Ich würde „Corona-Verharmlosern eine Plattform bieten“, warf mir gerade die Bayerische Staatszeitung vor. Ich dachte immer, Kritikern der Regierung und ihrer Maßnahmen eine Plattform zu bieten, sei Aufgabe von Journalisten. Im Deutschland dreißig Jahre nach dem Ende der DDR-Diktatur ist es Grund für Angriffe und Diffamierungen. Aber dennoch oder erst recht: Heute biete ich erneut einem Kritiker der Corona-Maßnahmen eine Tribüne. Einem alten Bekannten und erfahrenen Beamten, der anonym bleiben will, weil er sonst rechtliche Folgen fürchten muss. Und der sich riesige Sorgen macht um unsere Demokratie und Freiheit wegen des neuen Corona-Gesetzes. Urteilen Sie bitte selbst: Ist es Aufgabe von Journalisten, solche Stimmen zu unterdrücken, wie das offenbar viele Kollegen sehen? Oder sollten Journalisten dafür sorgen, dass auch solche kritischen Stimmen gehört werden – die eine ganz andere Meinung haben zu dem neuen Corona-Gesetz, dass in den großen Medien mehr oder weniger nebenbei abgehakt wird? Hier der Text:
Als ein solcher bin ich besorgt, weil ich mich seit dem Beginn der Coronakrise immer häufiger mit den Folgen des Handelns einer entfesselten, ja mir teilweise wild geworden erscheinenden Exekutive konfrontiert sehe.
Das neueste Beispiel durfte ich gestern Abend am eigenen Leib erleben. Am Niederrhein wohnend hatte ich die Landeshauptstadt Düsseldorf seit März gemieden – die sonst viel besuchten Konzerte waren allesamt ausgefallen. Gestern ging es aber nun nicht anders und ein Düsseldorfer Freund wies mich darauf hin, daß nunmehr für die gesamte Stadt Maskenpflicht im Freien angeordnet sei, ausgenommen sind nur Friedhöfe, Grünanlagen usw. In der Tat, hier ist es nachzulesen.
So gerüstet fuhr ich also gestern in die Stadt, kam nicht umhin, auf einem Fußweg die wie ausgestorben wirkende Altstadt zu besichtigen und beschloss, nachdem ich wieder glücklich im Auto saß, die Stadt zu meiden, bis diese Regelung wieder aufgehoben – oder aber von Verwaltungsgerichten kassiert wird. Erste Eilanträge dazu seien bereits eingereicht, so der Düsseldorfer Freund, der gleich sarkastisch anmerkte, der neue OB und frühere Ordnungsdezernent Keller (CDU) führe sich gut in sein Amt ein.
Nun wurde noch in der letzten Woche nach dem Beschluss des seit Montag geltenden „Lockdown light“ vielerorts beklagt, die Einbindung des Bundestags in die Entscheidungsfindung sei in den vergangenen Monaten zu kurz gekommen, das gehöre dringend geändert. Eine Stimme stellvertretend für viele – der Jurist Volker Boehme-Nessler kommt hinsichtlich der Maßnahmen zu dem Schluß: „Die sind einfach zu pauschal unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten.“
Die Bundesregierung schien also nichts gelernt zu haben aus den von Verwaltungsgerichten kassierten Verordnungen etwa zu Beherbergungsverboten.
Konsequenterweise wurde nun heute eine weitere Novellierung des Infektionsschutzgesetzes in erster Lesung im Bundestag beraten. Es soll u.a. ein weiterer Paragraph, der § 28a in das Gesetz eingefügt werden, der es „in sich hat“, weil er Eingriffe in verschiedene Grundrechte mit sich bringt, bereits gestern gab es hier auf dieser Seite einen eine Dystopie beschreibenden Artikel dazu, in dem auch die Originalquelle verlinkt ist:
Und so wie die Bundeskanzlerin neulich über kommendes Unheil spekulierte, so machte es in meinem Hinterkopf gleich „klick“ und ich erinnerte mich an einen unheilvollen Artikel in der Weimarer Reichsverfassung von 1919. Deren Artikel 48 (2) lautet:
„Der Reichspräsident kann, wenn im Deutschen Reich die öffentliche Sicherheit und Ordnung erheblich gestört oder gefährdet wird, die zur Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung nötigen Maßnahmen treffen, erforderlichenfalls mit Hilfe der bewaffneten Macht einschreiten. Zu diesem Zwecke darf er vorübergehend die in den Artikeln 114, 115, 117, 118, 123, 124 und 153 festgesetzten Grundrechte ganz oder zum Teil außer Kraft setzen.“
Die genannten Artikel betrafen die persönliche Freiheit, die Unverletzlichkeit der Wohnung, das Brief- und Fernmeldegeheimnis, die Meinungsfreiheit, die Versammlungsfreiheit, die Vereinsfreiheit und das Recht auf Eigentum. Wikipedia schreibt dazu:
„Daraus wurde in der Verfassungspraxis das Recht hergeleitet, formelle Verordnungen mit materieller Gesetzeskraft zu erlassen. Die Verfassung sah für die Ausnahmebefugnisse eine Konkretisierung durch ein Ausführungsgesetz vor (Art. 48 Abs. 5). Da dieses aber nie erlassen wurde, blieben jene Befugnisse sehr weit und unbestimmt.“
Aus dieser Erfahrung heraus vermieden die Väter und Mütter des Grundgesetzes solche Fehler. Das Amt des Bundespräsidenten im Grundgesetz ist ein nahezu machtloses.
Damit zum Kern meines kleinen Aufsatzes: Fällt denn wirklich keinem der Juristen und politischen Kommentatoren die „machttechnische“ Nähe der aktuell bevorstehenden Novellierung des Infektionsschutzgesetzes zum Artikel 48 der Weimarer Reichsverfassung ins Auge?
Hier werden noch nicht einmal dem Staatsoberhaupt die umfassenden Durchgriffsrechte auf einige im Grundgesetz verankerte Grundrechte der Bürger eingeräumt, sondern dem Gesundheitsminister.
Aktuell ist dieses Amt einem Mann anvertraut, der ebensowenig Mediziner oder Jurist ist wie ich selber, sondern ein Berufspolitiker, dessen wichtigste Qualifikation im Umgang mit Gesundheitsthemen seine frühere Tätigkeit als Lobbyist in dem Bereich ist. Nun will man ihm dennoch keinesfalls unterstellen, die zugewonnene Macht zu missbrauchen, aber kann man das auch für alle seine denkbaren Nachfolger ausschließen? Diese Frage muss erlaubt sein und sie muss auch gestellt werden.
Ganz generell erlebe ich als 1966 Geborener, dass in den letzten 15 bis 20 Jahren die Freiheitsrechte der deutschen Bürger im Wege einer Salamitaktik immer weiter beschnitten werden. Ob es das Bankgeheimnis ist, der immer wieder unternommene Versuch zur Vorratsdatenspeicherung, die Ansätze zur Bargeldabschaffung, es fallen mir viele kleine Beispiele ein.
Hinzu kamen Maßnahmen, die entweder die soziale oder finanzielle Sicherheit (Hartz 4, Leiharbeit, Soli, Euro-Rettung, Niedrigzinspolitik), die Energiesicherheit und deren Bezahlbarkeit (Energiewende) oder die innere Sicherheit (Migration) in Frage stellten. Vieles davon geschah ohne Not.
Mit der nun anstehenden Novellierung des Infektionsschutzgesetzes rundet sich das alles zu einem Bild, das „Entrechtung des Souveräns“ heißen könnte. Haben wir jetzt durch Corona eine Not, die den Notstand wirklich rechtfertigt ?
Ist es erforderlich, dem gewöhnlichen Bürger auf diese Weise das Klagerecht vor der unteren Instanz der Verwaltungsgerichtsbarkeit zu nehmen?
Wenn diese Novellierung durchgeht – und davon gehe ich fest aus – wird ein ganz großes Stück von unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung abgeschnitten, von dem unklar ist, ob wir es je zurückbekommen. Deutschland ist dann keine lupenreine Demokratie mehr, sondern auf dem Weg in die Hygienediktatur.
Vielleicht auch auf dem Weg in eine öko-hygienische Diktatur? Denn wenn jetzt angesichts von Corona der Notstand beschworen wird, was geschieht erst, wenn die dominierende politische Nomenklatur angesichts der „Klimakrise“ weiter und noch durchgreifender in die Grundrechte eingreifen will ?
Zusammen mit dem aus dem Monat Juli 2020 stammenden Bericht des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages hinsichtlich einer möglichen Verschiebung der für 2021 geplanten Bundestagswahl ergibt sich in meinen Augen das Gesamtbild einer erheblich in Gefahr geratenden Demokratie in Deutschland.
Ich hoffe, es finden sich Juristen, die mit aller Kraft gegen beides kämpfen und uns die freiheitlich-demokratische Grundordnung erhalten. Hilft das nichts, kommt der Souverän früher oder später nicht umhin, die Frage nach dem Bedarf für die Anwendung des Art. 20 (4) GG zu stellen.
Wer in der Demokratie schläft, wacht in der Diktatur auf. Nie seit 1949 war dieser Satz berechtigter als heute.
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Text: red