Von Kai Rebmann
So voll sind die Kirchen in Deutschland schon lange nicht mehr, zumindest nicht, wenn dort Gottes Wort – oder das, was die EKD (Evangelische Kirche Deutschlands) dafür hält – gepredigt wird. Rund 300 Besucher haben sich am vergangenen Mittwoch in der evangelischen St.-Thomas-Kirche in Berlin-Kreuzberg eingefunden. Grund: Die „Letzte Generation“ hatte zu einer Art Auftaktveranstaltung für ihre sogenannten „Proteste“ geladen, mit denen sie in den kommenden Wochen die Hauptstadt lahmlegen will. Also genau dasselbe machen will, worin die Politik schon seit Jahren sehr erfolgreich ist – nur eben mit weitaus drastischeren Mitteln.
Nach einem kostenlosen und selbstverständlich veganen Frühstück folgte eine Pressekonferenz. Aimée van Baalen, Carla Hinrichs und einige weitere Aushängeschilder der Organisation schworen ihre Gäste in der Kirche auf den anstehenden Klima-Krieg in Berlin ein. Daran schlossen sich „Erfahrungsberichte“ einiger Veteranen der „Letzten Generation“ an, die wohl an all jene gerichtet waren, die bei den einschlägigen Workshops in den letzten Wochen entweder gefehlt oder nicht richtig aufgepasst haben. Schließlich zogen die Extremisten unter den sanften Klängen von meditativer Orgelmusik aus der Kirche und machten sich auf den Weg zu einer unangemeldeten Kundgebung im Kiez.
‚Die evangelische Kirche in Deutschland hat sich mit uns solidarisiert‘
So oder so ähnlich werden sich diese Szenen in den kommenden Wochen – jeweils mittwochs – an einem Ort wiederholen, an dem für gewöhnlich das Evangelium verkündet werden sollte. Doch das Seelenheil scheint für die EKD schon seit längerer Zeit nicht mehr in der Bibel zu liegen, sondern in der Unterstützung der Klima-Extremisten. Ihre diesbezügliche Unschuld hat die Kirche spätestens im November 2022 verloren, als sie den offenen Schulterschluss mit der „Letzten Generation“ geübt und sich selbst als deren „Junior-Partner“ bezeichnet hat.
Vor diesem Hintergrund wirken auch die Worte von Pfarrerin Rebecca Marquardt wenig glaubhaft, wenn sie beteuert, dass man zwar dieselben Ziele teile, nicht aber die dafür angewandten Mittel. „Es handelt sich hier ausdrücklich um keine Kooperation“, behauptet die Hausherrin der St.-Thomas-Kirche gegenüber den Springer-Medien.
Die aus ganz Deutschland mobilisierten Gäste sehen das offenbar anders. Die „Berliner Zeitung“ zitiert eine Teilnehmerin, die das Offensichtliche ausspricht: „Die evangelische Kirche in Deutschland hat sich mit uns solidarisiert.“ Und tatsächlich: Mehrere Medien berichten, dass die lokale Kirchengemeinde ihre Räumlichkeiten kostenlos zur Verfügung stellt. So viel Service und Gastfreundschaft ist bei der EKD keineswegs selbstverständlich. Christen, die die Taufe von Kindern oder eine kirchliche Trauung wünschen, aber kein Mitglied der EKD (mehr) sind, werden dagegen regelmäßig abgewiesen.
Zuschriften aus ganz Deutschland
Das temporär in einer Kirche gewährte Asyl ist offenbar nicht nur in Berlin ein Thema. Die Kirchengemeinde sei in den vergangenen Tagen mit entsprechenden Zuschriften regelrecht überschwemmt worden, wie es heißt. Das Verständnis für die zumindest indirekte Unterstützung von Straftaten scheint sich unter den Schäfchen der EKD-Herde in sehr engen Grenzen zu halten. Denn anders als bisher behauptet, nimmt die „Letzte Generation“ die Blockade von Rettungsfahrzeugen – und damit im Zweifel auch Tote – nicht nur billigend in Kauf, sondern unterbindet entsprechende Einsätze auch gerne aktiv. So fragte Benjamin Jendro von der Gewerkschaft der Polizei zuletzt via Twitter, was es dem Klima bringen soll, wenn sich die Extremisten an Polizeiautos festkleben.
Der EKD ist das einerlei. Unverdrossen versucht sie, sich und den weiter Kirchensteuer zahlenden Mitgliedern vorzugaukeln, für die gute Sache zu streiten. Die „Bild“ zitiert eine Sprecherin der EKD: „Durch die neue (kircheninterne) Klimaschutzrichtlinie sollen bis 2035 im Raum der EKD 90 Prozent Netto-Treibhausneutralität erreicht werden. Klimaneutralität soll 2045 erreicht werden.“ Helfen soll dabei unter anderem ein Tempolimit für Pfarrer, worüber reitschuster.de bereits berichtete.
Die Älteren werden sich erinnern: Es gab eine Zeit, in der sich die Kirche noch auf ihre ureigene Aufgabe konzentriert hat; in der sie noch als eine Institution und ihre Würdenträger als uneingeschränkte Respektspersonen wahrgenommen wurden. Für Pressekonferenzen und gemeinsames Frühstück unter der Schirmherrschaft der „Letzten Generation“ mag es in Berlin und Deutschland viele geeignete Orte geben – eine Kirche gehört aber mit Sicherheit nicht dazu!
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Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.
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