„Schau dir das mal an – Deutschland verabschiedet sich – allein dafür ist der letzte Platz verdient. Wir machen uns nur zum Gespött!“ Mit diesen Worten schickte mir gerade eine gute Freundin, verbeamtet ganz aus der Mitte der Gesellschaft, einen Link zu einem Video, auf dem sich alle Teilnehmer des ESC stolz mit ihrer Nationalflagge zeigen – bis auf die Deutschen. Die schwenken die Regenbogenflagge. Mehr noch: Zu Beginn der Show liefen alle Teilnehmer in den Saal ein und schwenkten dabei ihre Landesfahnen. Nur die deutsche Gruppe „Lord Of The Lost“ verzichtete auf eine Flagge.
Alle Teilnehmer des #ESC2023 zeigen stolz ihre Nationalflagge, nur die Verlierer aus Deutschland schwenken die Regenbogenflagge.
Die jahrelange Gehirnwäsche hat offensichtlich funktioniert.pic.twitter.com/IBNaSQuZiE
— Georg Pazderski (@Georg_Pazderski) May 14, 2023
Eine russische Freundin, der ich den Link weiterschickte, kommentierte ihn wie folgt: „Oh Gott! Wie krank ist das denn!“ Das ist noch die gutmütige Übersetzung ihrer russischen Originalausgabe. Kurz vor dem ESC hatten die deutschen Musiker erklärt, sie würden sich wünschen, dass alle Länder unter neutraler Flagge auftreten und dies ein Musikwettbewerb ohne Nationen wäre, denn Grenzen seien „sowieso alle menschengemacht“. Mit der gleichen Logik könnte man auch ohne Musikinstrumente auftreten – die ebenfalls menschengemacht sind.
Tatsächlich bietet die Fahnen-Posse der Deutschen einen Erklärungsansatz für das Abschmieren der Gruppe: Aus der Psychologie ist bekannt, dass diejenigen, die sich selbst nicht lieben, auch weniger geliebt werden. Hämisch zugespitzt könnte man zudem sagen: Wenn die Gruppe auf die deutsche Fahne verzichtete bzw. mit Regenbogenfahne auftrat, machte sie es damit Juroren und Zuschauern sehr viel schwieriger, sie richtig zuzuordnen und ihre Stimmen für sie abzugeben.
Mein musikalischer Fachverstand ist gering und deshalb ist es nur eine unbedeutende Privatmeinung, dass ich mir nach Ansehen des Lieds der deutschen Gruppe sagte: Oh Gott, das kann nur in die Hose gehen. Falsche Aufmachung, falscher Stil – so meine Meinung als unwissender Laie, ohne Anspruch auf Richtigkeit. Für mich wirkte der Auftritt der Gruppe grell und schrill, fast wie eine musikalische Fortsetzung von Ampel, Gender- und Trans-Agenda.
Suche nach Sündenböcken
Aber wenn sowohl die Fachjurys aus den anderen Ländern als auch die Zuschauer dort das ähnlich sahen, ist meine Einschätzung vielleicht gar nicht so falsch. Umso erstaunter bin ich von den Reaktionen aus Deutschland, wie sie den Medien zu entnehmen sind. Statt Selbstkritik Aggressivität. Schuld sind die anderen.
Die „Bild“ titelt: „ESC-Pleite: Ist es cool, uns Deutsche DOOF zu finden?“ Und das Blatt zitiert Thomas Gottschalk: „Bei aller Liebe, aber wir werden vom Rest Europas doch inzwischen verarscht, was die Bewertung beim ESC betrifft. Die mögen uns einfach nicht.“ Offen gestanden – wenn ich mich hier von etwas verarscht fühle – verzeihen Sie, dass ich die derbe Sprache der „Bild“ übernehme, dann von der „Bild“ bzw. von Thomas Gottschalk.
Der Sieg von Lena Meyer-Landrut 2010 mit „Satellite“ hat bewiesen, dass Deutschland gewinnen kann – wenn es den Geschmack trifft. Und nicht so grell und schrill. Die „Bild“ schreibt dazu: „Im Netz herrscht breite Resignation. ESC-Gucker tippen sich die Finger wund, verstehen auch nicht, warum wir uns DAS eigentlich noch antun.“
Zitiert werden dann Stimmen von Twitter, die antideutsche Ressentiments verantwortlich machen für das schlechte Abschneiden: „Deutschland könnte Paul McCartney ins Rennen schicken und würde beim ESC 2023 trotzdem auf den hinteren Plätzen landen.“ Oder: „Deutschland könnte Michael Jackson reanimieren, Elvis exhumieren und mit den Rest-Beatles kreuzen. Es wären trotzdem #null #punkte in der #Eurovision.“
Gottschalk fordert gar: „Die ARD muss nach diesen ganzen Pleiten einfach den Geldhahn zudrehen. Ohne Gold kein Glitter!“ Das muss man sich mal vorstellen! Nach der Logik könnten wir dann nur noch an internationalen Wettbewerben teilnehmen und diese übertragen, wenn wir auch unter den Siegern sind.
Realitätsresistenz
Das ist schlicht Größenwahn – nur in neuem Gewand. Die Fußball-WM und die Diskussion um Nancy Faesers Regenbogen-Armbinde lassen grüßen. Auch die Selbstüberschätzung im Vorfeld samt Realitätsresistenz haben ähnliche Ausmaße.
Und vor allem ist es eine totale Verdrängung. Es liest sich wie Realsatire, wenn der Norddeutsche Rundfunk nach der Pleite verkündet, er wolle Ursachenforschung betreiben. Die erste Einschätzung des öffentlich-rechtlichen Senders laut „Bild“: „Eine erneute Reform des Auswahlverfahrens dürfte wenig ändern. Es wurde bereits alles ausprobiert. Mal legten angebliche Fachleute den Teilnehmer fest, dann die Zuschauer, zuletzt eine Mischung aus Jury und Zuschauern. Genutzt hat es nie etwas.“
Dass dies nur logisch ist, weil Jury und Zuschauer den politisierten Zeitgeist widerspiegeln – auf diese Idee scheint beim NDR niemand zu kommen. Genauso wenig wie darauf, dass es uns Deutsche eben nicht beliebt macht bei unseren nahen und fernen Nachbarn, wenn wir glauben, im Alleingang die Welt bzw. deren Klima zu retten, dabei die Nase rümpfen über die anderen und sie belehren, wie sie zu leben (oder zu heizen) haben. Wohl noch wichtiger aber ist, dass kaum jemand andere mag, die sich selbst verleugnen. Womit wir wieder beim Anfang dieser Geschichte und der Regenbogenfahne statt der deutschen wären…
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