Ich bin noch da! Ein Schrecken mit Ende – Gott sei Dank!

Sie haben sich vielleicht gewundert, schon einige Zeit nur noch wenig bis gar nichts mehr von mir zu lesen. Nein, ich bin nicht der Faulheit verfallen. Drei Jahre Dauereinsatz und Dauerstress haben ihren Tribut gefordert – und hätten sich mit etwas weniger umtriebigem Schutzengel auch als mörderisch erweisen können. In meinem Wochenbriefing habe ich gestern Abend beschrieben, was mir passiert ist. Und ich finde, ich kann diese unglaubliche Geschichte auch den Nicht-Abonnenten nicht verschweigen. Daher hier das ganze Wochenbriefing – und noch eine kleine, wunderbare Ergänzung: Als mich heute früh im Krankenhaus in Podgorica eine große „Merci“-Schachtel von Lesern erreichte, die in Montenegro leben, war ich zu Tränen gerührt. Süßes darf ich zwar noch nicht essen, aber umso schöner war es, dem unglaublich liebenswerten Klinikpersonal eine süße Freude machen zu können! Ein riesiges Dankeschön auch allen, die mir gute Wünsche geschickt haben – jede einzelne Nachricht ist mir sehr wertvoll!

Liebe Leserinnen und Leser,

dieses Wochenbriefing schreibe ich Ihnen aus dem Krankenhaus, frisch operiert. Das Schreiben fällt noch etwas schwer, aber es ist mir ein Bedürfnis, Ihnen zu erzählen, was mir passiert ist. Wir sind uns in den letzten drei Jahren schließlich ans Herz gewachsen und fast eine Familie. Und ich bin, wenn ich es so drastisch und zugespitzt ausdrücken darf, dem Teufel gerade noch einmal von der Schippe gesprungen. Auf unglaubliche Art und Weise.

Eigentlich wollte ich das nächste Wochenbriefing über den tragischen Freitod von Clemens Arvay schreiben. Den charismatischen, sympathischen Biologen aus Österreich. Mit seinem Mut, früh die Impfung zu kritisieren, hat er viele Menschen angeregt und bestärkt, dem Psychoterror in Politik, Medien und Gesellschaft zu widerstehen und selbst zu entscheiden, was sie mit ihrem Körper machen oder nicht. Ich habe hohe Achtung und Respekt vor Clemens Arvay.

Sein Mut kostete ihn das Leben. Er wurde ausgegrenzt, angefeindet, entmenschlicht. So sehr, dass er, als sensibler, feinfühliger Mensch, als Vater eines kranken kleinen Jungen, keine andere Wahl mehr sah als den Tod. Ich habe mit dem Wiener Psychiater Raphael Bonelli, der ihn gut kannte, ein ausführliches Gespräch über den Tod von Clemens Arvay und die Umstände, die dazu führten, geführt. Es hat mich komplett sprachlos gemacht. Bonelli sagt: „Es war eine Hinrichtung. Er war vollkommen verzweifelt.“ Hier finden Sie das Gespräch.

Fast zeitgleich mit der Nachricht vom Tod von Clemens Arvay bekam ich die Mitteilung, dass einer der Menschen, der für mich ein wunderbares Vorbild in der Corona-Zeit war, ein Leuchtturm, ebenfalls an all dem zerbrochen ist und jetzt nicht mehr unter uns weilt. Aus Rücksicht auf seine Angehörigen will ich seinen Namen nicht nennen, da sie keine öffentliche Aufmerksamkeit wünschen, was ich bestens verstehe. Auch er war Arzt, einer mit Leib und Seele, von der Sorte, der man blind vertraut als Patient.

Auch er hatte den Mut, öffentlich die Corona-Maßnahmen und die Impfpolitik zu kritisieren. Was das in den vergangenen drei Jahren bedeutete, wissen Sie. Man wurde – und wird – dafür entmenschlicht, diffamiert, gehasst und der Hetze ausgesetzt. Dass Menschen wie dieser wunderbare Arzt daran zerbrochen sind, die Verantwortlichen aber weiter in Amt und Würden sind und größtenteils keinerlei Selbstkritik zeigen, ist ein kollektives Versagen von Politik, Medien und Gesellschaft.

Eric Gujer, der Chefredakteur der „Neuen Zürcher Zeitung“, hat genau das in seinem Newsletter beschrieben. Es ist eine gnadenlose Abrechnung mit dem Versagen der deutschen Medien in Sachen Corona. In härtesten Tönen geht Gujer mit ihnen ins Gericht. Nur mit sich selbst nicht. Dass die „Neue Zürcher Zeitung“ in Sachen Impf-Berichterstattung ganz gründlich vor der eigenen Haustüre zu kehren hätte, dass man auch dort teilweise mit in die Hetze gegen Kritiker einstimmte – das alles zu verschweigen und nur die großen deutschen Medien anzugreifen, halte ich für schäbig und für Betrug am Leser.

Mein früherer Deutschlehrer, ein Sozialdemokrat vom alten Schlage, der genauso wie ich längst aus der SPD ausgetreten ist und lange Zeit trotz aller Sympathie mit meiner Kritik an der Corona-Politik haderte, hat mir den Newsletter zugeschickt mit den Worten: „Es wäre an der Zeit, dass sich einige Leute bei Ihnen entschuldigen.“ Das hat mich tief bewegt.

Doch statt Bitten um Entschuldigung gibt es weiter Hetze. Aktuell vom Tagesspiegel. Die Redaktion dort erhebt Vorwürfe gegen mich, die völlig aus der Luft gegriffen sind. In einer Art, die eher an den KGB-Vorläufer NKWD erinnert als an demokratischen Journalismus. Ein Austausch mit anderen Betroffenen ergab nun, was offenbar zu meiner „Verurteilung“ durch den Tagesspiegel führte: Ich war – wie auch immer – in einem E-Mail-Verteiler, in dem gegen einen Tagesspiegel-Journalisten gehetzt wurde. Wie leider viele meiner Mails habe ich auch diese angesichts oft mehr als tausender Kommentare und Mails pro Tag nie gelesen. Geschweige denn an irgendeiner Kampagne mitgemacht. Das Vorgehen des Tagesspiegels ist schlicht und einfach skandalös – Details hier

Dass ich jetzt im Krankenhaus liege, hat möglicherweise auch damit zu tun, dass die jahrelange Hetze und all der Hass mir auf den Magen geschlagen sind. Mein früherer Chef Helmut Markwort vom Focus lehrte uns zwar immer, dass wir uns als Journalisten nie in den Vordergrund stellen sollen. Aber in diesem Falle ist die Geschichte so bewegend, dass ich kein Recht habe, Sie ihnen vorzuenthalten.

Seit langer Zeit habe ich Magenprobleme, die ich immer auf die leichte Schulter nahm. Nach einem Besuch bei meinen hochbetagten Eltern in Berlin vergangene Woche machte mir wieder der Bauch zu schaffen. Ich ging von einem Magen-Darm-Infekt aus. Bis es dann am Sonntag nicht mehr ging. Und ich den Arzt aufsuchte. Der diagnostizierte eine schwere Darmentzündung und ließ sofort eine Antibiotika-Infusion legen. Schon am nächsten Tag ging es mir wieder recht gut, am Dienstag fast wie früher.

In der Nacht auf Mittwoch ging alles wieder los. Ich redete mir ein, ich hätte mich nicht ausreichend geschont und bräuchte nur noch etwas Ruhe. Hier intervenierte eine Leserin und Ärztin, die mir geschrieben hatte, als meine Eltern medizinische Probleme hatten, die sie seitdem wie eigene Eltern betreut und meinem Vater schon das Leben gerettet hatte – weil auch der nicht ins Krankenhaus wollte, sie aber insistierte.

Nachdem ich mich lange und persönlichkeitstypisch stur zeigte, erwies sie sich – Gott sei Dank – als noch sturer. Buchstäblich via Fußtritt aus der Ferne brachte sie mich dazu, einen CT-Scan zu machen. Kaum war der fertig, kam die Nachricht: „Sie müssen ins Krankenhaus und zwar dringendst.“ Ich: „Sehr dringend?“ Die Antwort: „Äußerst dringend!” Ich: „Kommt es auf eine Stunde hin oder her an?“ Die Antwort: „Ja, absolut.“

Die Diagnose: Mein Blinddarm war bereits perforiert, Flüssigkeit ausgetreten und er drohte jeden Moment zu platzen. Das Perfide, wie ich jetzt weiß: Die Blinddarmentzündung war offenbar chronisch und deshalb für die Ärzte nicht zu erkennen. So gut wie keine Druckschmerzen, so gut wie keine der typischen Symptome.

Nie werde ich den Zustand vergessen, in den mich die Nachricht versetzte. Als Laie kann ich den Ernst der Lage nicht abschätzen, aber ich war sicher: Wenn Du jetzt Pech hast, ist es aus. Ende. Vorbei. Eine meiner besten Freunde hat seine Freundin durch einen Blinddarmdurchbruch nach einer verdeckten Entzündung verloren. Die Fahrt mit dem Taxi ins Krankenhaus nach Podgorica, die Hauptstadt von Montenegro, dauerte eine Stunde. Es ist eine der landschaftlich schönsten Strecken, die ich kenne.

Bewegende Fahrt

Ich kann Ihnen nicht beschreiben, welche Gefühle ich auf dieser Fahrt hatte. Selbst wenn ich jetzt daran denke, kommen mir die Tränen. Die Schmerzen waren immer noch sehr milde, was dem Ganzen etwas Gespenstisches gab. Merkwürdigerweise dachte ich kaum an mich, sondern vor allem an meine Nächsten und machte mir um sie riesige Sorgen. „Ich habe kein Recht, sie allein zu lassen“, fuhr es mir immer wieder durch den Kopf.

In der Hauptstadt angekommen, ging dann alles recht schnell. Da alle Chirurgen in Operationen waren, wurde einer aus seiner Freizeit gerufen. Wenn mich das Leben etwas gelehrt hat, ist es – je schlimmer die Situation, je wichtiger der Humor. Und so musste ich herzhaft lachen, als ich den Namen des Chirurgen erfuhr: Kastratovic. Für einen Mann hat das etwas leicht Beunruhigendes. Doch dem Mann war sofort anzusehen, dass ich in besten Händen war: Ein Chirurg durch und durch, der in jedem Kriegsfilm den Feld-Chirurgen spielen könnte, ungeschminkt.

Kastratovic legte mich sofort unters Messer. Und alles ging gut. Die Operation dauerte länger als anvisiert, weil doch schon einiges im Argen war. Auch mit der versprochenen Entlassung nach drei Tagen wird es nichts. Aber das ist mir völlig egal.  Die Lage sei ernst gewesen, der Blinddarm hätte jeden Moment platzen können, es sei Spitz auf Stein gestanden, so Kastratovic. Die Details aus meinem Innenleben, die er mir erzählte, erspare ich Ihnen lieber.

Heute ist der zweite Tag nach der Operation und ich freute mich wie ein Kind, als ich einen Kefir bekam. Ich bin sicher – im normalen Leben wird kaum jemand an Kefir solche Freude haben. Dann noch eine Gemüsesuppe – ein Traum. Und der Gipfel des Glücks: Der ebenso knurrige wie einnehmende Kastratovic erlaubte mir, mich zu duschen. Auch wenn es schwerfallen wird.

Einschneidende Erlebnisse

Auch wenn es vielleicht streng medizinisch keine „zweite Geburt“ ist, da ja auch ein Blinddarmdurchbruch in der Regel, wenn auch langwieriger, geheilt werden kann, empfinde ich das, was ich erlebt habe, als solche. Eben wegen der Ungewissheit, in der ich schwebte. Es wird vieles anders sein als zuvor. Allein der Gedanke, dass so plötzlich, so unerwartet, hätte Schluss sein können, geht an die Grundfesten. Man sieht vieles in neuem Licht. Man fragt sich: War die Arbeit all den Stress, all die Nerven wert? Für ernste Antworten ist es noch zu früh, der Schock zu frisch. Aber ich habe mir im Auto, auf der Fahrt ins Krankenhaus, geschworen, dass ich vorsichtiger sein werde. Eine gute Freundin aus Gotha redete mir via Chat ins Gewissen: „Man wird nur einmal gerettet! Gehe es jetzt ruhiger an!“

Ich glaube nicht, dass alles Zufall ist. Dass ausgerechnet die treue Leserin und Ärztin aus der Ferne rechtzeitig den entscheidenden „Fußtritt“ gab. Dass sofort ein erfahrener Chirurg da war. Dass meine Sprachkenntnisse (und die des Personals) ausreichten, um alles zu klären. Dass ich in der Klink unglaublich herzlich, freundlich und zuvorkommend behandelt wurde. Dass ich so schnell schon wieder zwar nicht auf den Beinen, aber halbwegs okay bin – für mich ist das ein Zeichen, dass mein Schutzengel hier ganze Arbeit geleistet hat.

Bitte entschuldigen Sie mir, dass ich hier so viel von mir schrieb. Aber wie gesagt – ich finde die Geschichte zu bewegend, um sie für mich zu behalten. Ebenso bewegend finde ich es, dass mein Team um die wunderbare Ekaterina Quehl so professionell die Seite am Laufen hielt, dass hoffentlich kaum jemand von Ihnen mein Fehlen bemerkt hat. An dieser Stelle möchte ich allen aus meinem Team ein ganz, ganz herzliches Dankeschön aussprechen! Was wäre ich ohne Sie!

Und Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, danke ich ganz, ganz herzlich für alles. Auch für Sie gilt: Was wäre ich ohne Sie?

Allein der Gedanke, dass mir nun viele Menschen gute Besserung wünschen, in Gedanken bei mir sind oder sogar für mich beten, ist sehr genesungsfördernd.

1000 Dank,

herzlich

Ihr

Boris Reitschuster

Nach dem Erlebten muss ich meine Arbeit ruhiger angehen. Ich glaube, das bin ich meinen Nächsten, meinem Team und auch Ihnen schuldig. Wir wollen ja noch eine Weile etwas voneinander haben! Gerade jetzt nach alldem bin ich besonders dankbar für Ihre Unterstützung! Sie ist auch moralisch sehr, sehr wichtig für mich – sie zeigt mir, ich bin nicht allein und gibt mir die Kraft, weiterzumachen! Und Sicherheit, mich auch ein wenig zurücklehnen zu können zur Genesung. Ganz, ganz herzlichen Dank im Voraus!

Aktuell sind (wieder) Zuwendungen via Kreditkarte, Apple Pay etc. möglich – trotz der Paypal-Sperre: über diesen Link. Alternativ via Banküberweisung, IBAN: DE30 6805 1207 0000 3701 71. Diejenigen, die selbst wenig haben, bitte ich ausdrücklich darum, das Wenige zu behalten. Umso mehr freut mich Unterstützung von allen, denen sie nicht weh tut.

Mein aktuelles Video:

Die tiefere Ursache der Tragödie von Clemens Arvay: Moralischer Narzissmus – die Rückkehr zum Religionskrieg und der Auslöser der Cancel-Culture. Der Psychiater Raphael Bonetti im Interview.

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