Corona-Staatsfernsehen in der ARD Sender als Regierungs-Sprachrohr

Vor einer halben Stunde schickte mir ein Kollege eine Sprachnachricht: „Ich schaue gerade mit meiner Frau ARD-Extra an, wollte eigentlich Tatort sehen, aber jetzt läuft das. Es ist wie Staatsfernsehen. Wenn du die Möglichkeit hast, sieh dir das an! Zuerst heißt es, heute wurde der große Lockdown beschlossen. Dann: Wir haben einige Bürger befragt. Dann kommen glaube ich fünf Stimmen von Hamburgern, die das gut finden, und sagen, ja, das muss jetzt so sein, es hat alles andere nichts gebracht. Keine einzige kritische Stimme. Jetzt läuft ein Bericht aus dem Erzgebirge, und wieder nur Stimmen von Leuten, die sagen, das ist gut, das sollte man so machen. Überhaupt gar keine kritische Stimme. Das ist Staatsfernsehen pur, was die ARD heute bietet. Und fast schon Massenverdummung. Ich hätte erwartet, dass die ARD auch eine kritische Stimme zu Wort kommen lässt, die sagt: Nein, ich glaube, das bringt nichts, wir müssen mit der Pandemie leben und das kostet uns viele hundert Milliarden.“

Der Kollege, der mir das schrieb, ist ein erfahrener Journalist mit langjähriger Erfahrung in einer großen Redaktion. Natürlich wollte ich mir die Sendung sofort in der Mediathek ansehen – was aber zunächst nicht ging. Inzwischen ist sie abrufbar – Sie können sie hier ansehen. Helge Braun, der meist etwas ängstlich und unsicher dreinblickende Chef des Kanzleramts, konnte vor wirklich kritischen Fragen und vor allem Nachfragen sicher sein in der Sendung. Er musste faktisch zugeben, dass die Regierung keinen Schimmer habe, wo sich die Menschen anstecken – doch da hakte die Moderatorin Susanne Stichler nicht nach. Der Hauptgeschäftsführer des Einzelhandels durfte als gefügiger Bittsteller auftreten. Man sei bereit zu Opfern, aber wolle dafür einen Zuschuss. Schön wurden Ressentiments geschürt gegen vermeintlich Schuldige – diejenigen, die sich nicht an die Regeln halten. Die Sendung wirkte wie Durchhalte-Parolen-Sendungen in finsteren Zeiten, nur moderner, mit leicht dosierter Alibi-Kritik.

Kein Wort darüber, dass auch heute noch die Zahl der insgesamt belegten Intensivbetten in Deutschland sich nicht allzu wesentlich von den Werten im September unterscheidet. Am 17.9. waren laut DIVI 22.304 Intensivbetten belegt (siehe hier), am 13.12. waren es 21.786 (siehe hier). Der Tenor, den die Medien vermitteln, ist genau umgekehrt. Nur bei den Betten der höchsten Versorgungsstufe ist der Trend umgekehrt, am 17.9. waren 7.019 belegt, am 13.12. 8.406. Insgesamt ist die Zahl der verfügbaren Betten deutlich gesunken seit September (siehe den Beitrag „Mysteriöser Bettenschwund“). Warum diese Kapazitäten abgebaut wurden mitten in der Pandemie statt aufgebaut – diese Frage wird so gut wie nie gestellt.

Völlig staatstragend war auch die 20-Uhr-Tagesschau. Oliver Köhr, der künftige Chefredakteur der ARD, der schon den brutalen Polizei-Einsatz gegen friedliche Demonstranten am 18. November vor dem Bundestag in Berlin schöngeredet hat („die Polizei hat ein Auge zugedrückt“ – anzusehen hier), fand in einer Live-Schalte in der Nachrichtensendung kein einziges kritisches Wort für die Corona-Beschlüsse. Der Auftritt Köhrs erinnerte eher an den eines Regierungssprechers als den eines kritischen Journalisten (anzusehen hier).

In der gesamten wichtigsten Nachrichtensendung des größten Senders Deutschlands war die ersten dreieinhalb Minuten kein einziges kritisches Wort zu den Beschlüssen zu hören. Reines Verlautbarungs-Fernsehen (anzusehen hier). Erst dann durfte Dietmar Bartsch, der als Aspirant an der „Akademie für Gesellschaftswissenschaften“ beim Zentralkomitee der Kommunistischen Partei der Sowjetunion in Moskau sein Handwerk gelernt hat und für die „Linke“ im Bundestag sitzt (und bei dessen Reden die Kanzlerin schon mal strahlt, als rede da ihr bester Freund – anzusehen hier), Mini-Kritik üben: Es fehle ein Konzept für die Alten- und Pflegeheime, sagt er artig: „Da hätte die Bundesregierung handeln müssen!“. Ganze zwölf Sekunden ist Bartsch zu hören. Dann ist Christian Lindner dran: „Die Notbremse wird irgendwann gelöst werden müssen, weil die sozialen und wirtschaftlichen Folgeschäden enorm sind. Uns ist aber nicht klar, unter welchen Umständen und Bedingungen dies erfolgen soll und wann“. 14 Sekunden. Mit einem Wischi-Waschi-Statement. 26 Sekunden Mini-Kritik für die schwerwiegendsten Eingriffe in die Grundrechte, die unser Land jemals erlebte. Die Oppositionsführerin, die AfD, kommt gar nicht zu Wort.

Sich das anzusehen, hat etwas Gespenstisches. Es  erinnert exakt an TV-Sendungen in modernen autoritären Regimes. 26 Sekunden wird auch dort die Opposition gezeigt. Manchmal sogar mit Zitaten, die, anders als die von Lindner und Bartsch heute in der Tagesschau, den Regierenden auch halbwegs wehtun. Und oft sogar noch deutlich länger. Und sogar in Talkshows – man nennt das dort oft „gelenkte Demokratie“. Zu der gehören, wie Siamesische Zwillinge, „gelenkte Medien“. Die Bürger müssen diese dort aber nicht mit Gebühren selbst finanzieren.


Bild: Screenshot ARD/Tagesschau
Text: br


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