Gregor Gysi von der „Linken“ ist für seine exzellenten Kontakte nach Moskau schon zu Sowjetzeiten bekannt, ebenso der Linkenfraktionschef Dietmar Bartsch, der in Moskau auf einer Eliteschmiede studiert hat. Beide hielten bisher treu zu Putin. Bis Februar. Und jetzt das. Dietmar Bartsch nannte den russischen Präsidenten Wladimir Putin, auf den er früher kaum etwas kommen ließ, einen „Kriegsverbrecher“. Dutzende unschuldiger ukrainischer Kinder seien ermordet worden, tausende Zivilisten gestorben, Millionen hätten ihre Heimat verlassen, sagte Bartsch vor einer Fraktionssitzung der Linken in Berlin, wie der Spiegel schreibt. Das sollte auch den letzten eingefleischten Putin-Freunden zu denken geben – Bartsch kann man viel vorwerfen, aber nicht, dass er amerikafreundlich wäre oder wenig Kritik an der Politik des Westens üben würde. Ganz im Gegenteil. Doch Bartsch hat rechtzeitig erkannt, dass sich die Verbrechen Putins nicht mehr relativieren lassen. Und dass man sich auf das Abstellgleis der Geschichte manövriert, wenn man das tut.
Bartsch sagte weiter: „Putins Verbrechen müssen so schnell es geht beendet werden. Dass er die Kapitulation einfordert und weiter bombt, das ist ein Verbrechen gegen das Völkerrecht und Putin ist zweifelsfrei ein Kriegsverbrecher.“
Zuvor hatte Gysi sich in einem Video auf Russisch mit einem „dringenden Appell“ an Russen in der Russischen Föderation und in Deutschland gewandt – auf dem offiziellen Youtube-Account seiner Partei. Er appellierte an sie, „alles in Ihrer Kraft Stehende zu tun, um den Krieg, den Russland in Ihrem Namen führt, zu beenden.“ Er wisse, dass es in Russland deutlich schwerer sei, „auf die Straße zu gehen und gegen den Krieg zu protestieren als in Berlin“, so Gysi auf Twitter. Aber gerade deswegen habe er „umso größeren Respekt für alle, die das tun.“ Millionen könnten nicht eingesperrt werden, so der Links-Poltiker und frühere Putin-Verteidiger: „Ich bitte Sie, ächten Sie diesen Krieg.“ Zum Abschluss entschuldige sich Gysi noch dafür, dass sein Russisch aus Schulzeiten „ein bisschen rostig“ sei. Wobei der Begriff „rostig“ wohl eher eine Untertreibung ist.
Wie kommt es zu diesem Sinneswandel von zwei Vorzeige-Linken mit engstem Draht nach Moskau, bei denen vorher kaum ein Blatt Papier zwischen sie und Putin passte? Bartsch und Gysi haben ein feines Gespür für Stimmungen und Entwicklungen – was nicht zuletzt ihrer Kaderschule zu verdanken ist. Sie setzen sich gerade noch rechtzeitig von Putin ab. Die bisherige Taktik, Putins Politik mit Fehlern des Westens zu rechtfertigen (im Fachjargon „Whataboutismus“ – stetiger Verweis auf Fehler anderer zur Ablehnung), ist gescheitert angesichts dessen, was der russische Präsident in der Ukraine angerichtet hat. An solchen Verbrechen gibt es nichts schön zu reden.
Bild: Juergen Nowak/ShutterstockText: br