Manchmal hat man den Eindruck, es ist ganz gut, dass die großen Medien, wenn überhaupt, kritische Themen nur einzeln aufgreifen – denn würde man sie gegenüberstellen, wie das „böse“ Blogger und abtrünnige Journalisten tun, dann könnte das die Bevölkerung beunruhigen.
Das jüngste Beispiel: „EU heizt ZWEI riesige Parlaments-Gebäude – aber wir sollen bibbern“, titelte die Berliner „BZ“ am Dienstag – in einem Beitrag, den ich nur in der gedruckten Ausgabe, aber nicht online finden konnte. Die Forderung der Kollegen: „Stoppt die Energie-Heuchelei!“ Weiter ist in dem Beitrag von einem „Aufstand gegen den „Wanderzirkus“ des EU-Parlaments die Rede. Denn das tagt seit 1992 zwölfmal jährlich in Straßburg. Aus Proporz-Gründen – weil die Franzosen auch einen Parlamentssitz wollen. So fallen viele Kosten doppelt an. „Auch in dieser Woche pendelten wieder um die 5000 Personen zwischen dem Prestige-Sitz Straßburg und dem – wegen der Nähe zu Kommission und Rat viel wichtigeren Parlamentssitz Brüssel. Die Kosten summierten sich zuletzt auf 114 Millionen Euro im Jahr, der Kohlendioxid-Ausstoß auf 19000 Tonnen“, wie die BZ schreibt.
Als sei das noch nicht genug, kommt nun noch ein weiterer Irrsinn dazu, wie das Blatt beklagt: Während alle Bürger der EU im Winter brav Energie sparen sollen, während Kinder nicht mehr schwimmen lernen können, weil die Bäder nicht mehr ausreichend beheizt werden, während man uns zum Dusch-Verzicht und Umstieg auf den Waschlappen animiert, während in ersten Häusern bereits das Warmwasser rationiert wird, wird für die EU-Abgeordneten in Straßburg (660 000 Quadratmeter Bürofläche) ein zweiter Gebäude-Komplex geheizt. Auf Steuerzahler-Kosten.
Klimaschutz? Energiesparen? Alles nur für die Normalsterblichen, aber nicht für ihre Vertreter in den Parlamenten? Der EU-Abgeordnete Moritz Körner spricht von einer „Verhöhnung der Steuerzahler“ und fordert laut „BZ“, das Straßburger Parlamentsgebäude „sofort in den energiepolitischen Winterschlaf zu schicken.“ Michael Jäger vom Europäischen Steuerzahlerbund sagt dem Bericht zufolge: „Der Wanderzirkus ist ein ökologisches und ökonomisches Desaster. Hoffentlich führt die aktuelle Krise zu einem Umdenken.“
All das ist schon schwerer Tobak genug und wirklich eine Ohrfeige für den Normalverbraucher.
Aber es kommt noch dicker.
Während die Abgeordneten und ihr Hofstaat sich gleich zwei Parlamentssitze mit bis zu fast 23 Grad beheizen lassen (wie ein Foto eines Thermometers in der „BZ“ zeigt), lesen wir in der Österreichischen Zeitung „Exxpress“ folgende Schlagzeile: „Nur noch 14 Grad im Presse-Gebäude: EU zwingt Journalisten zum Frieren“. Weiter schreibt das Blatt unter Berufung auf „Publico: „Das Forum im Europagebäude, wo sich Politiker den Fragen der Presse stellen müssen, soll im Winter nur noch auf 14 Grad geheizt werden. Betroffen von der Maßnahme sind in erster Linie aber Journalisten: Während Politiker meist nur kurz Rede und Antwort stehen, wartet die Presse oft stundenlang auf deren Eintreffen. Ungemütlich könnte es jedoch nicht nur im Winter werden: Geplant ist auch, das Gebäude mit der Glasfront im Sommer nicht zu klimatisieren.“
Erstaunlich, dass niemand die beiden Meldungen zusammen bringt: Das Energie-Verprassen durch den doppelten Parlamentssitz, und die Show-Einsparung im Foyer.
Das gegenüberzustellen, ist vielleicht einfach zu entlarvend.
Weswegen ich es hier tue.
Aber das ist nach neuer Lesart ja nicht mehr kritischer Journalismus, sondern „Populismus“ und „Delegitimierung von Staatsorganen“ (was sehr nach DDR-Jargon klingt).
Aber so gut wie unsere Organe sich selbst entlarven, kann das in meinen Augen kein anderer.
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