Experten fordern: Ende der „Hysterisierung“ in der Corona-Diskussion Warnung vor "para-autoritärer Gesellschaft"

Es sind Töne, die Mut machen, die jetzt 16 Experten in einer umfangreichen Untersuchung veröffentlicht haben. Ihr Ziel: Die „aufgeladene öffentliche Debatte zu Covid-19 versachlichen, ins Verhältnis setzen und so in einen gesamtgesellschaftlichen Kontext bringen“. Es gehe um „eine Bestandsaufnahme“ der bisherigen Corona-Politik. Ziel sei es, den Blick in die Zukunft zu richten, sagte die Politikwissenschaftlerin Ulrike Guérot der Berliner Zeitung: „Wir müssen verhindern, dass wir im Herbst wieder in eine Situation schlittern, in der hektisch und ohne Differenzierung Maßnahmen beschlossen werden, die zu einem gesellschaftlichen Ausnahmezustand führen.“

Um dieses Ziel zu erreichen, müsse die „Hysterisierung“ aus der Diskussion genommen werden, so die Wissenschaftlerin. Das Virus dürfe „nicht zum Vorwand genommen werden, um unsere Rechtsordnung zu verschieben“. Im Vorfeld der politischen Entscheidungen müsse es „einen Raum für legitime Kritik geben“, forderte Guérot im Gespräch mit der Zeitung. Sie mahnt: „Wenn wir Andersdenkenden grundsätzlich unterstellen, dass sie von niederen Motiven geleitet seien, dann bewegen wir uns auf eine para-autoritäre Gesellschaft zu.“

Trefflicher kann man den Ungeist, der in weiten Teilen von Politik und Medien in Deutschland um sich gegriffen hat, kaum beschreiben. Wer auch nur wagt, Corona-Kritiker zu zitieren, läuft Gefahr, diffamiert und ausgegrenzt zu werden. Gewöhnlich sind solche Zustände mit so einer extremen Polarisierung und Entmenschlichung von Andersdenkenden in Demokratien allenfalls im Kriegszustand zu beobachten. Umso erschreckender ist, wie schnell Politik und Medien in Deutschland in diesen Modus verfielen, und wie unreflektiert große Teile von ihnen darin verharren – auch wenn immer mehr die Kraft finden, sich zu distanzieren, wie kürzlich der „Linken“-Politiker Oskar Lafontaine.

Der Vorsitzende des Berufsverbandes Deutscher Präventologen, Ellis Huber, einer der Autoren der Dokumentation, sagte dem Blatt zufolge, es gehe darum, der Bevölkerung durch eine sachliche Debatte „die Angst zu nehmen, um die Spaltung in der Gesellschaft zu überwinden“. Dazu sei es notwendig, einen rationalen Diskurs zu führen, der die Extreme „der völligen Leugnung auf der einen und die maximale Dämonisierung auf der anderen Seite“ in ihrer Dominanz zurückdrängt. Solche bedächtigen, vernünftigen Worte sind leider schon zu einer Rarität geworden im Diskurs in Medien und Politik. Auch wenn eine „völlige Leugnung“ von Corona nur relativ selten anzutreffen ist und es sich dabei in vielem um eine Schimäre handelt, die sorgsam errichtet wurde, als abschreckendes Beispiel.

Huber sagte laut „Berliner Zeitung“ weiter, der Diskurs trage wegen der Extreme „infantilistische Züge, die von unterwürfiger Anpassung bis zu vorpubertärer Auflehnung“ reichen. Mir persönlich spricht er damit aus der Seele; ich habe intuitiv schon mehrfach von infantilen Zügen in der Debatte gesprochen, allerdings ohne wissenschaftliche Untermauerung, aus dem Gefühl heraus. Nicht völlig teile ich Hubers Optimismus – er sieht die Vorzeichen laut dem Blatt günstig, dass eine respektvolle Diskussion möglich sei, weil auch die politisch Verantwortlichen derzeit „eher auf das Zusammenführen als auf das Spalten eingestellt“ seien. Eine Forderung Hubers halte ich für sehr vernünftig: Die Ärzte müssten „von der Politik mehr Verantwortung übertragen bekommen“. Sie seien dazu in der Lage, räumt Huber ein. Nur würden viele Ärzte dabei gebremst, „weil das Honorarsystem die falschen ökonomischen Anreize setzt“.

Der Münchner Kinderarzt Martin Hirte, der ebenfalls zu den Autoren gehört, fordert laut „Berliner Zeitung“, die politischen Entscheidungsträger müssten eine umfassende Beratung konsultieren: „Wir brauchen einen Runden Tisch, um über die notwendigen Maßnahmen zu diskutieren.“ Genau das meiden Politik und die ihr nahestehenden Wissenschaftler wie Drosten bisher aber wie der Teufel das Weihwasser. Auch auf meine Frage in der Bundespressekonferenz nach einem solchen Dialog auch mit Kritikern antwortete Drosten gar nicht und Spahn ausweichend.

Es sei vor allem notwendig, die Ärzte in Entscheidungen besser einzubeziehen, sagte Hirte laut der Zeitung: Es reiche nicht aus, sich nur auf die Impfung zu verlassen. Diese sei zwar „sicher nicht wirkungslos“, aber in ihrer Nachhaltigkeit unklar und bei Kindern und Jugendlichen fragwürdig. Weiter schreibt die „Berliner Zeitung“: „Hirte kritisiert in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass viele Studien zu den Impfstoffen ‚vorzeitig beendet wurden und daher keine verlässlichen Daten mehr liefern können‘. Eine genauere Kenntnis von Wirkung und Nebenwirkungen sei jedoch für zielgerichtete Impfungen und für die informierte Impfentscheidung unerlässlich: ‘Es fehlen uns entscheidende Informationen über die Impfung, damit wir unsere Patienten angemessen aufklären können.‘“

Die Anwältin Jessica Hamed erwartet dem Bericht zufolge, dass sich die Gerichte nach anderthalb Jahren Corona-Krise nicht nur formal, sondern auch sachlich mit den Maßnahmen auseinandersetzen. Sie müssten „überprüfen, wie sich die Sachlage tatsächlich darstellt. Sie können nicht einfach wiederholen, was in der Tagesschau gesendet wurde. Es reicht auch nicht, wenn die Gerichte sinngemäß sagen, alles, was das Robert Koch-Institut behauptet, ist eine unumstößliche Wahrheit.“ Auch das ist eine sehr vernünftig klingende Forderung. Ebenso wie die Analyse des Ist-Zustandes durch Hamed überzeugt: Bisher hätten die Gerichte die Sach- und damit Rechtsaufklärung im Ergebnis „blockiert“. Hamed laut „Berliner Zeitung“: „Es muss mindestens ein Musterhauptverfahren durch alle Instanzen geführt werden, um Rechtssicherheit, aber auch Tatsachensicherheit – soweit möglich – zu erlangen; davon würden nicht nur die Antragstellenden, sondern letztlich die gesamte Gesellschaft profitieren.“

Die Initiative der 16 Experten macht Mut. Vielleicht gelingt es allmählich doch noch gemäßigten Kräften, die Oberhoheit über die Corona-Debatte zu gewinnen. Allzu lautstark sind die Panikmacher und die „Corona-Heulbojen“ (Oskar Lafontaine über Karl Lauterbach). Aktuell ist das wieder bei Twitter zu sehen. Dort wird von den üblichen Verdächtigen massiv gegen CDU-Chef Armin Laschet gehetzt, weil dieser auf Lockerungen setzt. Es wird dort der Eindruck erweckt, Laschet sei damit für eine neue Welle und somit auch für viele neue Todesfälle verantwortlich bzw. nehme diese billigend in Kauf. Die Diskussion bestätigt haargenau die Diagnose der Experten – infantilistische Züge inklusive.

Hier finden sie das Papier der Experten.

 


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Bild: Shutterstock
Text: br


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