Von Kai Rebmann
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) hatte es zuletzt gewagt, Karl Lauterbach (SPD) zu kritisieren. Der Bundesgesundheitsminister reagierte auf seine Weise: Anstatt die vorgetragenen Punkte ernst zu nehmen und in einen konstruktiven Dialog zu gehen, sprach er von „Hetze“ und setzte die Argumentation der DKG mit jener der AfD gleich. Die Diffamierung von Kritikern als „rechts“ oder „Nazi“ hat bislang noch immer funktioniert, muss sich Genosse Lauterbach dabei wohl gedacht oder zumindest erhofft haben.
Doch diesmal liegt der Fall anders, jetzt gibt es massiven Gegenwind. Zunächst reagierten die Träger der deutschen Krankenhäuser mit einem offenen Brief an den Gesundheitsminister, dann legte DKG-Chef Dr. Gerald Gaß mit einem Statement nach. Der Tenor beider Veröffentlichungen könnte alarmierender kaum sein: „Der kalte Strukturwandel gefährdet die Sicherheit der Patientenversorgung in Deutschland!“
Für maßgeblich verantwortlich für die anhaltende Misere im Gesundheitswesen halten die DKG-Vertreter Karl Lauterbach. Die Länder hätten zwar schon über Jahrzehnte hinweg ihre Verpflichtungen zu Investitionen sträflich vernachlässigt, heißt es in dem Brief, aber: „Dennoch sind Sie verantwortlich für die deutliche Verschärfung der wirtschaftlichen Misere seit Ihrem Amtsantritt.“
Krankenhäuser sehen für Zukunft schwarz
Wie dramatisch die Lage eingeschätzt wird, geht aus einer Umfrage des Deutschen Krankenhausinstituts über mögliche „Konsequenzen aufgrund der aktuellen Politik des Bundesgesundheitsministers“ hervor: „Wenn sie ein Jahr vorausblicken, erwarten mehr als zwei Drittel der Allgemeinkrankenhäuser eine schlechtere (58 Prozent) oder viel schlechtere Versorgung (10 Prozent) im Vergleich zu heute. Nur noch 3 Prozent der Häuser gehen von einer verbesserten Versorgungssituation aus.“
Gaß wirft Lauterbach vor, „ganz offensichtlich die weitere Entwicklung der Krankenhauslandschaft in den kommenden Jahren dem Markt überlassen zu wollen“. Mehr als die Hälfte der Krankenhäuser sähen sich zu „drastischen Sparmaßnahmen“ gezwungen, die sich in der Folge „negativ auf die Patientenversorgung auswirken“ könnten. Am häufigsten seien in diesem Zusammenhang genannt worden: Personalabbau und Einstellungsstopp; Schließung von Standorten, Abteilungen, Fachbereichen oder Stationen; Einschränkungen beim stationären und ambulanten Leistungsangebot und der Notfallversorgung sowie Einführung bzw. Ausbau von Wartelisten und Bettensperren.
Und auch mit den Gründen, die diese Negativspirale aus seiner Sicht befeuern, hält der DKG-Chef nicht hinter dem Berg: „93 Prozent nannten nicht refinanzierte Kostensteigerungen als Grund für die Einschränkungen, also genau jenen ausbleibenden Inflationsausgleich, den wir seit nunmehr zwei Jahren von Minister Lauterbach einfordern. […] Fast ausnahmslos alle Allgemeinkrankenhäuser sind mit der gesundheitspolitischen Arbeit der Bundesregierung unzufrieden (78 Prozent) oder weniger zufrieden (17 Prozent). Nur noch 5 Prozent der Häuser sind zufrieden.“
Monat für Monat müssten die Kliniken in Deutschland rund 500 Millionen Euro aus eigenen Mitteln beisteuern, um die Defizite auszugleichen: „Die Krankenhäuser zehren ihre Reserven auf und verschulden sich, um die Patientenversorgung sicherzustellen. […] Im Ergebnis gab es bis Ende 2023 so viele Klinikinsolvenzen (40 Standorte) wie nie zuvor, und mit allein sechs Insolvenzen im Januar 2024 deutet sich bereits an, dass das Jahr 2024 den Negativrekord des Vorjahres noch einmal brechen wird.“ Dabei bezeichnet Gaß diese in Deutschland bisher nie gekannte Insolvenzwelle als „nur die sichtbare Spitze des Eisbergs, der auf uns zukommt.“
Lauterbach gibt sich beratungsresistent
Und Karl Lauterbach? Der bezeichnet Vertreter der DKG angesichts derer Kritik regelmäßig als Lobbyisten und wirft ihnen „Hetze“ im AfD-Stil vor. Das alles, obwohl er wisse, so der Vorwurf in dem offenen Brief, „dass die Deutsche Krankenhausgesellschaft der vom Gesetzgeber bestimmte Selbstverwaltungsträger für die deutschen Krankenhäuser und damit für die flächendeckende Grundversorgung ist, und damit legitimer und vom Gesetz bevollmächtigter Vertreter der deutschen Krankenhäuser gegenüber der Politik“.
Selbst bei Lauterbachs Krankenhausreform fühlen sich die Vertreter links liegengelassen, was angesichts folgender Schilderung noch höflich ausgedrückt erscheint: „Seit Ihrem Amtsantritt gab es von Ihrer Seite keine Einladung an die Deutsche Krankenhausgesellschaft zu einem offiziellen Gespräch über Ihre Vorhaben zur Krankenhausreform. Anstelle eines konstruktiven Dialogs haben Sie von Anfang an darauf gezielt, Ihre Reform gegen Gemeinschaft der Krankenhäuser durchzusetzen.“
Das wiederum erscheint im Hinblick auf Politik der Ampel nur konsequent. Denn nicht wenige Bürger haben in den vergangenen zwei Jahren den Eindruck gewonnen, dass SPD, Grüne und FDP fast schon vorsätzlich gegen die eigene Bevölkerung regieren. Dieser Vorwurf schwingt auch zwischen den weiteren Zeilen des Schreibens mit: „So zielt die von Ihnen mit angeblichen Fakten geführte Qualitätsdebatte darauf ab, die deutsche Krankenhauslandschaft in gute und schlechte Krankenhäuser zu spalten und die Bevölkerung mit Blick auf die Versorgungsqualität in ihrer Heimatregion zu verunsichern.“
Unter dem Strich kommt die DKG jedoch zu einem noch weitaus kritischeren Fazit. Den Ausführungen, auch den in diesem Artikel zitierten, ist leicht zu entnehmen, dass es in den Krankenhäusern in Deutschland längst nicht mehr „nur“ um die Qualität der Versorgung geht, sondern mittlerweile vor allem um die Frage, ob diese überhaupt noch flächendeckend gewährleistet werden kann.
Die DKG fasst das in zwei an Karl Lauterbach adressierten Sätzen so zusammen: „Damit tragen Sie als Minister die Verantwortung für die aus dem kalten Strukturwandel resultierenden Beeinträchtigungen der Patientenversorgung in Deutschland. Nehmen Sie die Hinweise der Deutschen Krankenhausgesellschaft ernst, die in ihrer Verantwortung für die Patientenversorgung vor diesen Fehlentwicklungen eindringlich warnt.“
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