Von Kai Rebmann
Eigentlich sind es vor allem die ersten Tage eines jeden Jahres, an denen sich die woken Kulturkrieger auf die Lauer legen und Ausschau nach arglosen Opfern halten. Wenn landauf, landab am 6. Januar die Sternsinger durch die Straßen ziehen, um Spenden für karitative Zwecke zu sammeln, holen die selbsternannten „Bessermenschen“ regelmäßig die Rassismus-Keule aus dem Schrank. Danach kann man seit einigen Jahren die Uhr stellen. Und egal, wie weit der damit einhergehende Vorwurf des Blackfacings insbesondere im Lichte der historischen Hintergründe an den Haaren herbeigezogen ist, er verfängt immer mehr.
So wie jetzt bei der Narrenzunft in Schwenningen. Nichts Böses ahnend, lud man sich Ende Januar zur Eröffnung der Ball-Saison die Happy Neckar Dancers in den Schwarzwald ein. Unter dem Titel „The Show Must Go On“ gab die Gruppe eine Boney-M.-Interpretation zum Besten. Vermeintliches „Problem“: Einer der Tänzer war schwarz angemalt und trat im Afro-Look auf. Der Auftritt kam beim närrischen Volk dem Vernehmen nach gut an, Vorwürfe des Rassismus oder Blackfacings sind an diesem Abend jedenfalls nicht laut geworden.
Shitstorm überrollt die Schwenninger Narrenzunft
Umso heftiger fielen die Reaktionen in den Tagen danach aus, insbesondere in den sozialen Medien. „Rassisten haben sie uns genannt“, gab Lutz Melzer gegenüber dem „Schwarzwälder Boten“ zu Protokoll. Der Chef der Schwenninger Fasnachter habe im Gespräch „hörbar bedrückt“ gewirkt, so das Blatt. Deutschlandweit sei auf die Narrenzunft im Schwarzwald eingeprügelt worden, Accounts mit zum Teil mehr als 30.000 Followern hätten wütende Kommentare hinterlassen.
Womit wir beim ersten Teil der Erklärung für den künstlich aufgebauschten Vorwurf des vermeintlichen Blackfacings wären. Berufsaktivisten, die bei solchen Gelegenheiten nie selbst vor Ort sind, sondern offenbar nichts Besseres zu tun haben, als das Internet aus der Ferne nach potenziellen Opfern zu durchforsten, um diese dann in die Rassismus-Ecke zu stellen und ihren „Fans“ zum Fraß vorzuwerfen. Da geht es dann schnell mal unter, wenn Melzer in der regionalen Tageszeitung beteuert: „In der Narrenzunft gibt es keine Rassisten.“ Und gleich noch zur Selbstgeißelung schreitet und von einem „Fehler“ spricht. Außerdem werde in der Narrenzunft das Amt eines Diskriminierungsbeauftragten geschaffen, „um eine konsequente und schnelle Aufarbeitung sicherzustellen und in Zukunft rücksichtsvoller und bedachter zu handeln.“
„Mission erfüllt!“, dürfte es angesichts solcher Worte in der woken Blase jubilieren. In Schwenningen war dieses Jahr schon Ende Januar Aschermittwoch, völlig haltlosen Blackfacing-Vorwürfen aus den Reihen der üblichen Verdächtigen sei Dank. Dass der Karneval in Deutschland aber mit einem ganz grundsätzlichen Rassismus-Problem zu kämpfen haben soll, diesen Eindruck wollte der Rapper Cossu vermitteln. „Als Halbschwarzer hatte meine Mutter immer Angst, mich zur Fasnet zu lassen“, erzählte der bürgerliche Lukas Staier dem „Schwarzwälder Boten“. Nur gut, dass es kein „Weißer“ war, der den Musiker als „Halbschwarzen“ bezeichnet hat – sondern er selbst – man mag sich die Reaktionen darauf kaum ausmalen.
Die woke Kulturrevolution frisst ihre eigenen Kinder
Auch einige hundert Kilometer weiter nördlich gab es in Hessen dieser Tage gleich doppelte Aufregung um Fälle von angeblichem Blackfacing. Beim Empfang der Fastnachtsvereine durch Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) gab sich unter anderem die Karnevalsgesellschaft Mörlau die Ehre. Die in Ober-Mörlen ansässigen Narren schickten einen als Mohr verkleideten Vertreter mit schwarz bemaltem Gesicht nach Wiesbaden – und in der Regenbogen-Blase begann es sofort heftig zu blubbern.
Was von diesen „Bessermenschen“ aber wohl keiner weiß: Das Wappen der Gemeinde Ober-Mörlen wird – was in Deutschland kein Einzelfall ist – von zwei Mohren geschmückt, weshalb dieses Symbol schon seit jeher traditioneller Bestandteil der dortigen Fastnacht ist. Mit Rassismus hat der Auftritt des „schwarzen“ Karnevalisten in Wiesbaden also nicht das Geringste zu tun. Aber unterstellen kann man es natürlich trotzdem – irgendwas wird schon hängenbleiben.
Parallel dazu veröffentlichte Tarek Al-Wazir ein Video, in dem er als „Shaun das Schaf“ zu sehen ist – und sich das Gesicht schwarz angemalt hat. Den Spitzenkandidaten der Grünen für die im Spätjahr in Hessen anstehende Landtagswahl deshalb des Blackfacings oder sonstiger Formen des Rassismus bezichtigen zu wollen, entbehrt freilich – wie in den zuvor genannten Fällen auch – jeder Grundlage.
Aber offenbar werden auch die Grünen die Geister, die sie riefen, nicht mehr los. Denn Al-Wazir musste sich allen Ernstes gegen entsprechende Vorwürfe aus der eigenen Gesinnungs-Community verteidigen. Zur Seite sprangen ihm Medien wie die FAZ, in der es als „indiskutable Entgleisung“ bezeichnet wurde, den als Schaf verkleideten Politiker in die Nähe von Rassismus zu bringen.
Historische Bezüge helfen bei der Einordnung
Der Vorwurf des „Blackfacing“ enthalte die Unterstellung des Rassismus, schreibt der Kommentator. Es werde eine „direkte gedankliche Verbindung“ hergestellt, in der sich Weiße in den USA des 18. und 19. Jahrhunderts das Gesicht mit Farbe bemalt hätten, um auf der Bühne „eine Figur mit schwarzer Haut“ darzustellen.
Damit sind offenbar Sklaven gemeint, die in einer weit zurückliegenden Zeit tatsächlich auf diese Weise verspottet und diskriminiert worden sind. Jemandem, der heute auf einer Bühne in Schwenningen ein Mitglied von „Boney M.“ mimt, als Mohr nach Wiesbaden reist oder als Schaf durch ein Video rennt, eine „direkte gedankliche Verbindung“ zu dieser dunklen Epoche in der Geschichte der USA unterstellen zu wollen, kann nur als böswillige Diffamierung bezeichnet werden.
Das sieht offenbar auch Ewald Hetrodt so, der diese Vorfälle in Hessen kommentierte. Mit Blick auf die Tatsache, dass die Ober-Mörlener Karnevalsgesellschaft alle weiteren Auftritte abgesagt hat und sich aus Angst nicht weiter dazu äußern will, kommt der Kollege zu dem Schluss: „In einer Gesellschaft, in der Menschen, die einfach nur Karneval feiern wollen, von Gesinnungspolizisten so eingeschüchtert werden können, stimmt etwas nicht.“
Wohl wahr, aber leider stellen derartige Einsichten in den Mainstream-Medien nach wie vor eine zwar löbliche, aber dennoch viel zu seltene Ausnahme dar.
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Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog. Bild: Ekaterina34/ShutterstockMehr von Kai Rebmann auf reitschuster.de