Ostelsheim wählt syrischen Flüchtling zum Bürgermeister Novum in Deutschland

Von Kai Rebmann

Ostelsheim ist eine südwestlich von Stuttgart gelegene Gemeinde im Landkreis Calw. Bis vor wenigen Wochen konnten mit dem Namen des 2.500-Seelen-Dorfs im Nordschwarzwald selbst in Baden-Württemberg nur die wenigsten etwas anfangen. Seit dem späten Sonntagabend gibt es dennoch kaum ein Medium, das nicht breit über Ostelsheim und die dort stattgefundene Bürgermeisterwahl berichtet hätte. Und das hat einen einfachen Grund: Mit Ryyan Alshebl wurde zum mutmaßlich ersten Mal in Deutschland ein syrischer Flüchtling zum Bürgermeister gewählt.

Der parteipolitisch offiziell „unabhängige“ Kandidat – mehr dazu weiter unten – setzte sich bereits im ersten Wahlgang mit 55,4 Prozent der Stimmen relativ deutlich gegen seine Mitbewerber Marco Strauß (43,5 Prozent) und Mathias Fey (1,5 Prozent) durch. Die Wahlbeteiligung lag bei 68,4 Prozent und damit ebenfalls vergleichsweise hoch. Beides, sowohl das Ergebnis als auch die hohe Wahlbeteiligung, ist freilich alles andere als Zufall.

Beispiel für gelungene Integration

Wie so vieles im Leben, so hat auch die Wahl von Ryyan Alshebl zum Bürgermeister von Ostelsheim zwei Seiten. Zunächst darf die Geschichte des gebürtigen Syrers, der inzwischen die deutsche Staatsbürgerschaft innehat, mit einigem Recht als Beispiel für eine gelungene Integration bezeichnet werden. Es zeigt, dass am Ende doch jeder seines eigenen Glückes Schmied ist und es eben kein gottgegebenes Schicksal ist, als in Deutschland im doppelten Wortsinn „angekommener“ Flüchtling bis ans Ende seiner Tage von staatlichen Transferleistungen zu leben.

Hier die neue Fun-Kollektion!

Alshebl ist eigenen Angaben zufolge im Jahr 2015 aufgrund der drohenden Einberufung zum Militärdienst vor dem Bürgerkrieg in seiner syrischen Heimat geflohen. Über das Mittelmeer und mehrere Umwege landete er zunächst in Calw und schließlich in Althengstett, einer Nachbargemeinde von Ostelsheim. Dort absolvierte er eine Ausbildung zum Verwaltungsfachangestellten und ist seither im dortigen Rathaus beschäftigt. Inzwischen spricht der frischgebackene Bürgermeister nicht nur fließend Deutsch, sondern hat sich sogar einen leicht schwäbisch klingenden Dialekt angeeignet. Deutschland bezeichnet das Mitglied der Grünen als seine „neue Heimat“, was man ihm sogar abnimmt.

Boris Palmer unterstützt Wahlkampf des Parteifreundes

Und genau damit beginnt der Blick auf die andere Seite der Medaille. Im Wahlkampf betonte Alshebl immer wieder, dass er sich als „unabhängiger Kandidat“ um den Posten als Rathauschef bewerbe. „Ich möchte mich auf regionale Belange konzentrieren können und hier frei von parteipolitischen Rahmenbedingungen arbeiten können“, beteuert der Wahlsieger auf seiner Homepage. Kritik entzündete sich vor diesem Hintergrund insbesondere an einem gemeinsamen Werbevideo mit Tübingens OB Boris Palmer, der ebenfalls Mitglied der Grünen ist, das in der Woche vor der Wahl auf Youtube zu sehen war.

Es kann wohl zumindest als ungewöhnlich bezeichnet werden, dass sich ein so prominenter Politiker mittelbar in den Bürgermeisterwahlkampf einer Gemeinde mit nur 2.500 Einwohnern einschaltet und dafür eine ganze Stunde seiner sicher knapp bemessenen Zeit aufwendet. Im Rahmen einer Bürgerfragestunde rechtfertigte Ashebl diese parteiinterne Unterstützung damit, dass dabei „kommunenübergreifende Themen“ diskutiert worden seien, schließlich habe Tübingen etwa bei der Kinderbetreuung „ähnliche Probleme“ wie Ostelsheim.

Nun ja, Tübingen hat mehr als 90.000 Einwohner, ist Sitz des gleichnamigen Regierungsbezirks sowie Landkreises und hat mit Ostelsheim wohl nur gemeinsam, dass beide Kommunen in Baden-Württemberg liegen. Alshebl war und ist parteipolitisch also keineswegs so „unabhängig“, wie er das vielleicht sogar selbst gerne glauben will. Daran ist grundsätzlich auch nichts auszusetzen, man sollte dann aber nicht mit einer solchen Aussage hausieren gehen.

Medial statuiertes Exempel

Und auch die Berichterstattung – richtiger muss man wohl eher von „Unterstützung“ sprechen – der Medien geht ganz sicher über das übliche Maß einer Bürgermeisterwahl in der württembergischen Provinz hinaus. Dass der „Schwarzwälder Bote“ im Vorfeld regelmäßig über das lokalpolitische Ereignis und die Biografie der Bewerber berichtet, mag sich noch nachvollziehen lassen. Aber auch der landesweit und darüber hinaus ausgestrahlte SWR zeigte ein ungewöhnlich großes Interesse am Ringen um den Chefsessel im Ostelsheimer Rathaus.

Das ist umso erstaunlicher, als dass vom Kandidaten selbst wie auch von den Medien und Mitbürgern immer wieder betont wurde, dass die Herkunft des Syrers „natürlich keine Rolle“ spiele. Die regelmäßige und vor allem überregionale Berichterstattung spricht da freilich eine etwas andere Sprache. Wer die Probe aufs Exempel machen möchte, braucht nur die entsprechenden Begriffe in eine Suchmaschine einzugeben und wird auf Dutzende Artikel stoßen, die sowohl aus der Zeit nach der Wahl als auch vor der Wahl vom hohen medialen Interesse zeugen.

All das soll den sicherlich nicht vom Himmel gefallenen Erfolg von Ryyan Alshebl nicht schmälern. Aber die Beleuchtung dieser Hintergründe muss ebenso Teil einer sachlichen Einordnung sein wie der persönliche Beitrag des Wahlsiegers zur eigenen Integration in die deutsche Mehrheitsgesellschaft. Würden diesem Beispiel, das man leider wohl als redliche Ausnahme bezeichnen muss, auch nur die meisten Flüchtlinge folgen – in Deutschland gäbe es über dieses Thema mit Sicherheit eine ganz andere, ungleich offenere Diskussion.

Und zur Wahrheit gehört eben auch: Nur weil Ostelsheim (1.990 Wahlberechtigte) ab Juni einen syrischstämmigen Bürgermeister hat, wird damit kein einziges der nach wie vor drängenden Probleme im Zusammenhang mit der Unterbringung und Integration von mehreren Millionen Flüchtlingen gelöst.

Nach dem, was ich erlebt habe, und meiner Operation, muss ich meine Arbeit deutlich ruhiger angehen und mich schonen. Dazu haben mich die Ärzte eindringlich aufgefordert. Und ich glaube, das bin ich meinen Nächsten, meinem Team und auch Ihnen schuldig. Wir wollen ja noch eine Weile etwas voneinander haben! Und nach drei Jahren mit Vollgas und an vorderster Front hat der Motor etwas Schonung verdient. Umso mehr bin ich Ihnen dankbar für Ihre Unterstützung! Sie ist auch moralisch sehr, sehr wichtig für mich – sie zeigt mir, ich bin nicht allein und gibt mir die Kraft, weiterzumachen! Und sie gibt mir die Sicherheit, mich auch ein wenig zurücklehnen zu können zur Genesung. Auf dass wir noch ein langes Miteinander vor uns haben! Ganz, ganz herzlichen Dank!

Aktuell sind (wieder) Zuwendungen via Kreditkarte, Apple Pay etc. möglich – trotz der Paypal-Sperre: über diesen Link. Alternativ via Banküberweisung, IBAN: DE30 6805 1207 0000 3701 71. Diejenigen, die selbst wenig haben, bitte ich ausdrücklich darum, das Wenige zu behalten. Umso mehr freut mich Unterstützung von allen, denen sie nicht weh tut.

Mein aktuelles Video:

Was hinter Cancel- und Empörungskultur steckt: Psychiater Bonelli erklärt den moralischen Narzissmus

YouTube player

Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.

Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.

Bild: Screenshot Video Boris Palmer und Ryyan Alshebl

Mehr von Kai Rebmann auf reitschuster.de

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert