Von Kai Rebmann
„An der Spitze börsennotierter Unternehmen werden zukünftig mehr Frauen arbeiten.“ So bejubelt die dpa einen gestern gefassten Beschluss des EU-Parlaments und versucht, diesen auch noch als Erfolg im Kampf für mehr Frauenrechte zu verkaufen. Das Gegenteil ist natürlich der Fall. Spätestens ab dem Jahr 2026 wird es in den Vorständen und Aufsichtsräten großer Konzerne demnach eine festgeschriebene Quote geben, die mit Frauen besetzt werden muss. Eine solche Regelung führt aber weder zu mehr Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern noch verhilft sie Frauen zu mehr beruflicher Anerkennung. Was bitte schön soll eine herausragende Position in einem Unternehmen wert sein, wenn sowohl die Chefin selbst als auch die ihr unterstellten Mitarbeiter wissen, dass diese Hierarchie nichts mit fachlichen Kriterien zu tun hat, sondern einzig und allein eine Frage des Geschlechts ist?
Überraschend kommt der Beschluss aus Straßburg freilich nicht. Zwar fand vor der Abstimmung im EU-Parlament noch eine Debatte zu dem Thema statt. Viel mehr als Formsache war diese aber nicht. Die Mitgliedsstaaten hatten bereits im Juni grundsätzliche Einigung über die Einführung einer Frauenquote in der Wirtschaft erzielt. Wie so oft blieb den Parlamentariern auch dieses Mal nur noch, die schon im Vorfeld auf anderer Ebene getroffenen Entscheidungen abzunicken, um diesen einen demokratisch wirkenden Anstrich zu verleihen. Selbst die linientreue dpa musste in diesem Zusammenhang einräumen, dass die „formelle Zustimmung“ schon vorher als sicher galt. Herausgekommen ist dabei eine Frauenquote mit folgenden Eckdaten: Bis spätestens zum 31. Juli 2026 müssen in börsennotierten Unternehmen mindestens 40 Prozent der Sitze im Aufsichtsrat mit Frauen besetzt werden. Alternativ können 33 Prozent der leitenden Direktorenposten an Vertreterinnen des weiblichen Geschlechts gehen.
Wann ist eine Frau eine Frau?
Apropos Geschlecht! Den EU-Parlamentariern ist anscheinend entgangen, dass es im 21. Jahrhundert Menschen und Institutionen gibt, die davon ausgehen, es gäbe mehr als nur zwei Geschlechter, und die obendrein noch glauben, dass man sich dieses auch selbst aussuchen könne. Gänzlich offen lässt die neue gesetzliche Regelung nämlich, für wen die künftigen Quoten überhaupt gelten sollen. Nur für biologische Frauen? Männer, die sich als Frau identifizieren? Oder auch Frauen, die sich zwar nicht als Frau fühlen, aber gerne eine wären? Fragen und Fragen, die die EU in völlig verantwortungsloser Weise schlicht unbeantwortet im Raum stehen lässt.
Und so absurd alle diese Fragen auch klingen mögen, so berechtigt sind sie in Zeiten wie diesen. Denn ein Blick in die Politik zeigt gleich in mehrfacher Hinsicht, wozu Frauenquoten führen können und wie schnell sie ins Gegenteil pervertiert werden können. Da wäre zum Beispiel Markus alias Tessa Ganserer. Das Mitglied der Grünen wurde als Mann geboren und hat sich bei der Bundestagswahl im vergangenen Jahr in Bayern einen Platz auf der Frauenliste erschlichen – über die Frauenquote der Öko-Partei. Entgegen den biologischen Tatsachen firmiert Ganserer seit dem Jahr 2018 als Frau. Aber auch in anderen Parteien ist die sogenannte „paritätische Besetzung“ von Kandidatenlisten längst zum allgemeingültigen Standard erklärt worden.
Nichts offenbart die Folgen der Abkehr vom Prinzip Leistung indes besser als die Zusammensetzung des aktuellen Kabinetts unter Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Im Zuge der Koalitionsverhandlungen wurde unter anderem eine Frauenquote für die Besetzung der Ministerposten vereinbart. Fast hatte man dabei den Eindruck, dass diese Regelung vor allem den Grünen wichtiger war als die eine oder andere Sachfrage.
Leistung muss sich wieder lohnen
Dieser Satz war zuletzt insbesondere im Zusammenhang mit der Debatte um das Bürgergeld immer wieder zu hören. Er gilt im etwas übertragenen Sinne aber auch für Frauenquoten in der freien Wirtschaft, wobei die Betonung auf „frei“ zu legen ist. Es ist nicht die Aufgabe von Unternehmen, Politik zu machen oder sich vor den Karren irgendwelcher Ideologien spannen zu lassen. Gerade bei börsennotierten Konzernen tragen Aufsichtsräte, Vorstände oder Direktoren die Verantwortung für das wirtschaftliche Wohl und Wehe nicht nur des von ihnen geleiteten Unternehmens, sondern im Zweifelsfall auch für tausende Mitarbeiter und deren Familien. Diese Verantwortung gehört in die Hände bzw. auf die Schultern der fachlich und persönlich am besten geeigneten Bewerber. Und wenn dieser Bewerber am Ende eine Frau sein sollte, wird niemand etwas dagegen haben können. Wenn die Beförderung aber nur aufgrund einer Quote erfolgt, dann ist damit niemandem gedient.
Der EU, die ohnehin nicht im Verdacht steht, besonders nah an der Lebenswirklichkeit ihrer Bürger zu agieren, ist das einerlei. Dem jüngsten Beschluss aus Straßburg folgend, haben die Mitgliedsstaaten jetzt zwei Jahre Zeit, die Vorgaben zur Frauenquote in ein nationales Gesetz umzuwandeln. Diese Frist beginnt 20 Tage nach der Veröffentlichung im Amtsblatt der EU zu laufen. Für Unternehmen, die auch nach Inkrafttreten dieses Gesetzes noch allzu patriarchisch agieren, sieht die EU „abschreckende und verhältnismäßige“ Geldbußen vor. Dieser Widerspruch passt ironischerweise ganz ausgezeichnet zu den beabsichtigten Zielen und der tatsächlich erzielten Wirkung einer Frauenquote.
Mein aktuelles Video:
Uwe Tellkamp sieht DDR-Tendenzen: „Zweiteilung des Verhaltens im Alltag kommt wieder“. Der Bestseller-Autor über Meinungs(un)freiheit und grüne „Erlösungssehnsucht“.
Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.
Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.
Bild: ShuttserstockMehr von Kai Rebmann auf reitschuster.de