Maske übers Kinn gezogen: Gericht verurteilt zum Straf-Aufsatz Volkserziehung in Deutschland 2021

Von Elias Huber

Schon Aristoteles lehrte vor über 2000 Jahren, dass es auf das rechte Maß ankommt. Doch das fehlt oftmals gerade bei Polizei und Justiz. Drogendealer im Görlitzer Park können etwa auf Nachsicht hoffen, Corona-Vergehen werden dagegen mit aller Härte bestraft. Das zeigt auch ein Bußgeld-Verfahren am Amtsgericht in Braunschweig.

Dort hat ein 17-jähriges Mädchen gegen die Maskenpflicht verstoßen und muss einen Aufsatz schreiben. Thema des dreiseitigen, handgeschriebenen Textes soll sein: “Die Auswirkungen der coronabedingten Kontaktbeschränkungen auf das alltägliche Leben und Sinn und Zweck der Infektionsschutzregeln”. So verlangt es das Amtsgericht Braunschweig, wie aus einem Schreiben der Behörde hervorgeht, das reitschuster.de vorliegt. Das Gericht droht sogar mit Freiheitsentzug. Sollte die Betroffene bis zum 5. Februar den Aufsatz nicht einreichen oder ein Bußgeld von 75 Euro nicht bezahlen, “muss sie (…) mit der Verhängung von Jugendarrest rechnen”, schreibt eine Richterin in dem Dokument.

Der Vater des Mädchens ärgert sich im Gespräch mit reitschuster.de über die Strafe. Seine Tochter sei Mitte November in der Mittagspause in die Stadt gegangen, um etwas zu essen, erzählt der Mann. Die Schulkantine sei wegen Corona geschlossen gewesen. Beim Warten auf die Bestellung habe sich die Gymnasiastin für kurze Zeit die Maske über das Kinn gezogen. Das fiel einem Polizisten auf, der Anzeige erstattete. “Die Maskenpflicht galt meiner Erinnerung nach erst seit einer Woche an der Stelle. Außerdem haben Hinweisschilder zum Teil gefehlt”, sagt der Vater. Seine Tochter habe von der Maskenpflicht in der Fußgängerzone zwar gewusst, sei sich aber nicht sicher gewesen, an welchen Stellen genau die Auflage gelte.

Besonders verärgert den Vater die Begründung des Polizisten. Das Mädchen hätte sich demnach in den sozialen Medien über die Maskenpflicht informieren müssen. “Der Polizist und die Behörden hätten kulanter sein können. Der Polizist hätte es bei einer mündlichen Verwarnung belassen können”, sagt der Familienvater, der als Berufsmusiker arbeitet und anonym bleiben möchte.

Laut dem Vater habe die Familie gebeten, dass das Mädchen Sozialstunden ableisten darf. Darauf sei das Amtsgericht aber nicht eingegangen. Nun fordert die Behörde einen Aufsatz, weil die Schülerin “über kein eigenes Einkommen verfügen dürfte”, wie es in dem Schreiben heißt. “Ich frage mich, ob jemand von den im Amtsgericht arbeitenden Justiziaren diesen Aufsatz überhaupt liest”, sagt der Vater und fügt hinzu: “Allein der Aufwand des Staatsapparates!”

Das Amtsgericht Braunschweig nimmt auf Anfrage nicht näher Stellung. Es handle sich um ein Vollstreckungsverfahren eines Bußgeldbescheids, welches sich aufgrund der Minderjährigkeit der Betroffenen nach Jugendrecht richte, sagt ein Sprecher. Somit sei es ein nichtöffentliches Verfahren und Auskünfte hierzu würden nicht erteilt.

Vater und Tochter wollen derweil eine Arrest-Strafe unbedingt vermeiden. Das Mädchen habe die Strafe anfangs zwar “witzig” gefunden, aber für das künftige Berufsleben könnte der Arrest problematisch sein, fürchtet der Vater. Bei dem Aufsatz wollen nun Nutzer des Telegram-Kanals von Gunnar Kaiser, einem Publizisten, helfen. Dort war das Schreiben des Gerichts zuerst veröffentlicht worden. “Wie ich höre, wird es ein Corona-kritischer Aufsatz werden”, sagt der Vater.

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Elias Huber arbeitet als freier Journalist in Frankfurt am Main.
Bild: Anelo/Shutterstock
Text: eli

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