Ärztin aus Weinheim: Anwalt spricht von Rechtsbeugung dpa-Meldung enthält zahlreiche Fehler

Von Kai Rebmann

Das Knallhart-Urteil gegen eine bis dato seit mehr als zwei Jahrzehnten tadellos praktizierende Ärztin aus Baden-Württemberg hat in unserer Leserschaft größtenteils empörte Reaktionen hervorgerufen. Schon kurz nach der Veröffentlichung des Artikels hat sich Rechtsanwalt Ivan Künnemann bei uns gemeldet und uns auf einige fehlerhafte Details hingewiesen, die von der Deutschen Presse-Agentur (dpa) verbreitet wurden und es teilweise auch in unsere Berichterstattung „geschafft“ haben. So ist etwa Beate Bahner nicht die Rechtsanwältin der verurteilten Ärztin, sondern der mitangeklagten Büroangestellten. Die Hauptangeklagte dagegen wurde und wird vor Gericht von Künnemann vertreten. Darüber hinaus sei es nicht um 4.247 Fälle der „Ausstellung unrichtiger Gesundheitszeugnisse“ gegangen, sondern um 4.374 Fälle.

Der dpa wirft Künnemann in diesem Zusammenhang vor, „extrem schlampig“ gewesen zu sein. Dass die Staatsanwaltschaft nichts unternommen bzw. auf die fehlerhafte Berichterstattung hingewiesen habe, wundere ihn dagegen nicht. Die Justiz sei aufgrund der möglichen politischen Weisung der Staatsanwaltschaft schon lange manipuliert. Das sei auch schon vor Corona so gewesen, was inzwischen für jeden ersichtlich sei, der es sehen möchte, schreibt uns Künnemann. Der Rechtsanwalt aus Schleswig-Holstein wies uns außerdem darauf hin, dass die Verurteilung seiner Mandantin nach der alten, bis 23. November 2021 gültigen Fassung von Paragraf 278 StGB erfolgt sei. Die Höhe der Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten fuße demnach nicht auf dem Vorliegen eines „besonders schweren Falls“, sondern resultiere vielmehr aus der Zusammenfassung jedes einzelnen vorgeworfenen Falles zu einer Gesamtfreiheitsstrafe.

Politisch motivierte Verfolgung von Maßnahmen-Kritikern

Ivan Künnemann nimmt gegenüber reitschuster.de kein Blatt vor den Mund und spricht im vorliegenden Fall offen von Rechtsbeugung. Diesen Vorwurf macht der Jurist gleich an mehreren Punkten fest. So falle zum Beispiel auf, dass auf solche und ähnlich gelagerte Fälle regelmäßig Oberstaatsanwälte angesetzt würden, selbst bei der Verfolgung von Patienten, obwohl es dabei um vergleichsweise geringe Vergehen gehe. Insbesondere aber die Verhängung eines sofortigen Berufsverbots gegen die Ärztin stößt Künnemann bitter auf. Da sowohl die Verteidigung als auch die Staatsanwaltschaft, der das Urteil zu milde erscheint, Berufung zum Landgericht Mannheim eingelegt haben, ist das Urteil noch nicht rechtskräftig. Ein sofortiges Berufsverbot empfindet Künnemann daher als rechtswidrig, zumal von seiner Mandantin auch keine unmittelbare Gefahr für die Gesellschaft ausgehe.

Die seitens der Staatsanwaltschaft vorgeworfenen 4.374 Verstöße gegen Paragraf 278 StGB sollen im Zeitraum zwischen Mai 2020 und Januar 2021 begangen worden sein. Der letzte Fall liegt also bereits zwei Jahre zurück, seither hat die Ärztin kein „unrichtiges Gesundheitszeugnis“ mehr ausgestellt. Damals sei es unter anderem zu einer Durchsuchung der Praxis gekommen, wodurch seiner Mandantin erst bewusst geworden sei, dass sie sich strafbar gemacht haben könnte und sie deshalb Gegenstand staatsanwaltlicher Ermittlungen sei, so Künnemann. Die Verhängung eines sofortigen Berufsverbots sei etwa denkbar, wenn die Ärztin auch danach noch weitere Masken-Atteste ohne körperliche Untersuchung ihrer Patienten ausgestellt hätte, was im vorliegenden Fall aber nicht zutreffe und von der Staatsanwaltschaft auch nicht vorgeworfen werde.

Ärztin legt Teilgeständnis ab

Darüber hinaus wirft der gesamte Ablauf der Gerichtsverhandlung weitere Fragen auf. Ivan Künnemann berichtet uns davon, dass seine Mandantin im Rahmen ihrer Einlassung eingeräumt hat, auch Atteste ohne körperliche Untersuchung ausgestellt zu haben. Ferner habe sie bestätigt, dass sich auf der von der Staatsanwaltschaft vorgelegten Liste kein Empfänger befinde, dessen Attest nicht von ihr selbst ausgestellt worden sei. Es sei beispielsweise denkbar, so Künnemann, dass einmal im Umlauf befindliche Atteste fotokopiert oder auf sonstige Weise digital bearbeitet worden sein könnten. Dem sei im vorliegenden Fall, zumindest soweit ersichtlich, aber nicht so gewesen.

Es folgte eine mehrtägige Vernehmung von Zeugen, unter anderem von Polizisten, die an der besagten Durchsuchung der Praxis beteiligt waren. Im Rahmen seines Schlussplädoyers habe Künnemann dann an das Gericht gewandt die Frage gestellt, um wie viele Fälle es konkret gehe und ob man über 300, 4.000, 4.300 oder gegebenenfalls noch mehr Einzeltaten rede. Unter Berufung auf das Protokoll erklärte die Richterin in der mündlichen Urteilsbegründung, dass sich die Angeklagte in ihrer Einlassung zu Beginn des Prozesses „vollumfänglich geständig“ gezeigt habe und es daher um genau die angeklagten 4.374 Fälle gehe.

Dieser Darstellung widerspricht Künnemann jedoch entschieden. Weder er noch seine Kollegin Beate Bahner noch die Ärztin selbst können sich an dieses vermeintliche „vollumfängliche Geständnis“ erinnern. Vielmehr war es am ersten Prozesstag sogar so, dass Rechtsanwalt Künnemann nach der Mittagspause darauf hingewiesen hat, dass seine Mandantin nicht eingeräumt hat, alle 4.374 Patienten nicht untersucht zu haben, wie es vom anwesenden SWR online bereits vermeldet worden war. Der SWR änderte daraufhin seine ursprüngliche Darstellung im betreffenden Artikel. Hätte es ein „vollumfängliches Geständnis“ gegeben, so wäre die gesamte Beweisaufnahme inklusive Anhörung von Zeugen überflüssig gewesen und es hätte bereits am ersten Verhandlungstag ein Urteil gesprochen werden können, argumentiert Künnemann. Da die Angeklagte aber nur eingeräumt hat, „nicht alle 4.374 Patienten“ körperlich untersucht zu haben, hätte die Staatsanwaltschaft – konsequent zu Ende gedacht – für jeden einzelnen der vorgeworfenen 4.374 Fälle nachweisen müssen, dass eine solche Untersuchung nicht stattgefunden hat.

Das Gericht zeigte sich davon jedoch unbeeindruckt und verhängte schließlich das politisch wohl gewollte Hammer-Urteil gegen die Ärztin. Für jedes vor dem 1. Oktober 2020 ausgestellte Attest wurde die Angeklagte zu je 90 Tagessätzen verurteilt, für jedes im Zeitraum zwischen Oktober 2020 und Januar 2021 ausgestellte Attest wurde eine Freiheitsstrafe von jeweils vier Monaten verhängt. Unter dem Strich wurde daraus eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten gebildet.

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Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.

Bild: Shuttserstock

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