„Dieses Strafverfahren ist ein politisches Verfahren“ Prozess gegen Sensationsrichter Dettmar vertagt

Von Kai Rebmann

Am Dienstag hätte vor dem Landgericht Erfurt der von vielen Beobachtern mit Spannung erwartete Prozess gegen den Sensationsrichter Christian Dettmar beginnen sollen. Bis Anfang Juli waren insgesamt zehn Verhandlungstage angesetzt. Eigentlich. Doch wenige Tage vor dem Auftakt verkündete das Gericht am vergangenen Freitag die Vertagung auf den 15. Juni 2023.

Als Grund wurde die Bestellung eines weiteren Verteidigers zur Verfahrensabsicherung genannt. Dettmar wird bereits durch den Wahlverteidiger Gerhard Strate vertreten. Da dieser aber aus Hamburg kommt, bestellte das Gericht als Pflichtverteidiger zudem Peter Tuppat, einen Rechtsanwalt aus dem nähergelegenen Jena.

Darüber hinaus sehen Juristen die Vertagung des Prozesses gegen Dettmar auch aus verfahrenstechnischen Gründen als sinnvoll an. Aktuell ist vor dem Oberlandesgericht Jena noch ein Beschwerdeverfahren in dieser Sache anhängig, dessen Ausgang eine durchaus relevante Bedeutung für das Verfahren in der Hauptsache beigemessen wird.

Worum geht es?

Mit Beschluss vom 8. April 2021 hat Christian Dettmar am Amtsgericht Weimar entschieden, dass unter anderem das Tragen von Masken während des Unterrichts und die verpflichtende Teilnahme an Schnelltests eine Gefährdung des Kindeswohls im Sinne von Paragraf 1666 BGB darstellt. Als einzige rechtfertigende Maßnahme erkannte das Gericht das regelmäßige Lüften der Klassenzimmer an. Im konkreten Fall hatte Dettmar in einer Familiensache zu entscheiden, nachdem die Mutter zweier Kinder ein Verfahren nach Paragraf 1666 BGB angeregt hatte.

Zum vermeintlichen Skandal wurde der Beschluss vor allem deshalb, weil der Beschluss nicht nur für die beiden betreffenden Kinder gelten sollte, sondern dessen Gültigkeit durch den Familienrichter auf alle Kinder zweier Schulen ausgeweitet wurde. Die Staatsanwaltschaft sah aus diesem und weiteren Gründen den Tatvorwurf der Rechtsbeugung und weiterer Vergehen als erfüllt an, reitschuster.de berichtete bereits mehrfach über den Fall.

Zu einem ganz anderen Ergebnis kommt allerdings das „Netzwerk kritischer Richter und Staatsanwälte“. Die Juristen haben die 62 Seiten umfassende Anklageschrift einer eingehenden Prüfung unterzogen und kommen in einer am 16. April 2023 veröffentlichten Erklärung zu dem Ergebnis, dass der Vorwurf der Rechtsbeugung kaum zu halten sein dürfte.

In ihrem Fazit halten die Experten deshalb fest: „Dieses Strafverfahren ist ein politisches Verfahren: Das Ermittlungsverfahren fällt in die Hochzeit der Corona-Krise, die von Beginn an von einer extremen Diskursverengung und der Ausgrenzung von Kritikern der Corona-Politik aus dem gesellschaftlichen Diskurs geprägt war.“

Mit anderen Worten: Vor dem Landgericht Erfurt soll offenbar ein politisch motivierter Schau-Prozess stattfinden und damit etwas, das man normalerweise nur aus totalitär beherrschten Ländern kennt. Aber schauen wir uns im Detail an, wie die kritischen Richter und Staatsanwälte zu ihrem für die deutsche Justiz wenig schmeichelhaften Urteil kommen.

Rechtsbeugung im Sinne von Paragraf 339 StGB

Die Juristen stellen unter Bezugnahme auf den Gesetzestext fest, dass dort nicht abschließend geregelt sei, was genau unter „Rechtsbeugung“ zu verstehen ist. Klar sei dagegen nur, dass es sich dabei um einen elementaren bzw. schwerwiegenden Rechtsverstoß durch einen Richter oder vergleichbaren Amtsträger handeln muss und dass dieser vorsätzlich begangen werden muss. Eine fahrlässige Rechtsbeugung oder Ähnliches kennt das Strafgesetzbuch demnach nicht.

Weitere Voraussetzung für das Vorliegen einer Rechtsbeugung sei zudem, dass durch den Verfahrensverstoß „zumindest die konkrete Gefahr einer falschen Entscheidung zum Vor- oder Nachteil einer Partei begründet wurde“, wie das Netzwerk ausführt. Für einen Richter, der sich vor Gericht wegen des Vorwurfs der Rechtsbeugung verantworten muss, gehe es immer auch um die berufliche Existenz. Dies deshalb, da der Strafrahmen bei einem Jahr Freiheitsstrafe beginnt, was bei einer Verurteilung zwangsläufig auch die Beendigung jedes Beamtenverhältnisses zur Folge hat.

Zuständigkeit des Familiengerichts

Die Staatsanwaltschaft Erfurt begründet ihren Tatvorwurf insbesondere damit, dass Richter Dettmar das Verfahren an sich gezogen habe, ohne sachlich dafür zuständig gewesen zu sein, und er dies auch gewusst habe. Im April 2021 leitete die Behörde daher ein entsprechendes Verfahren ein, wobei es damals noch ausschließlich um den Vorwurf der Rechtsbeugung gegangen war. Alle weiteren Anschuldigungen gegen Richter Dettmar kamen erst später hinzu.

Der Beklagte, so die Ermittler, sei nicht dazu befugt gewesen, die in seinem Beschluss getroffenen Anordnungen an die beiden Schulen zu verfügen. Stattdessen wäre das Verwaltungsgericht zuständig gewesen, weshalb Dettmar das Verfahren hätte abgeben müssen. Nur auf Basis dieses Vorwurfs erwirkte die Staatsanwaltschaft Erfurt bereits am 22. April 2021 einen Durchsuchungsbeschluss, der vier Tage später in den Privat- und Diensträumen von Richter Dettmar und dessen Umfeld vollstreckt wurde.

Ganz so klar, wie die Staatsanwaltschaft Erfurt das sieht, scheint die Frage der Zuständigkeit aber nicht zu sein. In den darauffolgenden Wochen und Monaten regten mehrere Eltern in ganz Deutschland ähnliche Verfahren nach Paragraf 1666 BGB an und nahmen den „Präzedenzfall“ aus Weimar offenbar als Vorbild. Das Verwaltungsgericht Münster hat in gleich zwei solcher Fälle seine Zuständigkeit verneint und gab dazu eine bemerkenswerte Begründung ab: Den Anträgen der Eltern sei ausdrücklich zu entnehmen, dass ihr Rechtsschutzinteresse speziell auf ein familiengerichtliches Einschreiten gerichtet sei. Dieser Rechtsauffassung schloss sich am 21. Juni 2021 unter anderem auch das Bundesverwaltungsgericht an.

Dennoch blieb die Staatsanwaltschaft Erfurt bei ihrem Tatvorwurf und berief sich dabei auf den Bundesgerichtshof. Dieser hat im Gegensatz zu den vorgenannten Entscheidungen angenommen, dass die Zuständigkeit bei den Verwaltungsgerichten gelegen hätte – sehr zum Erstaunen der kritischen Richter und Staatsanwälte: „Dass das Bundesverwaltungsgericht genau entgegengesetzt entschieden hatte, wurde vom Bundesgerichtshof dabei unterschlagen. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts wird sogar wiederholt als Beleg für eigene Aussagen zitiert, dass das Bundesverwaltungsgericht aber die Auffassung vertreten hat, dass keine öffentlich-rechtliche Streitigkeit vorliege, wird verschwiegen.“

Staatsanwaltschaft präsentiert weitere Tatvorwürfe

Im Laufe des Verfahrens weitete die Staatsanwaltschaft ihre Vorwürfe gegen Christian Dettmar auf mindestens acht Verfehlungen aus. Wohl auch, so die Vermutung des Netzwerks der kritischen Richter und Staatsanwälte, weil die Behörde befürchten musste, dass sich der Vorwurf der Rechtsbeugung für sich genommen nicht würde halten lassen. So habe man „buchstäblich jeden Stein in dem Verfahren umgedreht, um zu sehen, ob sich darunter nicht zumindest ein kleiner Rechtsfehler entdecken lässt.“

Unter anderem soll Richter Dettmar das ursprüngliche Verfahren in Weimar willkürlich in die Länge gezogen und eine eigene Befangenheit nicht angezeigt haben. Letzteres wäre aus Sicht der Ermittler insbesondere deshalb geboten gewesen, weil der Beklagte im Rahmen einer vermeintlichen „Vorbefassung“ bewusst drei Gutachter bestellt habe, von denen bekannt gewesen sei, dass sie maßnahmenkritisch eingestellt sind. Dabei handelte es sich um Prof. Ines Kappstein, Prof. Ulrike Kämmerer und Prof. Christof Kuhbandner. Das „Verbrechen“ der Experten: Sie sind allesamt Mitglieder des Vereins Mediziner und Wissenschaftler für Gesundheit, Freiheit und Demokratie e.V. (MWGFD).

Staatsanwaltschaft braucht einen Schuldspruch

Zwischen den Zeilen der Erklärung der kritischen Richter und Staatsanwälte wird immer wieder deutlich: Die Staatsanwaltschaft Erfurt kann sich eine Niederlage vor Gericht kaum erlauben, sie braucht einen Schuldspruch gegen Richter Christian Dettmar.

Die Juristen bescheinigen den Ermittlern in Thüringen, sich bemüht zu haben, „eine Geschichte des Beschlusses vom 08.04.2021 zu schreiben, bei der das Handeln des verfahrensführenden Richters unter den Tatbestand des Paragrafen 339 StGB subsumiert werden kann.“ Ferner hätten sie dabei einen „beachtlichen Aufwand“ betrieben. Denn: „Nicht nur bei Richter Dettmar, sondern auch bei den drei Sachverständigen und bei fünf Zeugen wurden Wohnungen und Diensträume durchsucht. Anschließend erfolgte eine monatelange Auswertung der sichergestellten Laptops und Telefone durch die Polizei.“

Man muss solche Sätze tatsächlich zweimal lesen. Was die kritischen Richter und Staatsanwälte hier beschreiben ist nichts anderes als eine staatlich betriebene Einschüchterung von Gutachtern und Zeugen. Jeder an einen ähnlichen Verfahren Beteiligte – sei es als Richter, Staatsanwalt, Gutachter oder Zeuge – wird sich angesichts solcher Vorgänge künftig dreimal überlegen, wie er entscheidet oder was er aussagt.

Wichtiger Hinweis: Trotz des relativ großen Umfangs dieses Artikels ist es dabei kaum möglich, auf alle spezifischen Besonderheiten des vorliegenden Falles einzugehen. Das Netzwerk kritischer Richter und Staatsanwälte, bei dem auch die fachliche Expertise für alle Detailfragen liegt, hat ihre Erklärung daher im Internet veröffentlicht. Diese kann hier in voller Länge eingesehen werden.

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Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.

Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.

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