Von Kai Rebmann
Selbst die Festnahme der RAF-Terroristin Daniela Klette wurde von Politik und Medien dazu genutzt, stets vor den Gefahren des „Links- wie auch des Rechtsextremismus“ zu warnen. Verwundern kann das nicht wirklich, denn schließlich befindet sich Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) mit ihrem „Maßnahmenpaket gegen Rechtsextremismus“ auf der Zielgeraden. In diesem Papier scheint der Fokus auf nur eine Richtung plötzlich wieder ausdrücklich gewünscht, was aber längst nicht die einzige Auffälligkeit ist.
Zu den noch strittigen Punkten zählen die Fragen, wie das Bundesverfassungsgericht besser vor der „Einflussnahme demokratiefeindlicher Kräfte“ zu schützen sei und welche „zentralen Regelungen zu Organisation und Verfahren des Bundesverfassungsgerichts“ ins Grundgesetz aufgenommen werden sollten. Wer hier als „Demokratiefeinde“ diffamiert werden soll, ist offensichtlich.
Der Hintergrund ist ebenso klar: Was einmal im Grundgesetz verankert ist, kann nur durch eine Zweidrittelmehrheit wieder geändert werden. Daraus erwächst für die Bundesregierung aber gleichzeitig das Problem, dass sie für diesen Passus die Union braucht – und die will nicht so recht mitspielen, jedenfalls noch nicht.
Friedrich Merz (CDU) zeigt sich dem Ansinnen der Bundesregierung zwar nicht abgeneigt, wartet eigenen Angaben aber noch auf „einen brauchbaren Entwurf der Ampelkoalition“ dazu. Diesen habe er bisher noch nicht gesehen, so der formale Oppositionsführer im Bundestag.
Steinmeier pfeift auf Neutralitätspflicht – mal wieder
Also hat sich jetzt Frank-Walter Steinmeier (SPD) eingeschaltet, um entgegen seiner Arbeitsplatzbeschreibung, die ihn zur Neutralität verpflichtet, seiner Parteigenossin zur Seite zu springen. Das „Handelsblatt“ berichtet darüber unter einer Überschrift, die für sich genommen schon ein ernsthafter Kandidat für einen Satire-Preis wäre: „Steinmeier will Verfassungsgericht vor Demokratiefeinden schützen“.
Doch damit noch nicht genug! Gleich im ersten Satz des Fließtextes heißt es: „Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat sich dafür ausgesprochen, das Bundesverfassungsgericht vor möglichen Angriffen auf seine Unabhängigkeit zu schützen.“ Nur wirklich böse Zungen würden an dieser Stelle argwöhnen, dass Karlsruhe spätestens seit der Inthronisierung des Merkel-Spezies Stephan Harbarth in etwa so unabhängig sei, wie ein neugeborener Säugling.
Das Vorhaben der Innenministerin kommentierte der kräftig im politischen Tagesgeschäft mitmischende Bundespräsident so: „Deshalb halte ich den Gedanken für richtig, Regelungen für die Struktur des Gerichts, das Wahlverfahren und die Amtszeiten der Richter ins Grundgesetz aufzunehmen. Regelungen, die dann auch nur mit einer Zweidrittelmehrheit geändert werden könnten.“
Ideologie statt Inhalte
An der vermeintlich dringenden Notwendigkeit des Schutzes des Bundesverfassungsgerichts vor angeblichen Demokratiefeinden im blauen Gewand lassen auch die Grünen keinen Zweifel. Deren Fraktionsvize Konstantin von Notz: „Unser Rechtsstaat, unsere Demokratie sowie ihre Institutionen werden derzeit massiv bedroht.“ Mehr noch, alle demokratischen Institutionen seien derzeit „sehr ernsten Bedrohungslagen“ ausgesetzt, befürchtet der Grünen-Politiker.
Im verbalen Überbietungswettbewerb beim Diffamieren der Opposition legt dann auch Nancy Faeser nochmal nach: „Unser Rechtsstaat darf nicht von innen heraus sabotiert werden können. Wenn autoritäre Kräfte die Demokratie angreifen, ist die Justiz oft ihr erstes Ziel.“ Wie groß muss die Angst vor der AfD bloß sein?
Eine mögliche Antwort auf diese Frage liefert Wolfgang Kubicki (FDP), der mit seiner Partei in einem Zweckbündnis auf der Regierungsbank gefangen scheint und sich verwundert die Augen reibt: Mit dieser Hysterie werde der Eindruck erweckt, „eine absolute Mehrheit der AfD stünde unmittelbar bevor“.
Zudem gebe es – wenn das jemand wirklich will – sehr viel einfachere Möglichkeiten, das Bundesverfassungsgericht „faktisch außer Gefecht zu setzen“, etwa über die Streichung entsprechender Mittel im Bundeshaushalt, belehrt der gelernte Jurist seine Koalitionspartner.
Einen letzten unübersehbaren Seitenhieb in Richtung der Ampel kann sich Kubicki aber auch bei dieser Debatte wieder nicht verkneifen: „Vielleicht wäre es sinnvoller, wir kämpfen dafür, dass Wählerinnen und Wähler sich anders entscheiden, als ständig mit solchen Maßnahmen ängstlich die eigene Machtlosigkeit in den Raum zu stellen.“
Rot-grüne Schnellschüsse wegen Landtagswahlen?
Das sitzt – und dürfte gerade bei SPD und Grünen für heftige Schnappatmung sorgen. Wo kämen wir da hin, wenn man sich mit dem politischen Mitbewerber wieder inhaltlich auseinandersetzen müsste?
Denn absolute Mehrheiten für die AfD sind zwar im Bundestag nicht absehbar, erscheinen bei einigen Landtagswahlen aber keineswegs ganz ausgeschlossen mehr. Sven Rebehn vom Richterbund will die Justiz ebenfalls zu einem „Bollwerk der Demokratie“ machen und fordert eine schnelle Umsetzung der Faeser-Pläne – auch und gerade mit Blick in Richtung Osten: „Die Regierungschefs der ostdeutschen Bundesländer müssen sich dringend um eine bessere gesetzliche Absicherung der unabhängigen Justiz gegen mögliche Durchgriffe von Demokratiefeinden kümmern.“
Ein Satz, der politisch korrekter kaum hätte formuliert werden können; „unabhängige Justiz“ war dabei und – noch viel wichtiger – die Warnung vor den offenbar allgegenwärtigen „Demokratiefeinden“.
Es muss jetzt also alles ganz schnell gehen mit dem „Maßnahmenpaket gegen Rechtsextremismus“, sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene. Schließlich stehen im Osten schon in wenigen Monaten drei Landtagswahlen an und die selbsternannten Hüter der Demokratie fürchten offenbar, dass die Wähler ihr Kreuzchen womöglich an der falschen Stelle machen könnten.
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