Von Kai Rebmann
Mancher Beobachter wird sich am Donnerstag beim Blick auf die Tagesordnung der Ratsversammlung im Neuen Rathaus zu Hannover leicht irritiert die Augen gerieben haben. „Dringlichkeitsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen + Volt + Piratenpartei: AfD-Verbotsverfahren jetzt einleiten“, stand da unter anderem zu lesen.
Und weiter: „Der Rat der Landeshauptstadt Hannover fordert das Land Niedersachsen und den Bund auf, ein Verbotsverfahren gegen die AfD einzuleiten. Zudem wird die Landeshauptstadt Hannover über den niedersächsischen sowie deutschen Städtetag Unterstützung für ein solches AfD-Verbotsverfahren bei anderen Kommunen suchen, um sich gemeinsam mit ihnen an die jeweiligen Länder und den Bund zu wenden.“
Nun muss man wahrlich kein studierter Politikwissenschaftler sein, um zu wissen, dass derartige Fragestellungen fernab jeder Zuständigkeit eines Stadtrats liegen. Wohl nicht zuletzt deshalb sprangen die Fraktionen von SPD, CDU und FDP mit einem „Gemeinsamen Änderungsantrag“ in die Bresche und formulierten das Ansinnen ihrer grün-linken Kollegen so um, dass es nicht mehr ganz so sehr von purer Ideologie geleitet klang:
Einerseits sollten das Land Niedersachsen und der Bund jetzt zwar nicht mehr ultimativ „aufgefordert“ werden, ein AfD-Verbotsverfahren einzuleiten, sondern ein solches lediglich „prüfen“. Was diese aber ohnehin seit Jahren machen und das Ganze wohl nicht zuletzt deshalb nicht gemacht wird, weil es schlicht keine Aussicht auf Erfolg zu haben scheint.
Andererseits gingen SPD, CDU und FDP aber sogar noch einen, oder besser gesagt zwei Schritte weiter. Neben einem Verbotsverfahren gegen die AfD soll nach deren Willen zusätzlich der Ausschluss der AfD von der Parteienfinanzierung sowie ein Verbot der Jungen Alternativen geprüft werden. Auch darüber zerbrechen sich die Altparteien und alle „demokratischen Institutionen“, die etwas auf sich halten, schon längst den Kopf – ohne dass es hierzu einer besonderen Aufforderung aus Hannover bedurft hätte.
‚Begründung‘ wird zur Behauptung
Beide Anträge wurden wie folgt begründet: „Die AfD geht gezielt vor, um die Grundpfeiler der freiheitlich-demokratischen Grundordnung zu beseitigen. Sie zeigt als Gesamtpartei eine rassistische, national-völkische Ausrichtung und spricht sich damit gegen die in Artikel 1 GG verankerte Menschenwürde aus.“ Dies ergebe sich unter anderem „aus der Programmatik der Partei“, wie es weiter heißt.
Konkrete Belege für diese Behauptungen bleiben die Antragsteller schuldig. Stattdessen wird die inzwischen schon altbekannte Leier angestimmt: „Die beim Treffen in Potsdam genannten Ziele von ‚Remigration‘ und ‚Deportation‘ von Millionen in Deutschland lebenden Menschen in ein als ‚Musterstaat‘ bezeichnetes Gebiet stehen im klaren Widerspruch zu Artikel 1 GG und sind klar verfassungsfeindlich.“
Wohlgemerkt, auch hierfür – jedenfalls, dass sich ein anwesendes AfD-Mitglied im behaupteten Wortlaut geäußert hätte – fehlt bis heute jeder Beleg. Dennoch beharren die Antragsteller auf ihrer Forderung: „Unsere wehrhafte Demokratie kann und muss sich gegen die AfD als verfassungsfeindliche Partei durch ein vom Bundesverfassungsgericht ausgesprochenes Parteiverbot gemäß Artikel 21 GG schützen.“
Und so haben die „wehrhaften Demokraten“ aus Hannover schließlich abgestimmt: Die Abgeordneten von Grünen, Volt, Piratenpartei, SPD, CDU und FDP stimmten dafür, die Linke enthielt sich und die AfD stimmte dagegen. So weit, so erwartbar – praktische Auswirkung: gleich null!
Ukraine, Naher Osten, Weltfrieden – Hannover, bitte übernehmen!
Angesichts dieses historischen Beschlusses, der am Donnerstag im Neuen Rathaus gefällt wurde, stellt sich fast zwangsläufig die Frage, welches bisher ungelöste Problem der Weltpolitik der Stadtrat von Hannover als Nächstes angehen will. Den NATO-Beitritt der Ukraine? Eine Zwei-Staaten-Lösung für den Nahen Osten? Man darf wirklich gespannt sein …
Und tatsächlich: In einem weiteren Punkt der Tagesordnung stellten CDU, SPD, Grüne, FDP und ein fraktionsloser Einzelvertreter den „Antrag zur Städtefreundschaft/-partnerschaft mit einer israelischen Stadt“, wobei „inhaltliche Ausgestaltung und Finanzierung“ noch zu prüfen seien.
Der moderne Staat Israel ist bald 75 Jahre alt, die Stadt Hannover noch um ein Vielfaches älter. Die Möglichkeit zum Eingehen einer solchen Partnerschaft besteht also schon seit geraumer Zeit. Dass dies aber ausgerechnet jetzt geschehen soll, ist natürlich kein Zufall. Selbst die Antragsteller räumen ein, dass ihre Forderung vor allem „symbolischen Charakter“ habe.
Für die Bürger in der Landeshauptstadt dürfte sich angesichts einer solchen Tagesordnung aber eine ganz andere Frage stellen: Wann wollen sich die Ratsherren in Hannover eigentlich wieder mehr um die alltäglichen Probleme der Menschen vor Ort kümmern, anstatt sich mit reiner Symbolpolitik zu beschäftigen?
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Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.
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