Bürgermeister tritt wegen Zoff um Flüchtlingsheim zurück Debatte spaltet Markt in Bayern

Von Kai Rebmann

Diese Nachricht traf die meisten der rund 14.000 Einwohner von Markt Schwaben (Landkreis Ebersberg) völlig unvorbereitet. Bürgermeister Michael Stolze (parteilos) hat zum 31. Mai 2024 seinen Rücktritt angekündigt. Der Rathauschef habe die Nase voll von den anhaltenden Debatten um eine geplante Flüchtlingsunterkunft. Das Dorf sei gespalten und von tiefen Gräben durchzogen, wie lokale Medien berichten. Stolze selbst bemängelt in erster Linie, dass „Respekt und Anstand verlorengegangen“ seien.

Doch tatsächlich dürfte die Diskussion um die Flüchtlinge letztlich nur der berühmte Tropfen gewesen sein, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat. So hat es Markt Schwaben in Oberbayern in den vergangenen Wochen und Monaten auch mit einem immer wieder verzögerten Fertigstellen des neuen Schulgebäudes oder einer allgemein angespannten Finanzlage in die überregionale Berichterstattung geschafft.

Das sind freilich nur zwei von unzähligen Beispielen, die zeigen, wie sehr die Kommunen durch die Migrationspolitik auf übergeordneten politischen Ebenen unter Druck stehen. Wo man sich andernorts nur noch durch die Kündigung ganzer Flüchtlingsunterkünfte oder durch den geschlossenen Rücktritt des Gemeinderats zu helfen wusste, warf in Markt Schwaben jetzt der Bürgermeister das Handtuch.

Bürgermeister aus der freien Wirtschaft

Walentina Dahms (CSU), 2. Bürgermeisterin der Marktgemeinde, bedauert den Entschluss ihres Vorgesetzten im Interview mit dem „Merkur“. Sie beschreibt Stolze als „herausragende Persönlichkeit mit visionärem Blick“ und „angesehenen Leiter der Gemeindeverwaltung“. Was viele der Menschen vor Ort aber besonders zu schätzen wussten, ist, dass ihr baldiger Ex-Bürgermeister aus der freien Wirtschaft kam, als er vor knapp drei Jahren ins Rathaus einzog.

Nicht zuletzt aufgrund der dort erworbenen Fähigkeiten, die vielen Politikern heute abgehen – etwa Bezug zur Realität oder Bürgernähe – hatte Stolze bis zuletzt gehofft, die Konflikte in seiner Gemeinde lösen zu können. Doch er hatte sich getäuscht, die Widerstände waren am Ende zu groß geworden. Gegenüber dem „BR“ zeigte sich der scheidende Bürgermeister mit Blick auf das geplante Flüchtlingsheim deshalb reichlich ernüchtert:

„Mittlerweile spricht man davon, dass in Markt Schwaben Gräben aufgemacht sind, dass es die Spaltung vorangetrieben hat. Das sind alles Dinge, die hab ich so nie beabsichtigt. Ich wollte nur dafür sorgen, dass man mit dieser Pflichtaufgabe vernünftig umgeht und die Menschen richtig und würdig nicht nur unterbringt, sondern auch betreut. Letztlich ist es mir nicht gelungen, die Menschen davon zu überzeugen, dass das funktionieren kann. Es ist mir nicht gelungen, zu vermitteln.“

Gekippte Stimmung und kurze Zündschnur

Wie sehr die Nerven der Bürger in Markt Schwaben zuletzt blank lagen, zeigt diese Anekdote aus dem Alltag eines Bürgermeisters. Anfang Dezember sei in Markt Schwaben viel Schnee gefallen, so dass nicht schon bis zum nächsten Morgen alle Straßen von der weißen Pracht befreit werden konnten. Die Folge: Bürgermeister und Mitarbeiter des Bauhofs hätten sich wüsten Beschimpfungen ausgesetzt gesehen.

Die Stimmung im oberbayrischen Markt scheint also schon vor einer ganzen Weile gekippt zu sein, so dass vermeintliche Belanglosigkeiten ausreichen, um die Volksseele zum Kochen zu bringen. Eine Bürgerin bringt das auf den Punkt, was viele Menschen in diesem Land – nicht nur in Markt Schwaben und auch nicht nur in Bayern – umtreibt, gemeinhin aber als angeblich haltlose Behauptung aus rechten Kreisen abgetan wird: „Die ganzen Flüchtlinge, die aufgenommen werden, das ist zu viel. Wenn nur noch Männer kommen, ist es für die Frauen und Mädels nicht optimal.“

Jetzt hat Michael Stolze also die Reißleine gezogen, auch mit Rücksicht auf seine Familie und Gesundheit, wie zwischen den Zeilen herauszuhören ist. Uwe Brandl weiß als Präsident des Bayerischen Gemeindetags, dass die Entwicklungen der vergangenen Jahre viele Kommunalpolitiker „an den Rand der Belastbarkeit“ gebracht haben. Insbesondere Bürgermeister fühlten sich immer öfter im Stich gelassen.

Bange vor der Zukunft wird es Michael Stolze nicht sein. Der Mann verfügt über eine Ausbildung und Erfahrung in der freien Wirtschaft, so dass er nicht auf den Job im Rathaus von Markt Schwaben angewiesen ist. Das unterscheidet ihn ganz wesentlich von den meisten Berufspolitikern unserer heutigen Zeit, die nicht selten aus purer Existenzangst an ihren Ämtern kleben (müssen).

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