Das Erbe der moralisierenden Abrissbirne Trübe Aussichten, grün getüncht

Ein Gastbeitrag von Gunter Weißgerber. Weißgerber war Redner der Leipziger Montagsdemonstrationen 1989/90, Mitbegründer der Ost-SPD, Mitglied der freigewählten Volkskammer 1990, Mitglied des Deutschen Bundestages 1990-2009.

Die vormalige 40-Prozent-Union aus CDU/CSU liegt mit 24 Prozent bei einem fiktiven Psychiater auf der Couch. Er diagnostiziert schnörkellos „Sowas kommt von sowas. Merkels grünlinker CDU/CSU-Umbau mittels moralinsaurer Plattitüden zulasten der demokratischen Institutionen weidete diese beiden Parteien aus, destabilisierte die Bundesrepublik und stärkte die Zentrifugalkräfte in der Europäischen Union. CDU/CSU müssen sich von Angela Merkel und ihren Gefolgsleuten lösen. Anders ist Heilung nicht möglich. Angela Merkel wird als Gefährderin Europas in die Geschichte eingehen. Aktuelle Elogen auf diese Politikerin besitzen keine lange Haltbarkeitsdauer.“ So spricht der fiktive Psychologe; ob die Botschaft in CDU/CSU ankommt, scheint allerdings fraglich. Viel wird davon abhängen, ob Armin Laschet doch noch Bundeskanzler oder ob er Oppositionsführer wird, und welche parteiinternen Kräfte besser CO₂ zu Sauerstoff photosynthesieren können. Dazu unten mehr.

Die SPD dagegen kam wie Phönix aus der Asche. Über 25 Prozent sind nicht die früher ebenfalls gewohnten 40 Prozent, aber immerhin. Noch vor zwei Monaten sah es nach vernichtenden 15 Prozent aus. Wie kam es zu diesem Scholz-Wunder? Olaf Scholz‘ größte Leistung in den zurückliegenden Monaten war das Schweigegelübde seiner linksgrünen Funktionäre. Die verzichteten aus Gründen der Geschlossenheit und im Gefühl, mit dem Rücken an der Wand zu stehen, auf ihre üblichen so närrischen wie abgehobenen ideologischen Deutschland-Umbau-Dummheiten. Vor dem Hintergrund des ungeschickten Wahlkampfes von Armin Laschet wirkte die ebenfalls blutleere SPD plötzlich als kleiner Anker im Meer der Unsicherheit. Gemäß den Abläufen in miteinander kommunizierenden Röhren stieg der SPD-Pegel in dem Maße, wie der Union-Pegel sank. Vergessen das Reinholen der Probleme der Welt nach Deutschland, vergessen die scholz’sche Idee einer europäischen Arbeitslosenversicherung, die faktisch von den deutschen Beitragszahlern finanziert werden würde, vergessen der SPD-Anteil am Frontalangriff auf die Automobilindustrie, vergessen der SPD-Angriff auf die deutsche Energiewirtschaft usw. usf. Lohn des Vergessens: Olaf Scholz könnte Bundeskanzler werden. Das Leben kann ein Tollhaus sein.

Die Grünen starteten vor Monaten ihren Wahlkampf mit Hilfe der medialen Agitprop-Truppe aus öffentlich-rechtlichen Medien und großen Teilen des Feuilletons im Wahn, bis 28 Prozent zu erreichen und die Bundeskanzlerin zu stellen. Diese Blase zerplatzte immer deutlicher. Plakate wählen nun mal keine Plakate und vielen deutschen Medien trauen ohnehin nur noch Hartgesottene. Dennoch, mit 14,8 Prozent werden die Grünen – mit Ausnahme einer weiteren großen Koalition von SPD und Union, die wenig wahrscheinlich ist – in allen anderen Regierungsoptionen mitspielen. Olaf Scholz braucht die Grünen, Armin Laschet braucht sie ebenfalls. Trübe Aussichten, grün getüncht.

Christian Linder zog mit der FDP das zweite Mal hintereinander gestärkt in den Bundestag ein. Ihm gelang der Anschein von marktwirtschaftlicher Verbindung der Klimareligion. Auch er sieht den großen umweltsündigen Menschen in höherer Verantwortung hier unten, als die kleine kalte Sonne da oben. Ob er aus unkontrollierter Zuwanderung eine kontrollierte und an unseren Gesetzen haftende Zuwanderung durchzusetzen gewillt ist, ist nicht klar. Geschmeidigkeit besitzt er genug. Damit ist er für Olaf Scholz und für Armin Laschet möglicher und notwendiger Koalitionspartner. Lediglich die Eifersüchteleien zwischen Grünen und FDP könnten Stolpersteine werden. Die auszutarieren, müssten Scholz wie Laschet gleichermaßen leisten. Was die Lagerordnungsfarbe Grün angeht, wird die auf jeden Fall die Anstrichfarbe der nächsten Bundesregierung, egal ob SPD- oder Unionsgeführt, werden.

Die AfD ist 2017 als Ergebnis des Versagens von Union und SPD in den Bundestag gekommen, um zu bleiben. Soviel ist vorläufig sicher. Die 10,3 Prozent vom 26.9.2021 sind nicht das AfD-Traumergebnis, doch dürfte es genügen, die anderen Parteien die eigene Bevölkerung nicht zu sehr vernachlässigen zu lassen. In Sachsen und Thüringen räumte die AfD ab wie zu ihren besseren Zeiten CDU oder SPD. In den kommenden Jahren wird sich die AfD entscheiden müssen, die kohlsche CDU zu beerben oder radikaler zu werden. Wird sie kohlscher und damit erfolgreicher, wird das Leben für CDU/CSU nicht einfacher. Die AfD ist wie ein Fieberthermometer des Patienten Bundesrepublik. Grünlinke Unvernunft lässt die Kurve steigen, weniger Experimente lassen die Kurve fallen.

Die Linksaußenpartei, vormals SED, ist nach der Union der größte Verlierer des Wahlabends. Die Partei rutschte unter die 5-Prozent-Marke und kommt nur durch den Gewinn von drei Direktmandaten nochmals in den Bundestag. Von dieser Sonderregelung profitierte diese Partei 1994 schon einmal. Für eine Koalition mit SPD und Grünen reicht das zum gefühlten einhundertsten Male nicht. Was für die Bundesrepublik und die Europäische Union ein kleines Glück in merkelschen turbulenten Zeiten ist.

Wie geht es nun weiter? Alles hängt von der FDP und den Grünen ab. Die müssen aufeinander eifersüchtig sein, dem anderen keinen Vorsprung geben und doch müssen sie zueinander finden. Sonst kommt die nächste große Koalition, Deutschland ohne Regierung ist nicht möglich. Eine weitere große Koalition würde das deutsche Parteiensystem zermürben, ohne starke Pole in der Mitte ist weiterer Verfall angesagt. Es ist eine Wahl zwischen Pest oder Cholera. Große Koalition wäre sehr schlecht, Koalitionen mit den Grünen sind auch verhängnisvoll.

Für die Ungarn von Interesse: Die ungarische Regierung wird mit Armin Laschet und mit Olaf Scholz besser reden können als mit Angela Merkel. Laschet und Scholz sind bodenständige, verlässliche Typen. Regeln bedeuten beiden etwas.

Aber es könnte ein Riesenproblem auf die EU, Ungarn, Polen, Balten, Dänen, Griechen zukommen. Die grüne Politikerin Katrin Göring-Eckardt möchte gern Frank-Walter Steinmeier als Bundespräsidentin nachfolgen. Sie ist vom chauvinistischen Schlage Katarina Barleys. Mit ihr würden die Ungarn und die anderen statt einer Partnerin eine ideologische Gegnerin bekommen. Göring-Eckardt könnte die Sprengladung bedeuten, die die EU auseinandertreiben würde.

Besitzt diese gefährliche Frau Chancen auf das Amt? Olaf Scholz ist an Frank-Walter Steinmeier gebunden, der eine weitere Amtszeit beansprucht. Ob Scholz seinen Freund in Koalitionsverhandlungen mit den Grünen fallen lässt, ist nicht sicher. Es sei denn, Steinmeier hätte die Einsicht in die Notwendigkeit. Links genug dafür ist er.

Anders sähe es für Göring-Eckardt in Verhandlungen mit Armin Laschet aus. Sein Interesse am SPD-Mann Steinmeier dürfte nicht groß sein. Ihm könnte eine Amtszusage für die Grünen und Göring-Eckardt leichter fallen.

Eine kleine Nachlese zu interessanten Direktkandidaturen: Im Wahlkreis 196 gewann der SPD-Bewerber Frank Ullrich gegen den CDU-Mann Hans-Georg Maaßen. Die aufkommende Stimmung für die SPD bei gleichzeitigem Abschwung der CDU wirkte Maaßen entgegen. Viele Thüringer sagten „Maaßen wäre gut im Bundestag, aber wir wählen nie wieder CDU.“ Hans-Georg Maaßen wird der CDU in den kommenden Diskussionen fehlen. Das Wahlvolk hat das so entscheiden.

Im Falle der SPD Sachsen entschieden das die Wähler im Wahlkreis 162 etwas anders. Der einzige SPD-Direktwahlsieger ist Detlef Müller und von Beruf Lokomotivführer. Er wird die klimareligiös vertrottelte SPD nicht retten können. Aber der SPD gönne ich den Facharbeiter Detlef Müller aus Chemnitz von Herzen. Ein kleines Stück Normalvolk und Bodenständigkeit sollten die SPD und der Deutsche Bundestag aushalten können.

Deutschland hat gewählt. Wer einen funktionierenden Staat metaphysisch umbaut, die tragenden Wände multikulturell gendert und diese zu Jalousien umfunktioniert, lässt sein Haus zusammenbrechen und die Akteure von den Trümmern plattmachen. Angela Merkel und ihr Konkubinat von zweiter (exekutiver) Gewalt und der sogenannten Vierten (den Medien) Gewalt haben ganze Arbeit geleistet. Der Versuch, die 2015er-Völkerwanderung mittels der deutschen Weltrettung vergessen zu machen, gelang. Das Ergebnis ist ein Deutschland, welches, wie anno dunnemals die kommunistischen Staaten, Angst vor dem nächsten Winter und Stromausfällen haben muss. Der Fortschritt ist eine Schnecke, grüner Fortschritt ist ein Zurück in arme Zeiten. Liebe Ungarn, schauen Sie aufmerksam nach Deutschland und ziehen Sie ihre Schlüsse. Hüten Sie sich vor den Grünlinken. Bleiben Sie autark, friedlich und kooperativ in und mit der Europäischen Union. Klappt das, haben beide was davon: Die EU und die Ungarn.

Zur Erinnerung, was die Grünen uns vorschreiben wollen:

– wann und ob wir fliegen dürfen
– welches Auto wir fahren und ob wir überhaupt ein Auto haben dürfen
– wie wir unsere Häuser zu beheizen haben
– zu welchen Tageszeiten wir heizen dürfen
– ob wir überhaupt ein Haus haben dürfen
– was wir zu essen haben
– wie wir schreiben und reden sollen (Genderstern)
– dass wir unkontrollierte Zuwanderung hinnehmen sollen
– dass wir den teuersten Strom haben sollen
– wer und wer nicht demonstrieren darf
– wer Meinungsfreiheit besitzen und wer diese nicht besitzen darf
– wer immer Recht und wer niemals Recht haben darf
– wie wir leben, arbeiten, feiern, lieben und Freundschaften pflegen sollen und wer unsere Freunde sein dürfen.

Die Ungarn, die Viktor Orban wählen, dürfen beispielsweise niemandes Freund sein dürfen. Merken Sie sich das bitte.

Angela Merkel führt die jetzige Bundesregierung bis zur Wahl der neuen. Das kann noch lange dauern. Die merkelsche Hängepartie in der EU wird vorerst weitergehen. 

Der Beitrag erschien zuerst auf Gunter Weißgerbers Blog.

Diejenigen, die selbst wenig haben, bitte ich ausdrücklich darum, das Wenige zu behalten. Umso mehr freut mich Unterstützung von allen, denen sie nicht weh tut!

Gastbeiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.

Gunter Weißgerber war Montagsdemonstrant in Leipzig, Mit-Gründer der Ost-SPD und saß dann 19 Jahre für die SPD als Abgeordneter im Deutschen Bundestag. 2019 trat er aus der Partei aus. Der gelernte Bergbauingenieur ist heute Publizist und Herausgeber von GlobKult. Im Internet zu finden ist er unter www.weissgerber-freiheit.de

Bild: photocosmos1/Shutterstock
Text: Gast
 
 

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