Von Kai Rebmann
Österreich wählt und beim großen Nachbarn scheint es kaum jemand mitzubekommen. Die Begründung dafür, dass die deutschen Leitmedien allenfalls auf Sparflamme über den am kommenden Sonntag bevorstehenden Urnengang berichten, dürfte auf der Hand liegen: Alle Umfragen gehen von einem Sieg der FPÖ mit dem Spitzenkandidaten Herbert Kickl aus – und teils dramatischen Verlusten für SPÖ, ÖVP und Grüne.
Laut aktuellem Wahltrend von APA/Institute legen die Freien auf 27,1 Prozent (2019: 16,1 Prozent) zu. Die aktuellen Regierungsparteien ÖVP und Grüne hingegen stürzen auf 24,7 Prozent (2019: 37,5 Prozent) bzw. 8,3 Prozent (2019: 13,9 Prozent) regelrecht ab. Lediglich für SPÖ (20,6 Prozent, minus 0,6 Prozent) und Neos (10,0 Prozent, plus 1,8 Prozent) sagen die Wahlforscher ähnliche Werte wie vor fünf Jahren voraus.
Heißt: Der Koalition um Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) droht die Abwahl, die FPÖ könnte am Sonntag in Wien als strahlender Sieger dastehen. Doch eine bürgerliche und zugleich Stabilität garantierende Zweier-Koalition aus Blauen und Schwarzen dürfte es dennoch nicht geben, zumindest nicht, wenn es nach Noch-Kanzler Nehammer geht. Dieser hat eine Zusammenarbeit seiner ÖVP mit FPÖ-Chef Kickl bisher kategorisch ausgeschlossen.
Droht Österreich eine Koalition aus Verlierern?
Vieles deutet also auf eine Dreierkoalition hin. Entweder holen sich ÖVP und Grüne die SPÖ als zusätzlichen Partner ins Boot oder die ÖVP lassen die Grünen fallen und schmieden eine Allianz mit der SPÖ und den liberalen Neos. Dass die Unterscheide insbesondere zwischen ÖVP und SPÖ bei elementaren Fragen der Wirtschafts- und Innenpolitik größer kaum sein könnten, scheint dabei dann kaum noch eine Rolle zu spielen – Hauptsache, die FPÖ bleibt bei der Regierungsbildung außen vor.
Sollte die Bierpartei (aktueller Wahltrend: 3,8 Prozent) an der Vier-Prozent-Hürde scheitern, könnte es zwar knapp auch für ein Zweier-Bündnis von ÖVP und SPÖ reichen; politische Stabilität und insbesondere der Respekt vor dem Wählerwillen sehen aber sicher anders aus. Die Erfahrungen aus Deutschland mit einer „Zusammenarbeit“ von Parteien mit derart unterschiedlichen politischen Konzepten sollten Österreich und insbesondere der ÖVP jedenfalls Warnung genug sein – denn die nächsten Wahlen kommen auch in der Alpenrepublik ganz bestimmt.
Bemerkenswert auch, wie der gastgebende ORF die letzte Elefantenrunde am Donnerstag mit den Spitzenkandidaten der fünf im Nationalrat vertretenden Parteien bewarb. Themen der Sendung seien Wirtschaftspolitik, der Staatshaushalt und Inflation, also das, „was die Menschen bewegt“, so ORF-Moderatorin Alexandra Maritza Wachter. Erraten Sie, welches Thema, für das in Österreich insbesondere die FPÖ steht, in dieser Aufzählung fehlt?
Zum berühmten Zünglein an der Waage könnte letztlich aber auch das Hochwasser werden, das weite Teile Österreichs in den letzten zwei Wochen heimgesucht hat. Die Parteien haben wie in solchen Fällen leider schon üblich kaum eine Gelegenheit ausgelassen, diese Katastrophe für ihre Zwecke zu instrumentalisieren und vor dem vermeintlich menschengemachten Klimawandel zu warnen. Und es wäre wahrlich nicht das erste Mal, dass ein Hochwasser eine wichtige Wahl entscheidet.
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Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.
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