„Reitschuster gehört nicht in die Bundespressekonferenz“ Wenn Journalisten die Regierung vor kritischen Journalisten beschützen wollen

Bin ich zu kritisch? Nein, diesmal meine ich damit gar nicht meine Fragen in der Bundespressekonferenz. Ich meine meine Einstellung dazu, wenn Journalisten fordern, dass andere Journalisten keinen Zugang mehr zu (Bundes-)Pressekonferenzen mit der Regierung erhalten sollen. Und damit faktisch ein Berufsverbot verlangen. Mich erinnert das an finstere Zeiten. Wobei Kollegen haargenau die gleiche Assoziation hatten. Freiheitliche Demokratien und pluralistische Gesellschaften zeichnen sich genau dadurch aus, dass solche Forderungen eigentlich undenkbar sind. Zu Zeiten der alten Bundesrepublik war selbst der Korrespondent des „Neuen Deutschland“, des SED-Zentralorgans der DDR, Mitglied der Bundespressekonferenz. Umso befremdlicher ist es, was sich heute genau dort tut. Aber stopp. Warum soll ich Ihnen meine Meinung zuerst vortragen? Ich bringe Ihnen hier einfach ein Wortprotokoll der Aussagen, die Tilo Jung von „Jung und Naiv“ gestern auf den Mitteldeutschen Medientagen gemacht hat. Dann können Sie sich selbst ein Bild machen. Und hier mein Video mit dem Auftritt im Original und meinen Kommentaren sehen.

Moderatorin:
Tilo, Sie sind, ich hab Sie vorhin als „enfant terrible“ bezeichnet, der Bundespressekonferenz. Den Eindruck hab ich inzwischen nicht mehr, dass Sie das sind. Wer ja sogar zu Protestbriefen, zu einem offenen Brief provoziert hat der Bundespressekonferenz, war zuletzt Boris Reitschuster. Vielleicht können Sie mal kurz erzählen, wie Sie ihn wahrnehmen in seinem Verhalten in der Bundespressekonferenz. Und meine Frage dazu: Ist er etwas oder ist er jemand, dem Sie einen rechten Haltungsjournalismus, ich bleib jetzt bei dem Begriff, vorwerfen würden.

Tilo Jung
Dem Reitschuster nicht. Also das würde ich Jan Fleischhauer vorwerfen, der ist ja par excellence ein rechter Haltungsjournalist. Was Boris Reitschuster dagegen ist, ist rechtsradikal und was er bei uns in der Bundespressekonferenz macht, er ist zwar Journalist, aber er macht keinen Journalismus in der Bundespressekonferenz oder was er daraus macht. Sondern er bringt Verschwörungstheorien, Desinformationen aus allen Ecken, Querdenken, russische Ecken und so weiter und so fort, rechtsextreme Ecken und konfrontiert damit die Regierung, die dann teilweise gar nicht weiß, was sie damit anfangen soll. Und das schlachtet er dann aus und verdient dann halt an seiner Desinformation und seiner Propaganda. Und darum finde ich, gehört er an sich nicht in die Bundespressekonferenz. Aber ich bin nur ein Mitglied des Vereins und wir müssen mal schauen, wie wir als Verein damit umgehen. Aber klar, wir haben einen offenen Brief, also Teile des Vereins, geschrieben.

Moderatorin
Sylke sprach von Empörung, ich sah mit dem einen Auge Jan Fleischhauer, wie er sich gerade empört hat. Man muss dazu sagen kürzlich in einem Interview haben Sie, Jan Fleischhauer, Thilo Jung als „knall-links“ bezeichnet. Er hat Sie jetzt gerade als einen rechten Kolumnisten bezeichnet.

Thilo Jung
Ich kann`s ja auch begründen. Erstmal könnte man ja sagen, ich mache Haltungsjournalismus. Ja, wenn es darum geht, dass ich die Haltung der Bundesregierung, der Minister, der Kanzlerin herausarbeite mit meinem Journalismus. Und ich kümmere mich in meinem Interviews um die Haltung meiner Gäste. Natürlich habe ich auch eine eigene Haltung und die bringe ich natürlich mit ein, aber um die geht es nie. Ich habe keine Kolumne, ich habe keinen eigenen Podcast, wo es um meine eigene Meinung geht. Daher würde ich das, was ich jetzt Jan, wir kennen uns ja auch, wir machen unterschiedliche Sachen. Bei ihm geht es um seine Haltung.

(…)

Jan Fleischhauer
Ich würde mal sagen, wo wir auf Herrn Reitschuster kamen, Boris Reitschuster ist das, was Tilo Jung früher war. Natürlich hat Tilo Jung auch von Provokation gelebt und lauter Fragen in der Bundespressekonferenz, wo die etwas ernsteren, gesetzten Kollegen sich die Haare gerauft haben. Ja. „Was ist denn das für eine Knalltüte?“ So. Also insofern, Tilo Jung ist jetzt gereift.

Tilo Jung
Ich wüsste nicht, dass ich jemals Propaganda und Desinformationen reingebracht hab und dadurch versucht habe, das als Journalismus zu verkaufen.

Jan Fleischhauer
Ich würde doch ein bisschen um die Weise.., wie er jetzt, also Herr Reitschuster versucht da, Herrn Seibert aus der Reserve zu locken. Jetzt kann man sagen, das ist alles Desinformation. Aber ich finde ehrlich gesagt, es ist nicht an uns Journalisten, uns vor die Minister oder die Pressesprecher oder den  Bundespressesprecher Herrn Seibert zu stellen und zu sagen: „Nee, nee, der stellt da so schreckliche Fragen.“ Ja. Dann sollen die doch selber damit umgehen. Also ich verstehe diesen ganzen Move nicht, Herrn Reitschuster aus der Bundespressekonferenz entfernen zu wollen. Wie gesagt, ich würde mal sagen, wenn das Herrn Seibert zu blöd ist, auf diese Fragen zu antworten, dann soll er sich selber wehren. Da müssen wir uns doch nicht für ihn wehren.

Danke an mein Team fürs Transkribieren!

Hier nochmal der Link zu meinem Video mit den Originalszenen und meiner Einschätzung.

PS: In manchen Kommentaren heißt es, ich sollte das alles ignorieren. Das würde ich gerne, wenn es sich um einen Einzelfall handeln würde. Aber es ist exemplarisch, und so wie Herr Jung ticken sehr viele Kollegen, auch die Bundesregierung hätschelt Herrn Jung (einfach mal Liste der Interview-Partner durchsehen). Deshalb ist es meine journalistische Pflicht, über so einen Sittenverfall in Sachen Demokratie und Journalismus zu berichten. Leider. Auch wenn ich wirklich lieber über anderes schreiben würde.

PS: Was er von Meinungsfreiheit hält, hat Herr Jung hier mit diesem festgepinnten Kommentar zu seinem Live-Chat auf YouTube gezeigt. Ich biete seinen Zuschauern Meinungsfreiheit-Asyl hier auf meiner Seite, bei mir können Sie kommentieren:

Diejenigen, die selbst wenig haben, bitte ich ausdrücklich, das Wenige zu behalten. Umso mehr freut mich Unterstützung von allen, denen sie nicht weh tut! Bitte beachten Sie die neue Bankverbindung (wegen Konto- kündigung durch die N26): DE70 6003 0100 0012 5710 24.

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Bild: Jugendpresse Deutschland/Wikicommons/CC BY 2.0
Text: br

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