Der Blick von außen ist manchmal aussagekräftiger als ein Dutzend Innenansichten. Eine russische Leserin hat mich auf einen Text von Alfred Koch hingewiesen, den früheren Vize-Regierungschef von Russland unter Boris Jelzin, der Russlanddeutscher ist und seit vielen Jahren in Oberbayern lebt. Sie meinte, seine Aufzählung der „Verdienste“ von Angela Merkel habe sie schwer beeindruckt und dazu gebracht, die Rolle dieser Frau neu zu bewerten. Koch, der inzwischen auch die deutsche Staatsbürgerschaft hat, geht mit dem, was Merkel etwa mit der Armee angerichtet hat, weitaus deutlicher ins Gericht, als man sich das als in Deutschland Geborener trauen würde. Ich habe Koch, den ich seit langem kenne, deshalb gebeten, mir die Übersetzung und den Abdruck seines Textes zu erlauben – was er freundlicherweise auch tat. Hier sein Text:
Aber die 16 Jahre der Herrschaft Merkels haben Deutschland enorm geschadet. Sie hat sich bei der Wahl zwischen einer Lösung, die Deutschland nützt oder schadet, immer für die schlechteste Lösung entschieden. Sie hat Deutschland im Energiebereich zu einer Geisel Putins gemacht, indem sie einerseits den Bau von Flüssiggasterminals ablehnte und andererseits ein beschleunigtes Atomausstiegsprogramm beschloss.
Sie hat alles auf eine Karte gesetzt und die deutsche Wirtschaft von russischen Gaspipelines abhängig gemacht. Nun ist sie still und leise gegangen und hat Deutschland in einer Lage hinterlassen, in der es nicht fähig ist, mit Putins faschistischem Regime zu brechen, ohne eine große wirtschaftliche Katastrophe zu riskieren.
Sie hat die Bundeswehr völlig dezimiert, sie mit Hilfe ihrer Freundin Ursula von der Leyen (die dafür dann mit dem Posten als EU-Chefin belohnt wurde) von der Anfang der 2000er Jahre stärksten Landarmee Europas in einen Debattierplatz für die Rechte sexueller Minderheiten verwandelt und unter dem Vorwand, den Rechtsextremismus zu bekämpfen, sogar die Erinnerung an die ruhmreiche militärische Tradition der deutschen Armee vollständig aus dem Bewusstsein unseres Militärs gelöscht.
Das Ergebnis ihres Wütens ist, dass die Sieger der Schlachten von Rosbach, Leipzig, Waterloo und Sedan nicht zurecht stolz auf ihre Militärgeschichte sein können, während die Armeen anderer Länder aus den Lehrbüchern von Moltke, Clausewitz, Manstein und Guderian lernen.
Die neue Verteidigungsministerin Christine Lambrecht hat tatsächlich offiziell zugegeben, dass die Bundeswehr keine brauchbaren Reserven an schweren Waffen hat, die sie an die Ukraine liefern könnte. Das ist unfassbar! Es kann kein Zufall sein, dass es zu dieser Situation gekommen ist. Dies war ein sorgfältig geplanter und kaltblütig durchgeführter Sabotageakt gegen die eigene Armee und damit gegen das eigene Land.
Zeitungen schreiben schon seit langem, dass die Bundeswehr über keinen einzigen funktionstüchtigen Panzer, BMP oder Hubschrauber verfügt, und nun wurde dies endlich auch offiziell bestätigt. Ganz zu schweigen von der völlig irrsinnigen Flüchtlingspolitik Mitte der 2010er Jahre, als Merkel die Bitte der Türkei um Mittel für die Ansiedlung syrischer Flüchtlinge zunächst ablehnte, dann 2 Millionen Flüchtlinge nach Deutschland ließ und anschließend Erdogan die von ihm geforderte Summe dennoch zahlte.
Und das Sahnehäubchen ist eine absolut brutale Anti-Covid-Kampagne mit einem völlig sinnlosen Lockdown, die zu einer Inflation von fast 10% führte und die gleiche Sterblichkeitsrate wie im lockdownfreien Schweden zur Folge hatte. Heute ist Deutschland schwach, abhängig und desorientiert. Es kann keine unabhängige Politik machen. Und dabei ist Deutschland doch die größte Volkswirtschaft in der EU.
Zu betonen ist, dass dies ein Verdienst aller politischen Kräfte in Deutschland ist. Es ist das gemeinsame Werk der SPD, des CDU/CSU-Blocks, der Grünen und sogar der FDP. Dies wurde deutlich, als Lambrecht (SPD) auf den Vorwurf von Merz (CDU/CSU), die Bundeswehr sei in einem beklagenswerten Zustand, zu Recht darauf hinwies, dass dies das Ergebnis seiner Partei sei, deren Vertreterin (Ursula von der Leyen) all die Jahre das Verteidigungsministerium geführt habe.
Ich glaube, dass Deutschland mit Merkels Erbe zurechtkommen wird. Olaf Scholz hat nur deshalb einer Lieferungen von schweren Waffen an die Ukraine zugestimmt – zumindest pro forma, denn Panzer ohne Munition sind nichts wert, weil sonst die Opposition einen entsprechenden Antrag gegen seine Regierung in den Bundestag eingebracht und damit seine Regierung ins Wanken gebracht hätte. Es wäre wohl ein Misstrauensvotum gegen seine Regierung geworden.
Ich möchte keine Vermutungen anstellen, warum Scholz die Situation so zugespitzt hat. Es gibt Gerüchte, dass Putin aufgrund der Tatsache, dass Scholz in seiner Jugend ein großer Freund der DDR und dann von Gerhard Schröder war, ein „Mäppchen“ (kompromittierendes Material, im traditionellen KGB-Jargon) auf ihn hat.
Falls das so ist, ist ein Misstrauensvotum kein schlechter Ausweg für ihn. Das ist besser als eine peinliche Enthüllung. Aber damit begebe ich mich in den Bereich der Gerüchte und Spekulationen. Und obwohl ich Linke und Rote im Allgemeinen nicht mag, möchte ich nichts über eine Person behaupten, ohne Fakten in der Hand zu haben.
Auf jeden Fall werden wir schon sehr bald die Situation genauer verstehen.
Es kann auch nicht anders sein, denn unsere Sache ist richtig. Der Feind wird besiegt werden. Und der Sieg wird unser sein.
Gastbeiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.
Zum Autor: Alfred Reingoldowitsch Koch ist promovierter Wirtschaftswissenschaftler und Russlanddeutscher. Unter Boris Jelzin war er Vize-Regierungschef und Leiter der Russischen Privatisierungsbehörde. Wladimir Putin kennt er noch aus gemeinsamen Petersburger Tagen. Später fiel er bei seinem alten Bekannten in Ungnade und musste ins Exil. Seit fast zehn Jahren lebt er in Oberbayern und ist inzwischen deutscher Staatsbürger. Er gilt heute als einer der bekanntesten Putin-Kritiker und hat allein auf facebook ein Publikum von mehr als 120.000 Abonnenten.
Bild: Filmbildfabrik/ShutterstockText: br/Gast
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