Von Alexander Wallasch
Stände die Frage im Raum, wer aktuell und auf dem schwarz-rot-goldenen Merkel-Scherbenhaufen stehend noch den größten Schaden anrichten könnte, dürfte Außenminister Heiko Maas (SPD) auf der schwarzen Liste ganz oben stehen:
Seine Karriere am Ende, selbst der sozialdemokratische Kanzlerkandidat Scholz duckt sich fast peinlich berührt weg und die Medien schreiben den Saarländer zum schlechtesten Außenminister seit Joachim von Ribbentrop.
Nichts erreicht, nichts Bleibendes geleistet, kein Lametta, kein Trommelwirbel, immer nur Klein-Klein gemacht auf Saarländisch, dann nur immerfort den Frust von der Seele getwittert, in Talkshows hemdsärmelig trotz Maßanzug, den großen Debatten konsequent ausgewichen, immer erst dort zugepackt, wo andere den politischen Gegner bereits gelegt hatten. Und weil darüber keiner klatschten wollte, brachte sich Maas seinen Claqueur gleich vorsorglich aus dem Amt mit – immerhin das bleibt als Erinnerung an diesen eigentlichen Grobian in der zu seinem eigenen Leidwesen falschen Physiognomie.
Insgesamt ein Auftritt, wie aus einem Schwarz-Weiß-Film gefallen, ein Getriebener in den viel zu großen Schuhen einiger seiner Vorgänger. Die letzten Wochen als Außenminister sind eingeläutet, und er ahnt es ja schon:
Sein öffentliches Leben wird sich zukünftig mutmaßlich reduzieren auf den Job als Ehemann der Schauspielerin. Denn die will jetzt sicher auch was davon haben, dass sie nichts davon hatte, dass der Ehemann die politische Bühne nur zum Spießrutenlaufen nutzen konnte und wenig Glanz abfiel für seine öffentlich-rechtliche Filmdiva.
Die letzten Wochen des Heiko Maas sind angebrochen, nach etwas mehr als drei Jahren ist Schicht im Schacht. Wer aber nun schon so lange auf den Innenwangen gekaut hat, der hat viel Blut im Mund, der kann auf den letzten Metern noch mal gefährlich werden. Umso mehr, wenn die Bundeskanzlerin zur sofortigen Disziplinierung eines Aufsässigen nicht mehr zur Verfügung steht, weil längst beschäftigt mit der Überwachung der Arbeiten auf der Großbaustelle ihres eigenen Denkmals.
Ende seiner Karriere
Alles, was Heiko Maas jetzt noch am Werderschen Markt 1 in Berlin fabriziert, sollte mit Argusaugen betrachtet werden. Sein desaströses Versagen in der Afghanistan-Frage darf für ihn nicht am Ende seiner Karriere stehen. Aber bis zu den Wahlen wird es kein Ausweichthema mehr geben.
Maas macht es wie alle großen Scheiterer, er bemüht sich mit den verbliebenen Kräften darum, seine allerletzten Entscheidungen noch über seine Amtszeit hinaus wirken zu lassen. Verbrannte Erde. Und was wäre dafür besser geeignet, als die Sondersitzung der G7 zu Afghanistan am Dienstag. Einen Fünf-Punkte-Plan hat er sich dafür im Hause zusammenschustern lassen – übrigens völlig unbeeindruckt davon, dass der letzte große Plan dieser Art gerade erst sang- und klanglos scheiterte, als CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet den seinen (zu Corona) in der Hosentasche zerknüllen musste. Die Ministerpräsidentenrunde mit Kanzlerin hatte kein Interesse.
Heiko Maas‘ finaler Anlauf zu einer letzten Großtat hat begonnen, die Katze ist aus dem Sack: Der Außenminister möchte den Flughafen Kabul zu so etwas wie einem deutschen Flughafen machen, zum Ausgangspunkt einer Luftbrücke für zehntausende Afghanen mit potenziell historischen Dimensionen.
Vertreter des Außenministeriums verhandeln mit den Talibanführern in Doha/Katar den Preis dafür, dass der Flughafen Kabul so etwas wie deutsches Interims-Hoheitsgebiet wird zum Zwecke der uneingeschränkten Einreise der Verfolgten des Taliban-Regimes. Und um das zu erreichen, setzt man sich am Austragungsort der kommenden Fußball-WM mit Islamisten an den Verhandlungstisch.
Heiko Maas hat es auf seiner Pressekonferenz am Montagvormittag unmissverständlich formuliert: Es geht darum, möglichst viele Schutzbedürftige aus Afghanistan herauszubekommen. Zwar ist immer wieder die Rede von Listen, die man aufgestellt habe, aber diese Beschränkungen sind nur noch Maskerade: Schutzbedürftig sind potenziell 30 Millionen Afghanen.
Über den Landweg
Die Zuwanderung nach Deutschland läuft übrigens auch über die Anrainerstaaten Afghanistans – Heiko Maas lässt aktuell in den deutschen Vertretungen Personal aufstocken, an die sich dann jene Afghanen wenden, die nicht per Flugzeug, sondern über den Landweg das Reich der Taliban verlassen haben.
Die USA haben bereits über ein Dutzend Großflugzeuge von privaten Airlines in diesen Anrainerstaaten positioniert – möglicherweise schon für den Weiterbetrieb durch die Deutschen. Bisher werden hiermit noch jene ausgeflogen, welche sich unter den Schutz der USA begeben haben, aber auch diese Menschen landen erst einmal in Ramstein/Deutschland.
Aber der Kabuler Flughafen bleibt das Herzstück dieser letzten großen Anstrengung eines Gescheiterten. Deutschland soll nachhaltig spüren, dass da jemand im Amt war, dessen Arbeit Gewicht hatte, dessen Tun über seine Zeit hinaus wirkt: Heiko Maas lässt gerade klären, in welch zukünftiger Form Kabuls Flughafen zivil betrieben werden kann – die Evakuierungen sollen so lange wie irgend möglich fortgesetzt werden.
Mit der fortlaufenden Dauer dieser an allen deutschen und europäischen Asyl- und Einwanderungsregelungen vorbeilaufenden Operation Luftbrücke werden zuletzt Hunderttausende Afghanen in kürzester Zeit nach Deutschland einwandern. Und sie werden bleiben, denn eine afghanische Perspektive, ein militärisches Ende der Talibanherrschaft ist in weite Ferne gerückt. Die Taliban sind jetzt Verhandlungspartner des Auswärtigen Amtes, gleichzeitig sollen sie als mordende Islamisten das ultimative Böse repräsentieren, gewissermaßen als Rechtfertigung, was man gerade veranstaltet.
Letzte Wochen seiner Nichtexistenz
Heiko Maas ist in den letzten Wochen seiner Nichtexistenz als großer Staatsmann zum potenziell gefährlichen Akteur geworden. Will er sich in der Krise ein Denkmal setzten? Das Etikett als „schlechtester Außenminister“ haftet ihm bereits unwiderruflich an. Aber was Maas viel mehr fürchtet, ist die kommende Bedeutungslosigkeit. Charaktereigenschaften, die man sonst nur bei ausgewachsenen Despoten erlebt.
Der Schaden, den Heiko Maas jetzt noch anrichten kann, ist gewaltig. Aber selbst jetzt noch versteckt er sich hinter der vorgeschobenen humanitären Geste. Die Distanz zu Deutschland und seinen Menschen könnte bei Heiko Maas in diesem Moment kaum größer sein.
Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.
Alexander Wallasch ist gebürtiger Braunschweiger und betreibt den Blog alexander-wallasch.de. Er schrieb schon früh und regelmäßig Kolumnen für Szene-Magazine. Wallasch war 14 Jahre als Texter für eine Agentur für Automotive tätig – zuletzt u. a. als Cheftexter für ein Volkswagen-Magazin. Über „Deutscher Sohn“, den Afghanistan-Heimkehrerroman von Alexander Wallasch (mit Ingo Niermann) schrieb die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung: „Das Ergebnis ist eine streng gefügte Prosa, die das kosmopolitische Erbe der Klassik neu durchdenkt. Ein glasklarer Antihysterisierungsroman, unterwegs im deutschen Verdrängten.“ Seit August ist Wallasch Mitglied im „Team Reitschuster“.
Bild: Alexandros Michailidis/ShutterstockText: wal