Von Kai Rebmann
Nur die älteren Leser werden sich noch daran erinnern, dass es im Fußball ursprünglich darum ging, mindestens ein Tor mehr zu erzielen als der Gegner. Doch diese Zeiten sind lange vorbei. Inzwischen lauert hinter jedem Eckball ein Fettnäpfchen, aufgestellt von verbohrten Ideologen, die es gar nicht erwarten können, bis die Falle endlich wieder zuschnappt. Kaum ein Spieltag vergeht, an dem in den Medien nicht eine neue Sau über den Fußballplatz getrieben wird und für einen künstlichen Aufschrei der Empörung sorgt. Zu den bekanntesten Opfern dieser Art der Cancel Culture gehörte im vergangenen Jahr Sky-Kommentator Jörg Dahlmann, der es gewagt hatte, Japan als das „Land der Sushis“ zu bezeichnen und sich damit – so zumindest die Deutung der linksgrünwoken Blase – als systematischer Rassist entlarvte. Sein Arbeitgeber kroch brav zu Kreuze und trennte sich von der Reporterlegende.
„Schwules Weggedrehe geht mir auf den Sack“
Die Ideologie der Regenbogen-Community hat aber längst internationalen Charakter und hält auch jenseits der bundesdeutschen Grenzen stets Ausschau nach neuen Opfern. Nun hat es Marius Müller vom FC Luzern erwischt. Der deutsche Torwart des Schweizer Erstligisten gastierte am vergangenen Wochenende mit seiner Mannschaft im Kybunpark des FC St. Gallen und kassierte dort eine 1:4-Niederlage. Nur Minuten nach dem Abpfiff wurde der Goalie des FCL, der auch schon für den 1. FC Kaiserslautern spielte und bei RB Leipzig unter Vertrag stand, um ein Statement zu dem Spiel gebeten. Ein sichtlich genervter Müller gab dabei gegenüber Blue Sport zu Protokoll: „Immer das schwule Weggedrehe geht mir tierisch auf den Sack. Dann krieg ich halt mal einen Ball in die Eier oder in die Fresse.“ Man müsse sich eben auch mal in einen Ball reinwerfen, ähnlich wie es die italienischen Nationalverteidiger täten, kritisierte der Torwart die aus seiner Sicht zu behäbige Zweikampfführung seiner Vorderleute.
Mit dieser Wortwahl handelte sich Müller einerseits einen medialen Sturm der Entrüstung ein, andererseits ein Disziplinarverfahren der Swiss Football League (SFL). „Der Disziplinarrichter im Spielbetriebswesen der Swiss Football League eröffnet aufgrund der Aussagen in einem TV-Interview nach Niederlage gegen den FC St. Gallen (4:1) ein Verfahren gegen den Torhüter des FC Luzern, Marius Müller“, teilte die SFL am Montag mit. Der FC Luzern entschuldigte sich via Twitter für die vermeintliche Entgleisung seines Keepers und betonte, dass diese Aussagen weder den gelebten Werten des Vereins noch seiner Fans entsprächen. Und auch Müller selbst bezeichnete seine Wortwahl inzwischen als „dumm“ und „komplett deplatziert“.
Man kann über eben diese Wortwahl sicherlich streiten und gerne auch geteilter Meinung sein. Es macht jedoch einen Unterschied, ob eine solche Aussage gefühlte zweieinhalb Minuten nach dem Abpfiff getätigt wird, oder aber einige Stunden nach dem Spiel, vielleicht sogar erst am nächsten Tag. Emotionen gehören zum Fußball wie die Bratwurst und das Bier. Kein wirklicher Fan kann sich Spieler, Trainer oder Reporter wünschen, die sich jedes Wort in Interviews oder während des Kommentierens dreimal überlegen müssen, um nicht unversehens am Pranger irgendwelcher Ideologen zu landen.
FC St. Pauli trägt den Genderstern auf dem Trikot
Der schon seit vielen Jahren politisch überkorrekte FC St. Pauli sorgt zwar nur selten für sportliche Schlagzeilen, dafür aber umso öfter mit zeitgeistgerechten Aktionen auf und neben dem Spielfeld. Am vergangenen Wochenende lief der Zweitligist beim Heimspiel gegen den 1. FC Magdeburg mit einem Sondertrikot auf. „Genderstern statt Meisterstern“, applaudierte die FAZ und ignorierte dabei, dass die Kiez-Kicker noch nie einen nationalen Titel errungen haben und daher ohnehin nicht zum Tragen eines Meistersterns berechtigt sind. Über dem Vereinswappen leuchtete auf den Trikots der Spieler das „Sternchen des Nordens“, wie Vereinspräsident Oke Göttlich das Symbol der Sprachpanscher bezeichnete. Im Sprach- und Schriftverkehr nutze man den Genderstern regelmäßig, das sei beim FC St. Pauli mittlerweile Alltag, ließ Göttlich wissen.
Ungewöhnlich war die Trikotaktion des Kiezklubs auch deshalb, weil die Deutsche Fußball Liga (DFL) bei der Gestaltung der Jerseys auch sehr pedantisch sein kann. So ist unter anderem genau geregelt, wo und wie viele Logos von Sponsoren angebracht werden und wie groß diese sein dürfen. Zu Beginn dieser Saison hat die DFL in ihre Regularien jedoch eine Ausnahme für Sondertrikots aufgenommen. Voraussetzung: Es muss damit ein positives Statement für Diversität und/oder Nachhaltigkeit gesetzt werden. Und auch in dieser Liga spielt der FC St. Pauli offenbar um die Meisterschaft mit. Die Trikots der Spieler würde man selbst produzieren, da es nicht gelungen sei, einen Hersteller zu finden, der die vom Verein geforderten Standards in Sachen Nachhaltigkeit umsetzen könne, wie die Hamburger mitteilten.
Wie nachhaltig ist eine Fußball-WM in Katar?
Bei so viel Gutmenschentum kommt man nicht um die Frage umhin, wie nachhaltig eine Fußball-WM in Katar sein kann. Natürlich wurde von Spielern wie Funktionären immer mal wieder zaghafte Kritik geübt, aber zumeist immer nur aus der sicheren Entfernung von mehreren tausend Kilometern. Wirklich schmerzhafte Schritte, etwa ein Boykott der Wüsten-WM oder der Verzicht auf Sponsor-Millionen aus dem Emirat wurden hingegen nie ernsthaft erwogen. Geld stinkt bekanntlich nicht wirklich und so wird das Leder im Spätjahr allen Menschenrechtsverletzungen und sonstigen Missständen zum Trotz durch die Stadien in Katar rollen.
Bundestrainer Hansi Flick gab erst vor wenigen Tagen wieder den Gratismut-Helden und sagte dem RND: „Ich habe viele Bekannte, die gerne nach Katar fliegen würden, es aber aus vielerlei Gründen unterlassen. Weil sie sich die massiven Preise nicht leisten können, weil die Situation etwa für Homosexuelle inakzeptabel ist, weil es Menschenrechtsverletzungen gibt, weil Minderheiten ausgegrenzt werden.“ Und weiter: „Dabei sollte der Fußball für alle da sein. Darum sage ich: Es ist keine WM für den normalen Fan. Grundsätzlich finde ich es schade, dass dieses Turnier keine WM für Fans wird.“ Man wolle sich daher im September erneut mit den anderen Mannschaften und Nationen zusammensetzen und überlegen, was man machen könne und wolle, so der Bundestrainer.
Auf die Regenbogen-Kapitänsbinde am Arm von Manuel Neuer und die sicherlich auch vor Ort während der WM in schöner Regelmäßigkeit vorgetragene Kritik an den Zuständen in Katar darf man schon jetzt gespannt sein.
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Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.
Bild: anahtiris / ShutterstockText: kr
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