Karlsruhe erklärt Verbot von Kinderehen für verfassungswidrig Bundesverfassungsgericht fordert Nachbesserungen

Von Kai Rebmann

„Unser Land wird sich ändern, und zwar drastisch.“ Während Bundestags-Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Grüne) den historisch beispiellosen Umwälzungen in Deutschland mit kaum verhohlener Freude entgegenblickt, sehen andere das weitaus skeptischer. Denn zu diesen gesellschaftlichen Transformationen gehören unter anderem auch die aus anderen Kulturkreisen importierten Kinderehen. In einem Alter, in dem junge Mädchen in Deutschland konfirmiert werden, müssen sie in anderen Ländern schon vor den Traualtar treten. In den allermeisten Fällen geschieht das nicht ganz freiwillig.

Zwar war und ist die Ehe für unter 16-Jährige in Deutschland nach wie vor generell verboten, für unter 18-Jährige gilt die Einzelfallprüfung. Doch wie sieht es mit im Ausland geschlossenen Ehen aus, an denen Minderjährige beteiligt sind? Im Zuge der ersten Flüchtlingswelle kamen ab dem Jahr 2015 auch immer mehr verheiratete Minderjährige ins Land, bis Mitte 2016 soll deren Zahl auf rund 1.500 angestiegen sein, wie die ARD berichtet.

Pauschale Annullierung nicht mit Verfassung vereinbar

Als Folge erarbeitete die damals amtierende Große Koalition im Hauruckverfahren das sogenannte „Gesetz zur Bekämpfung von Kinderehen“. Dieses sieht die pauschale Annullierung aller im Ausland geschlossenen Ehen vor, an denen ein unter 16-jähriger Partner beteiligt ist. Eine Einzelfallprüfung fand und findet dabei nicht statt.

Gegen dieses Gesetz klagte daraufhin ein Syrer, der im Jahr 2015 in seiner Heimat im Alter von 21 Jahren seine damals 14-jährige Braut geehelicht hatte. Daraufhin flüchtete das Paar über die Balkanroute nach Deutschland. Nach ihrer Ankunft wurden die Eheleute getrennt, zumindest rein physisch, und die Frau wurde unter die Obhut des Jugendamtes gestellt.

Der Syrer ging durch alle Instanzen, was natürlich sein gutes Recht ist, sodass der Fall schließlich vor dem Bundesgerichtshof in Karlsruhe landete. Dort meldeten die Richter aufgrund der fehlenden Einzelfallprüfung verfassungsrechtliche Bedenken an und baten die Kollegen im benachbarten Bundesverfassungsgericht um deren Einschätzung. Der Gesetzgeber habe sich, so der Vorwurf aus Karlsruhe, zu wenig Gedanken über die möglichen Folgen gemacht, wenn eine Kinderehe automatisch für nichtig erklärt werde.

Kinderehen bleiben in Deutschland verboten, aber …

Die Annullierung einer im Ausland geschlossenen Kinderehe könne für den minderjährigen Teil auch negative Auswirkungen haben, so das höchstrichterliche Argument. Als Beispiel wurde der Verlust etwaiger Unterhaltsansprüche genannt.

Das Bundesverfassungsgericht schloss sich dieser Auffassung zwar an, aber das Wichtigste dennoch vorweg: Kinderehen sind und bleiben in Deutschland verboten, ausdrücklich auch solche, die im Ausland geschlossen wurden. Eine Einzelfallprüfung ist dabei auch weiterhin entbehrlich, jedoch fehlt es dem bisherigen Gesetz an einer Regelung zur sozialen Absicherung des minderjährigen Teils der Ehegemeinschaft.

Die Richter in Karlsruhe räumten dem Gesetzgeber eine Übergangsfrist bis Juni 2024 ein, um das „Gesetz zur Bekämpfung von Kinderehen“ mit der Verfassung in Einklang zu bringen. Bis es so weit ist, gilt für Minderjährige das Scheidungsrecht, sodass diese einen Anspruch auf Unterhaltsleistungen durch ihren nicht minderjährigen (Ex-)Partner haben, zumindest theoretisch.

In der Praxis wird es wohl etwas anders aussehen, wie der Griff in die Hosentasche eines nackten Mannes nahelegt. Denn: Wer in Deutschland von staatlichen Transferleistungen lebt, und das trifft in diesen Fällen leider nicht selten zu, der wird auch seine Angetraute nicht aus eigenen Mitteln versorgen können. Es darf also geraten werden, aber nur einmal, an wem das Ganze letztendlich wieder hängenbleiben wird.

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Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.

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