Von Kai Rebmann
Darf der Artenschutz gegen den Tierschutz ausgespielt werden? Auf diese Frage reduzieren sich die Diskussionen um einen Katzen-Lockdown, der in Walldorf (Baden-Württemberg) seit vergangenem Samstag wieder gilt. In der Zeit zwischen 1. April und 31. August dürfen die Stubentiger in einem Wohngebiet im Süden der zwischen Karlsruhe und Heidelberg gelegenen Stadt nur unter strengen Auflagen ins Freie. Noch strenger sind die angedrohten Strafen: Katzenbesitzern drohen Bußgelder zwischen 500 und 50.000 Euro, die ersten Bescheide wurden im vergangenen Jahr bereits verschickt.
Schon vor Jahresfrist mussten Tierfreunde ihre kleinen Räuber über Monate hinweg zu Hause einsperren (reitschuster.de berichtete). Grund ist die Haubenlerche, die in der warmen Jahreszeit brütet und die vom Aussterben bedroht sei. So jedenfalls ist es derzeit in vielen Überschriften und Schlagzeilen zu lesen. Es stimmt zwar, dass der Bestand dieser Vogelart in Deutschland und Westeuropa als gefährdet gilt. Richtig ist aber auch, dass „bis zu 95 Prozent“ der hierzulande lebenden Haubenlerchen ihre Brutreviere in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern haben, wie das RND schreibt. In Baden-Württemberg ist das Vorkommen dieser Vögel also ohnehin eher die Ausnahme als die Regel.
Katzen müssen für Fehler bei der Stadtplanung büßen
Wie ein Lockdown für Katzen in Walldorf dazu beitragen soll, das Aussterben der Haubenlerche in Deutschland zu verhindern, bleibt fraglich. Ab dem Jahr 2013 entstand zwischen dem Stadtzentrum und der SAP-Siedlung ein neues Wohngebiet inmitten einer Zone, die schon damals als Brutrevier der Haubenlerche bekannt war. Nachdem ein Umsiedlungsprojekt aber gescheitert war und im Jahr 2021 nur noch zwei Brutpaare der seltenen Vögel gezählt werden konnten, sah sich der Rhein-Necker-Kreis zum Handeln gezwungen.
Seit vergangenem Jahr und noch bis einschließlich zum Jahr 2025 dürfen Katzen die Wohnung ihrer Besitzer deshalb nicht mehr verlassen. Zumindest nicht als klassischer Freigänger, wie es ihrem Naturell eigentlich entsprechen würde. Das Landratsamt gestattet dabei aktuell nur zwei Ausnahmen: Entweder das Anleinen der Katze, sprich eine Art „Gassigehen“, oder die Ausstattung der Tiere mit einem GPS-Sender.
Bei der letztgenannten Alternative müssen Katzenhalter ihre Lieblinge in der Zeit zwischen September und März mit einem entsprechenden Tracker ausstatten und dabei nachweisen, dass diese nicht das Brutgebiet der Haubenlerche tangieren. Aber selbst damit sind die Besitzer nicht aus dem Schneider. Sie müssen ihre Katzen stets im Auge behalten und sie gegebenenfalls einfangen, sollten diese sich dennoch der verbotenen Zone nähern. Insgesamt also wenig praktikabel, weshalb dem Landratsamt eigenen Angaben zufolge auch nur zwei Anträge auf Befreiung vom Katzen-Lockdown vorliegen.
Haubenlerche hat viele natürliche Feinde
Wer sich mit Vögeln auskennt, der weiß auch, dass die Haubenlerche nicht nur bei Katzen auf dem Speiseplan steht. Auch Marder, Füchse, Krähen und Elstern haben es auf das nur 45 Gramm leichte Federvieh abgesehen. Während Katzen den Sommer „nur“ im Lockdown verbringen müssen, seien Füchse und Elstern in Walldorf inzwischen zum Abschuss freigegeben worden, wie es in dem Bericht heißt.
Der Deutsche Tierschutzbund macht gegen die in einer Allgemeinverfügung verankerte Ausgangssperre mobil und spart dabei nicht mit Kritik. „Wer Katzenschutz missachtet, der ist kein Tierschützer, ich behaupte, nicht einmal Artenschützer“, so Präsident Thomas Schröder. Ähnlich sieht das auch der Naturschutzbund (Nabu), dessen Schätzungen zufolge in Deutschland pro Jahr bis zu 200 Millionen tote Vögel auf das Konto freilaufender Katzen gehen. Ein Sprecher erklärt dazu: „Entscheidender Faktor für die Stabilität der Vogelpopulationen ist nicht die Zahl ihrer Feinde, sondern die Lebensraumqualität.“ Sofern es ausreichend Futter, Nist- und Versteckmöglichkeiten gebe, hätten Katzen kaum Auswirkungen auf das Ökosystem, wie es weiter heißt.
Rechtswidriges Sammeln von Daten
Das Landratsamt verteidigt den umstrittenen Katzen-Lockdown in seiner Allgemeinverfügung unter anderem mit einer Studie aus dem Jahr 1997. Damals wurden von einem Fachbüro über neun Monate hinweg Bewegungsmuster von insgesamt zehn in einem Außenbezirk von Walldorf lebenden Katzen erstellt. Eben dieses Büro wurde vor einigen Jahren erneut beauftragt, dieses Mal zur Erstellung von Konzepten zum Schutz der Haubenlerche. In diesem Zusammenhang wurden aber nicht mehr nur Daten über die Katzen gesammelt, sondern auch über deren Besitzer und schließlich an die Untere Naturschutzbehörde des Rhein-Neckar-Kreises weitergegeben.
Sowohl das Sammeln als auch die Weitergabe dieser Daten war jedoch rechtswidrig, wie inzwischen von einem Gericht entschieden wurde. Vor diesem Hintergrund weist der Deutsche Tierschutzbund darauf hin, dass keine belastbaren Daten vorliegen, die einen Katzen-Lockdown noch rechtfertigen können.
Besonders fragwürdig: Die Väter des Katzen-Lockdowns haben diese Maßnahme offenbar im Wissen um die negativen Auswirkungen auf die Stubentiger erlassen. In der dazugehörigen Allgemeinverfügung heißt es ausdrücklich, dass die Tiere aggressiv oder sogar depressiv werden können, wenn ihr natürlicher Bewegungsdrang unterbunden wird. Balkone, Gärten und Wohnungen sollten daher katzenfreundlich gestaltet werden, so der Rat, der an dieser Stelle eher wie Hohn klingt. Außerdem sei es eine Alternative, seine Katze während der Zeit des Lockdowns in einer Tierpension außerhalb der Sperrzone unterzubringen, wie in dem Dokument allen Ernstes vorgeschlagen wird.
Man muss nun sicher kein böser Verschwörungstheoretiker sein, um auf den Gedanken zu kommen, dass das Beispiel aus Walldorf schon bald auch anderswo in Deutschland so oder in ähnlicher Form übernommen werden könnte. Diese Befürchtung teilt offenbar auch der Tierschutzbund, der die Ausgangssperre „aufgrund formeller und materieller Mängel“ für rechtswidrig hält.
Zeigte sich der lokale Tierschutzverein Wiesloch/Walldorf im vergangenen Jahr noch zuversichtlich, die Allgemeinverfügung auf dem Rechtsweg anfechten zu können, ruhen die Hoffnungen jetzt auf einem Katzenbesitzer. Dieser ist als direkt Betroffener der Maßnahme gegen den Lockdown vor das Verwaltungsgericht gezogen. Zumindest für dieses Jahr dürfte diese Klage aber zu spät kommen.
Nach dem, was ich erlebt habe, und meiner Operation, muss ich meine Arbeit deutlich ruhiger angehen und mich schonen. Dazu haben mich die Ärzte eindringlich aufgefordert. Und ich glaube, das bin ich meinen Nächsten, meinem Team und auch Ihnen schuldig. Wir wollen ja noch eine Weile etwas voneinander haben! Und nach drei Jahren mit Vollgas und an vorderster Front hat der Motor etwas Schonung verdient. Umso mehr bin ich Ihnen dankbar für Ihre Unterstützung! Sie ist auch moralisch sehr, sehr wichtig für mich – sie zeigt mir, ich bin nicht allein und gibt mir die Kraft, weiterzumachen! Und sie gibt mir die Sicherheit, mich auch ein wenig zurücklehnen zu können zur Genesung. Auf dass wir noch ein langes Miteinander vor uns haben! Ganz, ganz herzlichen Dank!
Aktuell sind (wieder) Zuwendungen via Kreditkarte, Apple Pay etc. möglich – trotz der Paypal-Sperre: über diesen Link. Alternativ via Banküberweisung, IBAN: DE30 6805 1207 0000 3701 71. Diejenigen, die selbst wenig haben, bitte ich ausdrücklich darum, das Wenige zu behalten. Umso mehr freut mich Unterstützung von allen, denen sie nicht weh tut.
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Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.
Bild: Screenshot Video Boris Palmer und Ryyan AlsheblMehr von Kai Rebmann auf reitschuster.de