Es gibt keine Corona-Leugner, nur arrogante Minister! Diffamieren statt diskutieren

Ein Gastbeitrag von Vera Lengsfeld

Der Thüringer Innenminister Georg Maier (SPD) hat es tatsächlich gesagt: „Corona-Leugner“ seien konsequent dem rechtsextremen Spektrum zuzuordnen. Dies schlussfolgert er messerscharf aus dem vom Verfassungsschutz und Bundesinnenministerin Faeser vorgestellten neuen Verfassungsschutzbericht 2021.

Das ist aus meiner Sicht eine brandgefährliche Entwicklung, denn mit arroganter Selbstverständlichkeit werden hier völlig sinnfreie Kategorien („Leugner“) von einem Innenminister verwendet, um damit praktisch weite Teile der kritischen Öffentlichkeit unter Verdacht zu stellen. Was soll ein Corona-Leugner gemäß Minister Maier sein? Gibt es tatsächlich Menschen, die die Existenz des SARS-Cov 2-Virus „leugnen“ und behaupten, es gebe die Infektionen, die positiven Testergebnisse, die Krankheitssymptome, die meist milden, manchmal auch schwereren und schweren Verläufe gar nicht? Kaum. Ich kenne keinen.

Was es aber in großer Zahl gibt, sind Kritiker willkürlicher politischer Corona-Maßnahmen. Da kenne ich sehr, sehr viele. Und zu denen gehöre ich auch. Die werden mehr, wenn die Regierung sich weiter weigert, die Corona-Maßnahmen zu evaluieren, die sie droht, im Herbst wieder zu verhängen. Aktuell fordert der Präsident der Bundesärztekammer Reinhardt, eine bessere Datengrundlage für die Bewertung der Corona-Maßnahmen und spricht von einem „Datenblindflug“ in den letzten zweieinhalb Jahren. Ist er jetzt ein Corona-Leugner und Rechtsextremist?

Das Beispiel zeigt, wie absurd es ist, um kein treffenderes Wort zu gebrauchen, wenn ein Innenminister eine Kritik an Regierungshandeln mit dem Diffamierungs- und tendenziell Zersetzungsvorwurf „Leugnung“ vermengt! Was ist das für eine Regierung, die ihre Kritiker pauschal als offenkundig geistig minderbemittelt und deshalb extrem und nicht ernst zu nehmen abstempelt?

Warum traut sich ein Georg Maier so etwas? Auch in den Medien wird ja die „Leugnungs“-Denunziation in einer Weise verwendet, als ob es sich um eine selbstverständliche, sachliche Kategorie handeln würde.

Ich fürchte, dass viele Kritiker der Regierung und ihre Berater sich hier in eine Falle locken lassen haben: Man muss nämlich ständig und immer wieder das Negativ-Framing zurückweisen und darf auf keinen Fall sich selber in den Medien als „Leugner“ bezeichnen lassen. Nicht mal spaßeshalber, wie ich selbst erfahren habe.

Dafür braucht man auch nicht unbedingt einen Anwalt bemühen, es reicht völlig, wenn man diese üble politische Nachrede konsequent medial und politisch zurückweist. Und vor allem nicht selbst wiederholt, erst recht nicht im Rechtfertigungsmodus!

Es muss sich niemand rechtfertigen, denn ein Innenminister Maier muss in einem freien Land erklären, welche Aussage oder Handlungen in seiner Vorstellung einen Bürger in einen „Leugner“ verwandeln.

Es kann leider auch kein ironisches Spiel mit dem Framing der anderen Seite geben, auch und gerade in Runden, wo man vermeintlich „unter sich“ ist und deshalb eine „hier können wir ja offen reden“-Haltung einnimmt. Dafür gibt es mittlerweile viel zu viele Freizeitdenunzianten oder -spione. Und vor allem auch Provokateure, ob selbstermächtigt oder im Auftrag von z.B. Aktivisten.

Man muss es aushalten, dass, wenn man Regierungspolitik kritisiert, auch kräftig Gegenwind bekommt, meist mit moralisch aufgeladen Phrasen, statt mit Argumenten.

Die Antwort sollte dann aber nicht mit den gleichen Mitteln erfolgen, sondern durch die besseren Argumente oder zumindest die klarere politische Haltung. Moralismus mit noch mehr Moralismus zu kontern, ist immer falsch.

Und völlig unnötig: In der Demokratie ist es selbstverständlich, dass ein Vorschlag mit einem besseren Vorschlag gekontert werden kann. Noch mehr gilt dies für schlechte Vorschläge und Maßnahmen. Und erst recht für schlechte Politik.

Die Zeiten der Alternativlosigkeit sind vorbei, Minister Maier: Wenn Sie in Thüringen tatsächlich jemanden finden, der die Existenz von SARS-Cov 2 (oder des Klimawandels, der sich in den Jahrhunderten und Jahrtausenden der Erdgeschichte immer wieder ereignet hat) „leugnet“, wenn Sie, Minister Maier, also tatsächlich einen finden, der die Erde für eine Scheibe hält, dann kann mit diesem Unikum gerne auch die Statistik rechts aufgepeppt werden. So viel politischen Freiraum haben Sie als zuständiger Minister. Ich wette aber einiges, dass die Ausbeute sehr, sehr mager sein dürfte.

Was Sie aber nicht haben, Herr Innenminister, ist das Recht eine völlig sinnfreie, diffamierende Pauschalkategorie („Leugner“) zu erfinden und noch weniger diese dann gegen kritische Bürgerinnen und Bürger einzusetzen.

David
Diejenigen, die selbst wenig haben, bitte ich ausdrücklich darum, das Wenige zu behalten. Umso mehr freut mich Unterstützung von allen, denen sie nicht weh tut!

Vera Lengsfeld, geboren 1952 in Thüringen, ist eine Politikerin und Publizistin. Sie war Bürgerrechtlerin und Mitglied der ersten frei gewählten Volkskammer der DDR. Von 1990 bis 2005 war sie Mitglied des Deutschen Bundestages, zunächst bis 1996 für Bündnis 90/Die Grünen, ab 1996 für die CDU. Seitdem betätigt sie sich als freischaffende Autorin. 2008 wurde sie mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande geehrt. Sie betreibt einen Blog, den ich sehr empfehle. Der Beitrag erschien zuerst auf Vera Lengsfelds Blog.

Bild: Shutterstock
Text: Gast

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