Die Globalisierungs-Kanzlerin War Merkel die Kanzlerin der Deutschen?

Von Sönke Paulsen

Merkels Internationalismus hat dabei nicht nur die Deutschen auseinandergetrieben, sondern auch die eigene Partei. Die Union liegt, nach Abtritt der Kanzlerin, in Trümmern.

Eigentlich war es Gerhard Schröder, der den Deutschen eine Globalisierungs-Agenda überwarf und dabei nicht müde wurde zu betonen, dass wir nur mit einem veritablen Sozialabbau international wettbewerbsfähig bleiben können.

Angela Merkel, die anfangs Politik nach Umfragewerten im eigenen Land machte, lag das fern. Ihre anfängliche Taktik, sich Volkes Meinung anzupassen, war vor allem in ihrer mehr als wackeligen Machtbasis begründet. In der Union galt sie als Krisenverwalterin ohne echte Anerkennung und als Kanzlerin war sie die Frau, die das Unglaubliche geschafft hatte, bei sehr geringen Beliebtheitswerten, auch noch als Frau, die Kanzlerschaft zu erringen.

In ihrer ersten Legislaturperiode sammelte Merkel daher Leute, die sie stützten, zuvorderst in den Medien. Es entstand die Freundschaft mit Friede Springer und Liz Mohn, sehr einflussreichen Medienfrauen, die bereit waren, die Kanzlerin hochschreiben zu lassen. Zugleich begann die „Frauenphase der Union“, Politikerinnen wie von der Leyen und Anette Schavan wurden von Merkel gefördert. Später kam Kristina Schröder dazu und dann Wanka, Kramp-Karrenbauer, Klöckner, Schulze und Karliczeck. Allen Frauen war gemeinsam, dass ihre Machtbasis vor allem in Angela Merkel bestand und dass sie deshalb loyal zu sein hatten, ganz im Unterschied zu den Männern in ihrem Kabinett.

In den ersten beiden Legislaturperioden galt Merkel auch als Teflon-Kanzlerin, weil sie so geschmeidig Politik machte, dass nichts an ihr hängenblieb.

Dies änderte sich erst mit den internationalen Krisen, in die Deutschland verwickelt wurde. Die Bankenkrise und die Eurokrise waren die ersten.
Nach der Rettung der Hypo-Real-Estate Bank wurde der Kanzlerin eine übergroße Nähe zur Deutschen Bank vorgeworfen, die letztlich die Blaupause für die Bankenrettung geliefert hatte und selbst im großen Umfang davon profitierte. Das alles an einem Wochenende im November 2008, an dem Merkel zusammen mit Josef Ackermann Überstunden machte. Dennoch hat die Bankenkrise der Kanzlerin weniger geschadet als die dann folgende Eurokrise.

Protest mit Hitlerbärtchen

Hier trat etwas ein, was Merkels Politikstil ganz grundsätzlich verändert hat. Durch die Weigerung, einer Vergemeinschaftung von Schulden zuzustimmen und die Unterstützung eines harten Sparkurses für überschuldete Länder, bekam sie vor allem in südeuropäischen Ländern ein Hitlerbärtchen aufgemalt und das über Monate.

Letztlich hat dann die EZB die Kanzlerin in dieser Frage entmachtet, den Sparkurs aufgeweicht und die Vergemeinschaftung der Schulden über unbegrenzte Anleihenkäufe der Schuldnerstaaten eingeführt.

Weder die Darstellung als weiblicher Hitler, noch die Entmachtung durch die EZB hat die Kanzlerin unbeeinflusst gelassen. Sie hat sich fortan als europäische Kanzlerin profiliert und sehr stark europäische Politik in den Vordergrund ihrer Kanzlerschaft gestellt.

Es gab seitdem einen einzigen europäischen Alleingang Merkels und der bestand in der Abwendung von der Atomkraft nach der Katastrophe von Fukushima am 11.3.2011. Damals überholte Merkel den Atomausstieg der „Rotgrünen Koalition“ um Jahre und ihrer eigenen Partei um Jahrzehnte. Damit wurde Merkel zur Sympathieträgerin der Grünen. Die Machtbasis der Kanzlerin wuchs deutlich über ihre Partei hinaus in den gesellschaftlichen und zivilgesellschaftlichen Bereich hinein.

Merchandising

Die große Nähe, die Merkel zu Barack Obama hatte, führte zu einer neuen transatlantischen Schiene, auf der auch die Grünen unterwegs waren. Die Menschenrechte international einzufordern und nach dem UN-Gipfel 2005 die gemeinsame Verpflichtung, in Ländern mit schlechter Regierungsführung zu intervenieren, brachte die Kanzlerin dazu, zusammen mit Politikern der EU, insbesondere auch der Grünen, ein Schattenkabinett gegen Viktor Janukowitsch in der Ukraine aufzubauen und einen Regime-Change anzubahnen. Eine besondere Rolle spielte für die Kanzlerin dabei die Inhaftierung der ehemaligen ukrainischen Premierministerin Julia Timoschenko, für die sich Merkel mehrfach erfolglos eingesetzt hatte. Das bestärkte die Kanzlerin darin, die Entmachtung des ukrainischen Präsidenten im Rahmen des von ihm letztlich nicht unterschriebenen EU-Assoziierungsabkommen, zusammen mit Grünen und amerikanischen Neokonservativen, aggressiv zu betreiben.
Spätestens in diesem Winter 2014 war Merkel zur internationalen Kanzlerin geworden, die sich eher als Weltpolitikerin verstand, denn als einfache deutsche Kanzlerin.

Die kurz darauf folgende Migrationskrise im Rahmen des syrischen Bürgerkriegs, parierte Merkel nicht mehr als Kanzlerin der Deutschen, sondern als Kanzlerin Europas und mächtige Verbündete der USA. Sie entschied kurzerhand, die Grenzen zu öffnen, um eine schlechte mediale Publicity zu vermeiden. Das Hitlerbärtchen, das sie von den Südeuropäern hatte, konnte sie damit ablegen und ganz Europa schaute bewundernd auf Deutschland, das Millionen Migranten auf einen Schlag ins Land ließ.

Dabei spitzen sich Feindschaften mit Osteuropa zu, wie sich im Jahr davor Feindschaften mit Russland zuspitzten. In Deutschland entstand das Profil der AfD als Alternative zu Merkel, welche explizit gegen ungesteuerte Migration auftrat. Dabei brach der konservative Rand der Union teilweise weg.

Vereinigte Staaten von Europa

Als Weltpolitikerin hatte Merkel vor allem noch die Grünen an ihrer Seite, die nicht nur während des Umsturzes in der Ukraine heftig agiert hatten, sondern auch während der Migrationskrise ihre Chance wahrnahmen, auf eine neue Weltgesellschaft in deutschen Grenzen zu pochen. Die grünen Transatlantiker, die inzwischen eng mit den amerikanischen Neokonservativen zusammenarbeiteten, sahen die USA als Vorbild nicht nur für eine multikulturelle Gesellschaft, sondern auch für die „Vereinigten Staaten von Europa“.

Das wurde zu Merkels Hauptagenda nach 2014.

Damit wurde die deutsche Kanzlerin vor allem für die Osteuropäer zum Feindbild, die der Migrationsfrage besonders ablehnend gegenüber standen. Hiermit sah sich aber auch ein großer Teil der deutschen Bevölkerung einer Politik ausgeliefert, welche nicht mehr deutsche Interessen vertrat, sondern internationale, welche ungefragt, unterstützt von einer linksgrünen Minderheit, durch die Kanzlerin vollzogen wurden.
Merkel entfremdete sich nach der Flüchtlingskrise nicht nur von ihrer Partei, sondern von vielen Deutschen und wurde ihrem Auftrag als deutsche Kanzlerin nicht mehr gerecht.

Den gesellschaftlichen Umbau, welchen die Kanzlerin nun plötzlich zu einem Thema machte, hatte sie, vergleichbar zur Umweltpolitik, von den Grünen und ihrem zivilgesellschaftlichen Spektrum übernommen. Die Unterstützung bekam sie auch aus den Medien, so dass ihre schwindende Akzeptanz in der Union, in der Europäischen Union und bei den Deutschen nicht mehr so auffiel. Merkel konnte ihre Macht in eine vierte Legislaturperiode retten, auch wenn sich das internationale politische Klima durch Donald Trump nationalisierte und die Kanzlerin marginalisierte.
Zusammen mit Macron in Frankreich, dessen NGO und spätere Partei sie massiv unterstützte, gelang es ihr, die Kanzlerin Europas zu bleiben, auch wenn sich Osteuropa in den VISEGRAD-Staaten politisch immer mehr abgespalten hatte. Genau wie der Brexit war der Verfall des Internationalismus auch in Europa ein Vorbote für die Rückbesinnung auf nationale Interessen geworden. Merkel war gewissermaßen aus der Zeit gefallen.

mvgDie Rückkehr in die deutsche Politik gestaltete sich für die Kanzlerin daher recht steinig und aversiv. Denn viele Deutsche hatten ihr übelgenommen, dass sie Deutschland als Globalisierungsland zu einem internationalen Musterknaben, mit ihr an der Spitze, zwingen wollte. Die Union brach ein und lebte ausschließlich von Merkels internationalem Ansehen.

Als dann die Corona-Pandemie in Europa ankam, gab es für die Kanzlerin nur eine mögliche politische Entscheidung: Die überzogenen und panischen Ausgangssperren in Italien, Frankreich, Spanien und Portugal vollumfänglich mitzumachen. Medizinische Erkenntnisse, das schwedische Beispiel und ein sehr viel robuster aufgestelltes, deutsches Gesundheitssystem spielten hier für Merkel überhaupt keine Rolle mehr. Es konnte für die internationale Kanzlerin keinen eigenen deutschen Weg geben.

Dafür hatte sie bereits im Nachgang der Flüchtlingskrise geeignete Kandidaten im Bundesverfassungsgericht an die Macht gebracht, dafür hatte sie die nötige Medienmacht und darauf konnte sie die Wirtschaft einschwören. Deutschland würde mit seinen Maßnahmen nicht hinter den Notverordnungen Frankreichs zurückbleiben. Das war Merkels politische Aussage.

Dies war eigentlich der Schlusspunkt einer Entfremdungsgeschichte der deutschen Kanzlerin von ihrem Land. Merkel war zu diesem Zeitpunkt keine Deutsche mehr, sondern eine internationale Politikerin, die die Pandemie zur Stärkung der EU und zur Förderung globaler Gemeinsamkeiten im Gesundheitssektor nutzte. Der „Great Reset“, den Merkel unterstützte, war nur ein Beispiel dafür.

Auf diesem fragwürdigen Höhepunkt ihrer Macht tritt die Kanzlerin nun, gottseidank, ab. Sie hat die Möglichkeiten eines deutschen Bundeskanzlers bis zur Unerträglichkeit gedehnt, die Verfassung mehrfach missachtet, ja gebrochen, aber wird dafür nicht zur Rechenschaft gezogen werden, weil sie sowohl die Verfassungswächter, als auch die Medien auf ihre Seite gebracht hat. Nur ihre Partei und die Hälfte der Deutschen lässt sie in einer beispiellosen Krise zurück, von der noch niemand weiß, wie diese ausgehen wird.

Immerhin sind die Chancen auf Heilung geben. Die Kanzlerin tritt ab, ohne dass die Deutschen sie abwählen mussten. Angela Merkel hat sich in Deutschland längst selbst abgewählt oder anders ausgedrückt, hat sie die Deutschen abgewählt. Nur die Grünen profitieren von dieser Rochade. Wie lange sie auf der grünen Welle Merkels reiten können, ist aber fraglich.
Egal, die Mehrheit der Deutschen begrüßt Merkels Abtritt.

Diejenigen, die selbst wenig haben, bitte ich ausdrücklich darum, das Wenige zu behalten. Umso mehr freut mich Unterstützung von allen, denen sie nicht weh tut!

Gastbeiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.

Sönke Paulsen ist freier Blogger und Publizist. Er schreibt auch in seiner eigenen Zeitschrift „Heralt“. Hier finden Sie seine Fortsetzungsgeschichte „Angriff auf die Welt“ – der „wahre“ Bond.

Bild: Alexandros Michailidis/Shutterstock
Text: Gast

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