Ein Gastbeitrag von Sönke Paulsen
„Es braucht keiner zu träumen, dass der Bund ein Konto einrichtet, von dem alles bezahlt wird. Es gibt das Ding so oder gar nicht.“
„Sie sind nicht der König von Deutschland oder Weltenherrscher. Das ist nicht Ihr Geld, Sie sind schließlich nicht der Kanzler!“
Scholz grinst.
„Da müssen Sie gar nicht so schlumpfig herumgrinsen … oder was haben Sie getrunken?“
Wenn man bedenkt, dass ein solcher Dialog zwischen Scholz und Söder aus der Beratung über die Fortsetzung der Lockdown-Maßnahmen am Mittwoch kolportiert wird (Welt und Tagesspiegel), bekommt man Zweifel daran, ob hier mit dem nötigen Ernst verhandelt wurde. Das intellektuelle Niveau erinnert eher an einen Stammtisch.
Ob das jetzt der Grund ist, dass das Kanzleramt sich hartnäckig weigert, die Protokolle der Bund-Länder-Konferenzen in der Pandemiebekämpfung zugänglich zu machen, bleibt offen. Der Berliner Tagesspiegel hatte hier nach dem Informationsfreiheitsgesetz einen Antrag gestellt, der mit dem Verweis auf den zu schützenden „Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung“ abgelehnt wurde. Es sei „zwingend notwendig“, dass die Regierung „in einem geschützten Bereich“ Ideen aufwerfen, besprechen und auch wieder verwerfen könne, erfuhr der Tagesspiegel auf seinen Antrag hin.
Geschützter Bereich, Ideen aufwerfen und verwerfen, schön und gut. Die Öffentlichkeit wüsste nur gern, welche Ideen da aufgeworfen und verworfen wurden. Immerhin geht es in dieser, nicht ganz verfassungsmäßigen, Runde nur scheinbar um „rechtsunverbindliche politische Beschlüsse“. Tatsächlich werden hier Entscheidungen getroffen, welche die nackte Existenz von Millionen Menschen betreffen.
Da wüsste man doch gerne, wie beraten wurde. Das anfängliche Dialogbeispiel klingt nicht sehr vertrauenserweckend.
Der Berliner Tagesspiegel hat jedenfalls (als einziges Medium) Einspruch gegen diese „Geheimhaltung“ eingelegt. Letztlich geht es darum, dass eine „informelle Superregierung“, die verfassungsmäßig vorgesehene Exekutive aushebelt und die Legislative (Bundestag und Länderparlamente) gleich mit.
Opposition quasi umarmt und gelähmt
Der Trick besteht darin, dass in der „Bund-Länder-Konferenz“ auch die Oppositionsparteien Regierungsentscheidungen mittragen sollen, weil sie in den Bundesländern ja selbst an der Regierung sind (gilt für Grüne und Linke insbesondere). Damit ist die (linke) Opposition quasi umarmt und gelähmt. Es sei denn, Linke und Grüne wollen in ihren regierten Ländern (BW und Thüringen, in denen bald gewählt wird) einen Konfrontationskurs mit den Unions- und SPD-geführten Ländern fahren.
Das käme auf Länderebene, kurz vor den Landtagswahlen, schlecht. Also wird auch im Bund (gemeint ist der Bundestag) nicht gezuckt. Es bleibt bei der Opposition von rechts, bzw. halbrechts (AfD und Teile der FDP), weil von links nichts mehr kommen kann.
Die Kanzlerin hat damit die Oppositionsparteien links von ihr umarmt, was sich aber eher wie ein Würgegriff anfühlen dürfte, denn bei Linken und Grünen gibt es erheblichen Unmut über den Kurs der Bundesregierung in der Pandemie.
Da gibt es eben nicht nur einen Anton Hofreiter, dem alle Maßnahmen nicht eingreifend genug sind, sondern ganz viele Parteigenossen, die einen liberaleren und eigenverantwortlichen Umgang, vergleichbar mit Schweden, präferieren. Die kommen nicht zum Zug. Entgegen den medialen Darstellungen sind viele Wähler der Grünen und Linken in der Querdenker-Bewegung präsent, wenn man Erhebungen des Soziologen Oliver Nachtwey glauben darf.
Hier wird etwas abgewürgt, was mit Demokratie zu tun hat und die Geheimhaltung der Beratungsprozesse in den Bund-Länder-Konferenzen passt genau dazu!
Das Problem besteht eben genau darin, dass wir nicht von einer „Geheimdienstregierung“, die ständig neben ihren institutionell vorgesehenen Strukturen agiert, regiert werden wollen, sondern von der demokratisch gewählten Regierung, gemäß den Regeln des Grundgesetzes.
Die Gewaltenteilung ist hier essenziell und wird gerade kaltblütig ausgehebelt, indem man die Opposition zur Mittäterschaft zwingt und im Parlament auf diese Weise ruhigstellt. Das ist mit dem Würgegriff dieser informellen Allparteien-Regierung, vergleichbar einem Zentralkomitee, gemeint.
Die Kunst der autoritären Herrschaft besteht dabei darin, unterhalb der Schwelle zu bleiben, an der das Volk rebelliert. Nur wenige verstehen, dass autoritäre Regierungen durchaus vorsichtig mit dem Volk umgehen, um ihre Alleinherrschaft nicht zu gefährden.
Merkel ist daran gewöhnt. Für Söder ist es ein inneres Bedürfnis.
Unsere gewählten Regierungen geben seit Jahren Kompetenzen an Brüssel ab (Merkel und Macron stehen hier an der Spitze der nationalen Entmachtungsbewegung), ohne ihre Wähler vorher deutlich zu fragen. Volksabstimmungen (wie wir sie beim Lissabon-Vertrag in Europa erlebt haben) sind hierzulande ein Ärgernis und werden vermieden, wo es geht. Wer sie fordert, ist ein Populist.
Das macht Sorgen! Denn auch von den EU-Architekten wird unsere Verfassung ständig untergraben.
Der Eindruck, dass mit Söder ein Machtpolitiker mit geringer Demokratieadhärenz und großem persönlichen Ehrgeiz unsere Demokratie noch weiter schädigen wird, wenn er die Kanzlerschaft erringt (was nicht ganz unwahrscheinlich ist), lässt sich nicht nur im anfänglichen „Stammtisch-Dialog“ gewinnen.
Söder ist impulshaft, autoritär gebürstet und traut dem Volk nicht. Man wolle mit diesen Entscheidungen zur „Lockerung unter Vorbehalt“ ein Stück „Vertrauen und Freiheit (an die Bürger) zurückgeben“. Vertrauen aber wird in einer Demokratie den Politikern vom Volk gegeben und nicht umgekehrt!
Solche Äußerungen aus Bayern stoßen jeden Demokraten massiv vor den Kopf und sind dazu geeignet, diejenigen, die eine wackelige Bindung an die Demokratie haben, zu bestätigen. „Das Land muss von einem starken Mann regiert werden.“
Nach der „Walküre“ kommt dann also der „Siegfried aus Bayern“. Wir versinken dabei immer tiefer in irrationalen „Wagnerschen-Sagenwelten“, die nicht nur von unseren Politgrößen wie Merkel und Söder gepflegt werden (Bayreuth), sondern auch von unseren Wirtschaftseliten, die mit Demokratie ihrerseits oft wenig anfangen können. Richard Wagner, der Liebling Hitlers, Merkels und der deutschen Industrie-Elite, auch der Liebling von Söder?
Was soll uns das sagen?
Die demokratischen Entscheidungswege werden ausgehebelt. Gezielte Intransparenz soll die Öffentlichkeit daran hindern, die Beratungsprozesse zu beurteilen. Die Bühne ist hell, dahinter der Vorhang undurchsichtig, im Zuschauerraum bleibt es dunkel.
Keine Demokratie!
Eher eine Aufführung von Wagners „Götterdämmerung“.
Gastbeiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.
Sönke Paulsen ist freier Blogger und Publizist. Er schreibt auch in seiner eigenen Zeitschrift „Heralt“
Bild: Screenshot/Tagesschau/Youtube
Text: Gast
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