Ein Gastbeitrag von Thomas Rießinger
Der eine oder die andere mag der Auffassung sein, dass sich dieses Land in Richtung einer neuen Ausgabe der DDR bewegt oder sie sogar schon erreicht hat. Was den Namen angeht, könnte aber nichts falscher sein. Denn „DDR“ stand für „Deutsche Demokratische Republik“, auch wenn es aus dem Munde des seligen Erich Honecker, der am Kabinettstisch der Ampelregierung wohl kaum auffallen würde, doch eher wie „Deutsche ’kratische ’plik“ klang, was man sinnigerweise als DKP abkürzen könnte. Und ein Staatsname, in dem das Wort „Deutsch“ auftaucht, wäre als neuer Name heute kaum noch tragbar: Nationalismus, Ausgrenzung, Diskriminierung, was immer man sich ausdenken mag; immerhin hat schon die altbekannte Protagonistin der Alternativlosigkeit am Abend einer erfolgreichen Bundestagswahl einem ihrer Mitstreiter mit angewidertem Gesichtsausdruck die deutsche Nationalflagge entrissen – hinter diesem großartigen Beweis aufrechter linker Haltung darf man nicht zurückfallen.
Auch die vielen schönen Beispiele sogenannter Volksrepubliken helfen nicht weiter, selbst wenn man auf das Attribut „deutsch“ verzichtet. Demokratische Volksrepublik? Aber ein Volk gibt es doch nicht, wie Robert Habeck einst mitteilte, um zu verdeutlichen, dass es eben mangels Volk auch keine Volksverräter geben könne. Und ganz ohne Volk ist eine Volksrepublik nur schwer vorstellbar.
Doch auch ohne einschlägige Namensänderung arbeitet das politische Personal unserer Zeit mit großer Intensität an der Einführung von Gepflogenheiten, die man eher aus dem Lande Erich Honeckers gewohnt war, um keine schlimmeren Beispiele zu nennen. Unter dem Deckmantel, „Bestrebungen gegen die demokratisch-freiheitliche Grundordnung aller Art“ zu verfolgen, wie es Thomas Haldenwang so schön formulierte, arbeitet man mit Hochdruck gegen eben diese demokratisch-freiheitliche Grundordnung, um die eigene Macht sowie die eigenen Pfründe zu sichern und den Bürger im Sinne der grün-roten Ideologie umzuerziehen. Selbst in die Wortwahl und am Ende auch in die Gedankenfreiheit wollen sie eingreifen. „Wir müssen aufpassen, dass sich entsprechende Denk- und Sprachmuster nicht in unsere Sprache einnisten,“ ließ der gleiche Haldenwang verlauten und nannte als Beispiel den Begriff der „Remigration“, was aus seiner Sicht auf „nichts anderes als kaschierten puren Rassismus“ hinauslaufe. Ob er darauf von alleine kam oder treu die Vorgaben der Innen- und damit auch Verfassungsministerin Nancy Faeser – kann man sich einen besseren Treppenwitz der Weltgeschichte vorstellen als eine Innenministerin Faeser? – befolgt, ist nicht bekannt, spielt aber auch keine Rolle. Was Leute wie Faeser und Haldenwang unter Meinungsfreiheit verstehen, ist klar: Man kann gern geteilter Meinung sein, sofern das bedeutet, dass Faeser oder Haldenwang eine Meinung haben und alle anderen sie teilen. Das Grundgesetz interessiert die Verfassungsministerin und ihren Verfassungsschutzpräsidenten nur dann, wenn sie damit ihre wenig grundgesetzkonformen Ziele tarnen können. Beispiele dafür gibt es zuhauf, ich muss nicht mehr jedes einzeln anführen.
Eines aber schon. Der Verfassungsschutz des Landes Brandenburg sah sich veranlasst, während eines Bürgerdialogs der AfD „einen klaren Angriff auf die freiheitlich-demokratische Grundordnung“ auszumachen. Was war geschehen? Der Landtagsabgeordnete Lars Hünich wurde während einer Rede vom bekanntlich stets objektiv berichtenden ZDF gefilmt und dann im Länderspiegel vom 27. Januar 2024 mit den folgenden beiden Sätzen zitiert: „Wenn wir morgen Regierungsverantwortung haben, dann muss ein Großteil von den Leuten, die hier sind, wieder nach Hause. Wenn wir morgen in einer Regierungsverantwortung sind, dann müssen wir diesen Parteienstaat abschaffen.“
Das war sein Vergehen, wenn man nicht gleich von einem Verbrechen sprechen will. Wie es scheint, hat sich für den ersten Satz kaum ein Verfassungsschützer interessiert, obwohl es dabei offenbar um Abschiebungen im großen Stil ging – es könnte daran gelegen haben, dass Olaf Scholz vor einer Weile genau solche Abschiebungen im großen Stil gefordert hat und man sich vielleicht scheute, ihm indirekt einen Angriff auf das Grundgesetz unterzuschieben. In jedem Fall war es der zweite Satz Hünichs, der den Inlandsgeheimdienst aufmerken ließ: „Wenn wir morgen in einer Regierungsverantwortung sind, dann müssen wir diesen Parteienstaat abschaffen.“ Wie uns die FAZ berichtet, haben „die Parlamentarier des brandenburgischen Innenausschusses an diesem Mittwoch darüber diskutiert“, der dortige Verfassungsschutz sieht „in der Äußerung einen klaren Angriff auf die freiheitlich-demokratische Grundordnung“, denn „Hünich fordere die Abschaffung der durch freie Wahlen demokratisch legitimierten Parteien “, und der Leiter des örtlichen Verfassungsschutzes teilte mit „dass das Video in die Bewertung zur Einstufung der AfD eingeflossen sei.“
Eine gewaltige Reaktion der stets um unser Wohl besorgten geheimdienstlichen Staatsmacht, aber was soll man denn machen angesichts eines gefährlichen Angriffs gegen die Demokratie? Erinnern wir uns doch einmal an andere Äußerungen über die Ausgestaltung des Staates! Vor einigen Jahren hat beispielsweise Robert Habeck in einem Gespräch mit Richard David Precht – hier trafen sich zwei große Geister vergleichbaren Kalibers – kundgetan, in China gebe es keine Opposition und keine Mitbestimmung, aber das System sei effizienter als das langsamere demokratische. „Wollen wir das oder wollen wir das nicht?“ Diese Entscheidung könne man nicht ökonomisch, sondern nur wertegeleitet treffen: „Also ich würde sagen, ja, das wollen wir.“ Er wollte nicht nur den Parteienstaat abschaffen, sondern gleich die ganze Demokratie zugunsten des effizienteren chinesischen Systems, und hat das auch noch als wertegeleitete Entscheidung verkauft – von welchen Werten er sich leiten lässt, will ich mir lieber nicht vorstellen. Hat sich damals der Verfassungsschutz für ihn interessiert und einen klaren Angriff auf die freiheitlich-demokratische Grundordnung festgestellt? Falls ja, muss das sehr leise stattgefunden haben, bis zu mir ist nichts gedrungen. Aber Habeck durfte das auch, er ist ja ein Grüner.
Er ist nicht das einzige Beispiel. So veröffentlichte die grüne Bundestagsabgeordnete Sandra Detzer 2021 einen Artikel in der „Welt“ mit dem treffenden Titel „Wo wir Grünen an die Schalthebel der Macht kommen, werden wir nicht verhandeln“, in dem sie während der damaligen Koalitionsverhandlungen meinte: „Und deshalb wird gerade uns Grüne an der Regierung anschließend nichts mehr aufhalten können.“
Verhandlungen, Diskussionen, Rechtsstaatlichkeit – wen interessiert das, wenn man zu den Grünen gehört und die gute Sache vertritt? Hat sich der Verfassungsschutz der Sache angenommen? Gehört hat man davon nichts, die Dame sitzt noch heute im Deutschen Bundestag. Aber sie durfte so etwas ohne Folgen von sich geben, sie ist ja eine Grüne.
Auch von publizistischer Seite sind gelegentlich Ideen zur Umgestaltung des Staates zu vernehmen. Vor wenigen Tagen hat in der ZEIT der Autor Georg Diez eine Art von Essay über „eine neue Revolution“ herausgebracht, in dem er die staatlich unterstützten Demonstrationen gegen „rechts“ in den höchsten Tönen lobt, um dann gegen Ende, wenn den Leser schon beinahe die letzte Kraft verlassen hat, einen zusammengelosten Bürgerrat als dritte Kammer der Legislative vorzuschlagen, der aber mehr sein müsste „als eine nette Veranstaltung ohne wirkliche Macht.“ Seine Begründung ist bemerkenswert: „Was sich ändern muss, ist die Mechanik der Politik, in der bislang die Parteien vorrangig die politische Willensbildung reklamieren und dann auch die Exekution dieses Willens – sie dominieren damit in extrem starker Weise den Prozess des Politischen in einer radikal heterogenen Welt. Lange hatte das einen Sinn, es trug zur Stabilität der Demokratie bei. Heute wird daraus ein Problem für die Demokratie, die in Theorie und Praxis das verändern muss, was als politisch gilt.“
„Ja, ist denn heut’ schon Weihnachten,“ hätte der unlängst verstorbene Franz Beckenbauer vielleicht ausgerufen, denn ein besseres Geschenk hätte Diez doch dem Verfassungsschutz nicht machen können. Die Parteien dominieren in extrem starker Weise den Prozess des Politischen, weshalb ein Problem für die Demokratie vorliegt? Der Mann plädiert für die Abschaffung des Parteienstaates! Noch ist es nicht zu spät, verehrte Verfassungsschützer, sich dieses Angriffs auf die freiheitlich-demokratische Grundordnung anzunehmen – aber der Mann darf das, er schreibt ja in der grün-roten „Zeit“ und ist ein ausgewiesener Linker.
Es ist somit leicht zu sehen, dass es für die Interventionswilligkeit des Verfassungsschutzes sehr darauf ankommt, wer was gesagt hat. Was dem einen erlaubt ist, muss man dem anderen vorwerfen; so sieht ein funktionierender Rechtsstaat aus. Relevant ist nur noch, was der eigenen Machterhaltung und der Durchsetzung der eigenen Ideologie dient, für alles andere hat man den Verfassungsschutz.
Aber werfen wir doch einmal einen Blick auf die eigentlich zur Diskussion stehende Aussage Hünichs: „Wenn wir morgen in einer Regierungsverantwortung sind, dann müssen wir diesen Parteienstaat abschaffen.“ Was ist mit diesem Rätselwort gemeint? Ulrike Liedtke, die Präsidentin des Landtages Brandenburg, glaubt das ganz genau zu wissen. In einem Tweet hat Hünich sich zu ihren Anschuldigungen geäußert und dabei auch ihre Presseerklärung vom 1. Februar im Wortlaut veröffentlicht.
Sie meinte dort: „Es gibt in Deutschland keinen „Parteienstaat“, wie behauptet wird, sondern eine pluralistische Demokratie … Wer einen Ein-Parteien-Staat will, der stellt das Grundgesetz in Frage und gefährdet die freiheitlich-demokratische Ordnung,“ und sie macht sich bereit, diesen „offenen Angriff auf den Parlamentarismus“ abzuwehren. Ihre verständliche Abneigung gegen einen Ein-Parteien-Staat hätte sie vielleicht besser dem Chinafreund Habeck übermitteln sollen, aber die Dame entstammt der SPD, was soll man da schon erwarten! Aus der Forderung, den „Parteienstaat“ abzuschaffen, folgt keineswegs, dass man einen Ein-Parteien-Staat will, sondern nur, dass die Parteien sich den Staat nicht weiterhin zur Beute machen und unter sich aufteilen sollen. Das weiß selbst die – rechter Umtriebe eher unverdächtige – sogenannte Enzyklopädie Wikipedia: „Ein „Parteienstaat“ ist ein Staat, in dem die durch imperatives Mandat an ihre Parteien gebundenen Abgeordneten („Fraktionsdisziplin“) im Parlament die bereits in Ausschüssen oder Parteikonferenzen getroffenen Entscheidungen ratifizieren. … Damit geht der Charakter der völlig selbstständigen Willensbildung und Entscheidungsfindung im Parlament verloren.“ Und daraus folgt, dass die Abschaffung dieses Parteienstaates die Willensbildung und Entscheidungsfindung im Parlament fördert, anstatt sie zu untergraben.
Auch der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages ist in diesem Punkt deutlich besser informiert als Verfassungsschutz und Landtagspräsidentin zusammen, worauf Hünich selbst hingewiesen hat. In einer Ausarbeitung zu Themen der Parteiendemokratie heißt es: „Inzwischen haben die Parteien ihren Einfluss in Staat und Gesellschaft der Bundesrepublik so weit ausgedehnt, dass Zweifel an der Legitimität ihres Handelns aufgekommen sind. Eine wissenschaftliche und öffentliche Debatte von wechselnder Intensität fragt danach, ob sich die Parteien durch die Legalisierung des Parteienstaates im Grundgesetz eine verfassungsrechtlich bedenkliche oder gar verfassungswidrige Machtstellung gesichert haben.“ Daraufhin werden sieben Kriterien aufgelistet, anhand derer man feststellen kann, ob bereits ein „vollständiger“ Parteienstaat vorliegt, und festgestellt, dass „weitgehende Übereinstimmung der politischen Realität der Bundesrepublik mit diesen Bedingungen“ gegeben ist.
Das wurde im Jahr 2007 geschrieben, und seither hat sich der Einfluss der Parteien sicher nicht reduziert. Soll jetzt der Verfassungsschutz auf Wikipedia und auf den Wissenschaftlichen Dienst des Deutschen Bundestages losgelassen werden? Die Lächerlichkeit nimmt kein Ende, und ihre Produzenten merken es nicht. Sie dürfen es auch nicht bemerken, denn das würde ihr zentrales Ziel gefährden, das Roger Köppel unlängst klar formuliert hat: „Es geht darum, unerwünschte Meinungen auszumerzen, die Macht der Regierenden zu betonieren und die Opposition in den Ruch des Landesverrats oder der Staatsfeindschaft zu bringen.“
Der Historiker Hans Woller hat vor einigen Jahren in einem Buch über eine bestimmte politische Ausrichtung geschrieben, es sei damals, vor etwa einhundert Jahren, klar gewesen, dass die Vertreter dieser Richtung „sich als zur Führung berufene Elite fühlten, die für demokratisch-rechtsstaatliche Gepflogenheiten keinen Sinn hatte, und offen auf eine Art Erziehungsdiktatur zusteuerten.“ Woller hat nicht über die Ampelkoalition geschrieben und nicht über ihre Vertreter. Sein Buch trägt den Titel „Mussolini: Der erste Faschist“.
Wer nun der Meinung ist, man könne Ähnlichkeiten in den beiden angeführten Charakterisierungen finden, gefährdet selbstverständlich das Staatswohl und wird zu langanhaltender Lektüre der Schriften von Nancy Faeser und Thomas Haldenwang verurteilt.
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Thomas Rießinger ist promovierter Mathematiker und war Professor für Mathematik und Informatik an der Fachhochschule Frankfurt am Main. Neben einigen Fachbüchern über Mathematik hat er auch Aufsätze zur Philosophie und Geschichte sowie ein Buch zur Unterhaltungsmathematik publiziert.