Josef Käser empfiehlt Baerbock als Kanzlerin Wünscht der Ex-Siemens-Chef eine De-Industrialisierung Deutschlands?

Ein Gastbeitrag von Josef Kraus

So etwas gibt es nur in einem Deutschland, das sich abschaffen will. Vorne d’ran der gerade eben aus dem Konzern ausgeschiedene Siemens-Vorstandsvorsitzende Josef Käser (64). Wir nennen und schreiben den von 2013 bis 3. Februar 2021 fungierenden Siemens-Chef so, wie er in seiner Geburtsurkunde, auf seinen Schulzeugnissen und auf seinem FH-BWL-Diplom geschrieben wird. Ehe er sich – gefällig global gebend und implizit seine deutsch-bayerische Herkunft kaschierend – „Joe Kaeser“ nannte.

Nun hat sich der eben in den Aufsichtsrat der neuen „Daimler Truck Gesellschaft“ berufene und dort als designierter Vorsitzender gehandelte „Kaeser“ in der Süddeutschen Zeitung vom 2. Juni 2021 für eine Bundeskanzlerin Annalena Baerbock starkgemacht. Wir wissen nicht, ob es sich dabei um eine von „Kaeser“ selbst gestartete Unterstützerinitiative handelt oder ob die SZ als eine Art selbstinstalliertes Pro-Baerbock-PR-Unternehmen von sich aus nun alles unternimmt, um Leute von Rang und Namen für die „grüne“ Kanzlerkandidatin aufmarschieren zu lassen. Ist auch egal. „Kaeser“ tut es jedenfalls „vehement“, wie die SZ betont.

Umwerfend zumal sind das Urteilsvermögen und die Menschenkenntnis des „Joe Kaeser.“ Wörtlich: „Die größte Glaubwürdigkeit für eine nachhaltige und langfristige Erneuerung hat sicherlich Annalena Baerbock.“ Und: „Was ihre Auffassungsgabe und Interesse betrifft, erinnert sie mich sehr an unsere heutige Bundeskanzlerin.“ Weiter: Er, „Kaeser“, habe Baerbock kennengelernt als eine Person, die auf die Wirtschaft zugehe, zuhöre und sich unglaublich schnell auch in traditionelle Industriethemen wie Stahl, Chemie oder Energietechnik einarbeite und nach wirtschaftlichen und nachhaltigen Lösungen suche. Und weil es des Schwärmens nicht genug ist, folgen dann noch die Sätze: Wichtig sei Baerbocks Pragmatismus, wenn es um Zusammenhänge gehe: Sie sehe die ökologischen Aspekte, wisse aber auch, dass wir ein Industrieland seien. Außenpolitisch sehe er bei Baerbock eine „Mischung aus Intellekt, klarer Kante und Dialog“. Dass der grünen Kanzlerkandidatin Regierungserfahrung fehle, ist für „Kaeser“ kein entscheidender Faktor: „Für die Zukunft ist die Vergangenheit auch nicht immer hilfreich.“ Siehe hier.

Es ist schon abenteuerlich, was der Ex-Siemens-Chief-Executive-Officer (CEO) und Merkel-Sympathisant hier zusammenfabuliert. Vergessen scheint, wie Merkel Deutschland mit dem Atomausstieg, mit ihrer EU- und Euro-Politik und mit ihrer Flüchtlingspolitik an die Wand gefahren und gespalten hat. Vergessen scheint beim Energiespezialisten „Kaeser“, dass für Baerbock das Netz der Speicher ist, dass sie die SPD für die Begründerin der Sozialen Marktwirtschaft hält usw. „Kaeser“ scheint auch noch kein Grundsatzprogramm der „Grünen“ oder deren Entwurf eines Wahlprogramms für die Bundestagswahl 2021 gelesen zu haben. Sonst müsste er wissen, dass die „Grünen“ die Energie in einem Maße verteuern wollen, das die Stahlindustrie und die Chemiebranche ins Ausland treibt.

Dass ein Mann von solch liebedienerischem Merkel-Baerbock-Kotau acht Jahre lang einen Vorzeigekonzern führen konnte? Das lässt auf den ersten Blick Zweifel am deutschen „Spitzenmanagement“ aufkommen. Aber es gibt gottlob auch andere Stimmen von Leuten, die sich nicht diesem wohlfeilen Mainstream unterwerfen. Der Top-Manager Wolfgang Reitzle, Chairman von Linde, dem wertvollsten Dax-Konzern, ist so einer. Im April 2021 sagte er: Nach fast 16 Jahren Merkel sei Deutschland in vielen Bereichen ein Sanierungsfall. Als „beschämende“ Beispiele nennt er: den Digitalisierungsrückstand, kein schnelles Internet, den Zustand der Bundeswehr, massive Mängel in der Infrastruktur und marode Schulen. Das Land versage zudem nicht nur beim Impfen, sondern große Teile der öffentlichen Hand seien zum Sanierungsfall geworden. Und die Bundeshauptstadt sei ein regelrechter „failed state“. Siehe hier.

Zurück zu „Kaeser“: Mit Ruhm bekleckert hat sich der Spitzenverdiener (mit phasenweise 10 Millionen Euro Einkünften pro Jahr) zuletzt allenfalls als „Moralist“. Aus dieser Perspektive sind fünfstellige „vergessene“ Nebeneinkünfte einer Annalena Baerbock Peanuts. Und eine Erhöhung der Spritpreise um 16 Cent pro Liter, wie von der „grünen“ Kandidatin gefordert? In den Kategorien des Bürgers „Normalo“ scheint man in so luftigen Höhen nicht mehr denken zu können.

Groß war der Siemens-CEO immer, wenn es um Öko- und sonstige Moral ging. Oder um Doppelmoral – oder um Eigeninteressen. Immerhin gehören „Siemens Energy“ und „Siemens Gamesa“ zu den größten Betreibern von Windparks, also der Parks, die den „guten“, den „grünen“ Strom herstellen. Verstärkt eingestiegen ist Siemens auch beim Errichten von Ladesäulen für die „guten“, die „grünen“, nämlich die E-Autos. Alles nach dem Geschmack einer Annalena Baerbock!

Noch einmal „Kaesers“ Urteil über eine Außenpolitikerin Baerbock: Hier sehe er bei Baerbock eine „Mischung aus Intellekt, klarer Kante und Dialog.“ Baerbock ein Abbild des Außenpolitikers „Kaeser“? Zwei Wochen nach der Annexion der Krim durch Russland im Februar 2014 und nachdem die EU Wirtschaftssanktionen gegen Russland verhängt hatte, reiste der Siemens-Chef nach Moskau, um sich mit Putin zu treffen. „Kaeser“ lobte die „vertrauensvollen Beziehungen“ zu Russland und sagte, dass Siemens sich in seinen Geschäften nicht von „kurzfristigen Turbulenzen“ leiten lasse. „Kurzfristige Turbulenzen“: Das lassen wir mal so stehen.

Wenn es ums Gutmenschentum geht, kennt „Kaeser“ keine Berührungsängste. Da solidarisiert er sich 2019 per Twitter schon auch mal mit der Sea-Watch3-„Kapitänin“ Carola Rackete, die manche nicht ganz zu Unrecht eine „Schleuser“-Kapitänin nennen. Und wenn die „Friday-for-Future“-Schulschwänzer Anfang 2020 gegen eine indirekte Beteiligung von Siemens am Bau eines Kohlekraftwerks in Australien motzen (es geht um Siemens-Signalanlagen für eine Eisenbahnstrecke dorthin), dann bietet der Siemens-Boss der „grünen“ Luisa Neubauer, Greta Thunbergs Vertreterin in Deutschland, einen Aufsichtsratsposten bei Siemens Energy an. Neubauer lehnte das Angebot übrigens ab. „Kaeser“ bestritt dieses Angebot später.

Alles in allem: Wir verspüren keinen Drang, „Kaesers“ Motive auf einer Psychoanalytiker-Couch zu zerlegen. Wir fragen uns nur erneut, wie ein Mann solch anbiedernder Strickart so lange einen führenden deutschen Konzern repräsentieren konnte.

Diejenigen, die selbst wenig haben, bitte ich ausdrücklich darum, das Wenige zu behalten. Umso mehr freut mich Unterstützung von allen, denen sie nicht weh tut!

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Gastbeiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Und ich bin der Ansicht, dass gerade Beiträge von streitbaren Autoren für die Diskussion und die Demokratie besonders wertvoll sind. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen, und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.
Josef Kraus (*1949), Oberstudiendirektor a.D., Dipl.-Psychologe, 1987 bis 2017 ehrenamtlicher Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, 1991 bis 2013 Mitglied im Beirat für Fragen der Inneren Führung beim Bundesminister der Verteidigung; Träger des Bundesverdienstkreuzes am Bande (2009), Träger des Deutschen Sprachpreises 2018; Buchautor, Publizist; Buchtitel u.a. „Helikoptereltern“ (2013, auf der Spiegel-Bestsellerliste), „Wie man eine Bildungsnation an die Wand fährt“ (2017), „Sternstunden deutscher Sprache“ (2018; herausgegeben zusammen mit Walter Krämer), „50 Jahre Umerziehung – Die 68 und ihre Hinterlassenschaften“ (2018), „Nicht einmal bedingt abwehrbereit – Die Bundeswehr zwischen Elitetruppe und Reformruine“ (2019, zusammen mit Richard Drexl)

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Bild: Kremlin.ru, CC BY 3.0 via Wikimedia Commons

Text: Gast

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