-Macho Söder. Die Brauerei ist zwar dafür bekannt, das niedrige Preissegment zu bedienen. Aber zumindest bisher nicht für billige Sprüche:
Die Reklame löste einen Shitstorm auf Facebook aus. Insgesamt wurde sie auf der Seite der Brauerei dort mehr als 3.500 mal kommentiert. Hier ein paar Auszüge:
…geht’s eigentlich noch blöder und billiger? Werbung auf Kosten der Mitte der Gesellschaft zu machen? Offensichtlich auch noch im Tiefschlaf, die Firma Oettinger! Viel Spaß beim Aufwachen – könnte ungemütlich für das Unternehmen werden! Damit hat sich der Genuss von Oettinger Bier für mich künftig erledigt und ich hoffe, dass mir viele Konsumenten folgen …
Diejenigen, die selbst wenig haben, bitte ich ausdrücklich darum, das Wenige zu behalten. Umso mehr freut mich Unterstützung von allen, denen sie nicht weh tut!
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Bild: Simon Mannweiler/Wikimedia Commons/CC BY-SA 4.0 / Screenshot Facebook
Text: red