Als ich heute die Nachrichten öffnete, hatte ich den Eindruck, dass Deutschland gerade noch einmal, um ein Haar, vor einem blutigen revolutionären Umsturz davon gekommen ist. „Pläne zum gewaltsamen Umsturz der Regierung – Prinz als Rädelsführer der ‚Reichsbürger‘ verhaftet“ – diese Schlagzeile prangte mir beim Öffnen von welt.de ganz oben, als allerwichtigste, in großen Lettern entgegen. Später war dann etwa folgende Überschrift zu lesen: „‚Gewaltsame Umsturzfantasien‘: Innenministerin Faeser über Reichsbürger-Razzia – ‚Abgrund terroristischer Bedrohung‘“.
Ganz ehrlich: Ich halte unsere Regierung für völlig überfordert (bei allem außer beim „Umbau“ unserer Gesellschaft) und finde, sie fährt unser demokratisches System und die Wirtschaft an die Wand – nachdem Merkel viele Jahre Vorarbeit geleistet hat. Aber dass die Zustände so desolat sind, dass eine kleine Gruppe von Reichsbürgern eine ernsthafte Gefahr eines Umsturzes der Regierung zustande bekommt – das ist mir neu. Aktuell halte ich die Gefahr für die Demokratie, die von Klima- und anderen linken Extremisten ausgeht, die teilweise in höchsten Ämtern sitzen, für weitaus größer.
75-Jährige mit Kartoffelsack
Ich kenne natürlich den Ermittlungsstand in Sachen „Umsturzfantasien“ nur aus den Medienberichten und mein Vertrauen in diese – und leider auch die Justiz – ist angeknackt. Auch, nachdem kürzlich eine 75-Jährige mit einem Kartoffelsack als mutmaßliche Drahtzieherin einer Terrorgruppe im Hubschrauber nach Karlsruhe geflogen wurde, weil die Bundesanwaltschaft die Ermittlungen übernommen hat (siehe hier).
„Ermittlungen zeigen, dass die sogenannten Reichsbürger versuchten, Soldaten und Polizisten für ihre Pläne zu akquirieren“, schreibt die „Welt“. Und zitiert Benjamin Jendro, Sprecher der Gewerkschaft der Polizei Berlin: „Auch in den Sicherheitsbehörden sind Menschen anfällig für extremistische Ideologie.“ Das Problem bei solchen Aussagen: Wer den linksgrün-woken Zeitgeist ablehnt und sich auf das beruft, was früher freiheitlich-demokratische Grundordnung hieß, wird heute auch schnell als „extremistisch“ abgetan.
„Spezialeinheiten durchsuchten bei der Razzia mehr als 130 Objekte in elf Bundesländern, sowie im österreichischen Kitzbühel und in der italienischen Stadt Perugia“, schreibt die „Welt“: Der Generalbundesanwalt ermittelt wegen des Verdachts der Gründung einer terroristischen Vereinigung. Laut einer Mitteilung der Behörde wurden 25 mutmaßliche Mitglieder oder Unterstützer der Gruppe festgenommen.
Einsatz militärischer Mittel
Den Angaben zufolge sollen die Mitglieder der Gruppe spätestens ab November 2021 geplant haben, „die bestehende staatliche Ordnung in Deutschland zu überwinden und durch eine eigene, bereits in Grundzügen ausgearbeitete Staatsform zu ersetzen“, wie die Welt schreibt: „Dabei sollen sie auch ‚den Einsatz militärischer Mittel und Gewalt gegen staatliche Repräsentanten‘, sowie ‚die Begehung von Tötungsdelikten‘ erwogen haben.“
Zunächst einmal darf man solche Dinge nicht auf die leichte Schulter nehmen. Sollte es wirklich solche Pläne gegeben haben, sind die Ermittlungen ein Segen und man kann aufatmen, dass unsere Ermittler die Gefahr gebannt haben. Allein: Mir fehlt der Glaube. Spätestens, seit bekannt ist, dass etwa der Verfassungsschutz rechtsextreme Fake-Accounts in sozialen Medien betreibt (siehe hier). Oder dass die Dichte von V-Männern des Verfassungsschutzes bei der NPD so dicht ist, dass daran ein Verbot der Partei in Karlsruhe scheiterte.
Tragödie von Idar-Oberstein
Leider radikalisieren sich heutzutage viele Menschen, gerade auch in den sozialen Medien. Diese Radikalisierung ist ohne jeden Zweifel gefährlich und wie die Tragödie von Idar-Oberstein zeigt, nicht auf die leichte Schulter zu nehmen: Ein Mann hatte dort einen Tankstellen-Mitarbeiter erschossen, weil dieser auf die Einhaltung der Corona-Maskenpflicht pochte.
Wenn nun aber in den Medien der Eindruck erweckt wird, Deutschland hätte wegen einer Gruppe von Reichsbürgern kurz vor dem Umsturz gestanden, erweckt das bei mir den Verdacht, dass hier eine Instrumentalisierung vorliegt. Es liegt in der Tradition stramm linker Systeme, dass sie mit dem Schüren von Ängsten vor einer „rechten“ Gefahr von den eigenen Problemen ablenken und die eigene Macht konsolidieren wollen. In der DDR wurde dieses System perfektioniert. Und in der Merkelschen Bundesrepublik adaptiert.
KGB-General Agajanz, Desinformations-Spezialist, lehrte einst: „Jeder, der über unsere wahren Pläne genau oder unparteiisch… schreibt oder spricht, muss rasch als Rechter oder Faschist abqualifiziert oder der Lächerlichkeit ausgesetzt werden.“
Unschöne Phantasien
Ich hätte mir nie träumen lassen, dass es in Deutschland (wieder) so weit kommt, dass mein Urvertrauen in Staat und Medien so erschüttert IST, dass ich bei Meldungen wie der heute über die Umsturzpläne große Zweifel habe. Und das Gefühl, es möglicherweise mit einer politischen Inszenierung zu tun zu haben.
So sehr ich einerseits glaube, dass man in Chat-Gruppen einschlägige verbale Phantasien und vermeintliche Terrorpläne finden kann – und so sehr ich dagegen bin, das zu verharmlosen: Die Art und Weise, wie jetzt aktuell die Aktionen präsentiert werden, stinkt in meinen Augen. Allein Schlagzeilen wie „Gewaltsame Umsturzfantasien“ sind massiv manipulierend. Ich bin – leider – überzeugt: Man wird jede Menge solche Umsturzfantasien in den Köpfen von Menschen und in den sozialen Medien finden. So unschön sie sein mögen – es sind eben Phantasien.
Bezeichnend ist, dass sich sogar der Bundeskanzler einschaltete: Laut „Welt“ begrüßte der Sozialdemokrat „den Schlag gegen Reichsbürger in Deutschland“. Regierungssprecher Steffen Hebestreit sagte, dass die Aktivitäten und die Planungen etwa eines bewaffneten Überfalls auf den Bundestag „brandgefährlich“ gewesen seien.
Razzien im Morgengrauen
Wenn es die tatsächlich gab, hat Hebestreit Recht. Aber auch hier fehlt mir der Glaube. Insbesondere, wenn man betrachtet, dass sich so ganz passend zum „Framing“ auch eine ehemalige AfD-Bundestagsabgeordnete und Richterin am Landgericht Berlin unter den Tatverdächtigen befindet, die heute früh um 6 Uhr morgens durch das Rammen ihrer Tür aus dem Schlaf gerissen wurde – während etwa Clan-Kriminelle sich in Deutschland zu dieser Zeit ihres ruhigen Schlafes in der Regel recht sicher sein können.
„Haben Deutschlands Sicherheitsbehörden wirklich die große Reichsbürger-Verschwörung vereitelt, oder haben sie womöglich mit Kanonen auf Spatzen geschossen?“, fragt Susanne Gaschke in der Neuen Zürcher Zeitung: „Der historische Großeinsatz und die flankierende Medienberichterstattung werfen Fragen auf.“
Verstörend sei unter anderem Folgendes, so Gaschke, die früher SPD-Bürgermeisterin von Kiel war: „Im politischen Berlin war seit Tagen zu hören, es sei ‘eine große Sache im Busch‘. Manche Medien wussten offensichtlich von den bevorstehenden Razzien und Verhaftungen, denn viele Redaktionen veröffentlichten fast zeitgleich – wie nach einer Sperrfrist – umfangreiche Berichte zu der eigentlich doch ganz neuen Eilmeldung.“ ARD und ZDF brachten quasi synchron Sondersendungen zur besten Sendezeit nach den Hauptnachrichten.
‘Wasser auf verschwörungstheoretischen Mühlen‘
Dazu Gaschke: „Warum wäre die organisierte Medienbegleitung der Einsätze ein Problem? Weil sie entweder ein unkalkulierbares Risiko für das Gelingen der ganzen Aktion hätte bedeuten können. Oder aber weil sie anzeigt, dass die Sache doch noch nicht so brandgefährlich war. Im letzteren Fall könnte der Eindruck entstehen, es gehe hier vor allem – oder auch – um eine politische Public-Relations-Übung. Das wäre dann Wasser auf die verschwörungstheoretischen Mühlen, die es zu bekämpfen gilt.“
Laut „Welt“ wurde bei der Aktion, bei der sage und schreibe 3.000 Beamte im Einsatz waren, bislang eine scharfe Schusswaffe, Schreckschusswaffen, Prepper-Vorräte und Tausende Euro Bargeld gefunden. Ein Putsch mit einer scharfen Waffe und Schreckschusswaffen?
Zurück bleibt ein überaus schales Gefühl: So sehr ich einerseits nicht ausschließen kann, dass die Vorwürfe berechtigt sind und dann den Sicherheitsbehörden ein großes Lob und Dank gebührt – so groß ist mein Verdacht, dass dies eben nicht so ist und hier eine Mücke zum Elefanten aufgeblasen wird. Und damit der Weg bereitet wird für eine noch striktere Unterdrückung von Andersdenkenden bis hin zu noch weiteren Schritten oder gar einem Parteiverbot gegen die AfD. Was für gruselige Zeiten, in denen Politik und Justiz derart das Vertrauen in sie zerstört haben.