Ministerpräsident Günther fordert: Tests sollen kostenpflichtig werden Zwangsimpfung, die nur noch nicht so heißen soll.

Von Alexander Wallasch

Wie schafft man es eigentlich, den Druck auf Kritiker der Corona-Maßnahmen der Bundesregierung noch einmal auf ein neues Level zu heben? Daniel Günther, Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, muss von seinen grünen Koalitionspartnern schwer kontaminiert worden sein, betrachtet man seinen neuesten Vorschlag einer Zwangsimpfung durch die Hintertür.

Aber der Reihe nach: Noch im September 2020 sprach Claudia Wiesemann, die Direktorin der Abteilung für Ethik und Geschichte der Medizin an der Universitätsklinik Göttingen, im Deutschlandfunk über Zwangsimpfungen. Und die renommierte Medizinethikerin legte sich fest: „In Deutschland werde es auf keinen Fall eine Zwangsimpfung geben.“ Das hätte auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn mehrfach betont. Und auch in der Wissenschaft herrsche darüber Einigkeit. Eine Zwangsimpfung würde auch keinen Sinn ergeben, ergänzte Wiesemann noch: Das Setzen auf Einsicht und Freiwilligkeit sei effektiver als Zwang.

Tatsächlich hatte Minister Spahn gegenüber dem gleichen Sender Mitte Januar diesen Jahres seine Haltung erneuert und bestätigt: „Ich habe im Bundestag mein Wort gegeben: In dieser Pandemie wird es keine Impfpflicht geben. Und das gilt.“

Gleichzeitig allerdings betonte der Bundesgesundheitsminister die Testpflicht. Und genau hier möchte jetzt sein Parteifreund, Ministerpräsident Daniel Günther, ansetzen und faktisch den Impfzwang über das Portemonnaie, bzw. wenn das leer ist, offensichtlich über massive Ausgrenzung von Impfskeptikern und -gegnern erreichen.

Was hier bereits sprachlos macht: Die Bundesregierung hatte Unmengen von Steuergeldern in vielfacher Millionenhöhe zum Fenster hinausgeschmissen, als man sich von ein paar pfiffigen Geschäftsleuten bei den Corona-Tests hatte schwerst übers Ohr hauen lassen. Als das Geld in viele dubiose Taschen versickert war, wachte Jens Spahn aus seinem Nickerchen auf, sprach schnell von besseren Kontrollen und die Ärztezeitung formulierte den GAU mit den Tests geradezu verharmlosend: „Der schnelle Aufbau von Teststationen im ganzen Land hat auch Schattenseiten.“

Viel Geld wurde verbrannt, die Steuerzahler waren zu Recht wütend und einige ließen ihrer Wut in den sozialen Netzwerken freien Lauf. Aber wie kann der Ministerpräsident von Schleswig-Holstein jetzt ernsthaft der Meinung sein, er könne diese verärgerten Bürger auf seine Seite ziehen, indem er die schon Geimpften gegen die Impfskeptiker ausspielt? Was für eine Mentalität muss schon rein menschlich betrachtet hinter so einem Vorhaben des studierten Psychologen Günther stecken?

Formal eingeführt in die Debatte hatte die Zwangsimpfung durch den Geldbeutel allerdings Olaf Scholz, der Kanzlerkandidat der SPD, beim Talk mit der Frauenzeitung Brigitte. Da schwärmte er pflichtschuldig von seiner Ehefrau und setzte dann nach, was Daniel Günther jetzt verdichtet hat: Wenn sich alle hätten impfen lassen können, werde man Tests irgendwann selbst bezahlen müssen, so Scholz. Und fast pflichtschuldig fügte Scholz gegenüber Brigitte an: „Ich finde nicht, dass es da um Strafe geht.“ Es sei aber auch nicht einzusehen, dass der Staat Tests bezahle, wenn es die bessere Alternative des Impfens gegeben hätte. Denn die Impfung schütze nicht nur einen selbst, sondern auch andere. Der Noch-Bundesfinanzminister also mit einer Milchmädchenrechnung aus der hinteren Schublade der Küchenpsychologie.

Die Impfung schütze nicht nur einen selbst, sondern auch andere? Mindestens das scheint mittlerweile medizinisch nicht einmal vollständig abgeklärt, aber das wäre schon der nächste Aufreger. Jedenfalls titelte zuletzt die Berliner Morgenpost: „Geimpft und trotzdem Superspreader: Warum das möglich ist.“

Der Merkur spricht von 20 Euro, die solche Tests nach Günther bald kosten sollen. Und wer öfter unterwegs sein muss, kann sich ausrechnen, was da im Monat zusammenkommt, wo solche Tests eine enge zeitliche Gültigkeit haben und immer wieder erneuert werden müssen, um vom Amt bis zum Schwimmbad, der Hotelübernachtung, im Restaurant, Theater oder sonstwo noch Einlass zu bekommen – falls dort nicht demnächst nur noch für Geimpfte Einlass gegeben wird, also eine weitere Eskalationsstufe gezündet wird auf dem Weg zur Zwangsimpfung, die aber bitte nicht so heißen darf.

Es geht hier nicht einmal mehr darum, zu diskutieren, warum sich Leute nicht impfen lassen mögen – denn Jens Spahn hat seine Absage an eine Zwangsimpfung im Bundestag an sein Wort gebunden, also dazu eine Art kleine Ehrenerklärung abgegeben. Sein Parteifreund Günther ist nach Scholz nun angetreten, darüber hinwegzufegen. Abgesprochen mit Spahn? Jedenfalls scheint man schon recht lange recht dick miteinander zu sein. Aber wenn dem so wäre, muss der Wähler das wissen. Wenn dem nicht so ist, sollte Spahn dem Ministerpräsidenten jetzt laut und zeitnah widersprechen.

Daniel Günther nennt bereits einen konkreten möglichen Zeitpunkt: Noch vor den Bundestagswahlen soll es am 20. September so weit sein. Er würde wohl gerne noch früher, aber zwischen erster und zweiter Impfung müssen aus gesundheitlichen Gründen ein paar Wochen liegen und dann dauert es nach der Zweitimpfung laut Aussage der Impfzentren noch etwa zehn Tage bis zum vollen Impfschutz.

„Der Druck auf Ungeimpfte steigt“, schreibt die Welt, bei der Günther seine Pseudozwangsimpfungs-Stinkbombe geworfen hatte. Aber wenn der Druck auf Ungeimpfte steigt, wie stark darf es im Kessel kochen, bis man faktisch von einer Zwangsimpfung sprechen muss?

Schleswig-Holsteins Ministerpräsident forderte im Gespräch mit der Zeitung die Bundesregierung – also auch Parteikumpel Jens Spahn – dazu auf, Corona-Tests, „so schnell wie möglich kostenpflichtig“ zu machen. „Die Bundesregierung sollte schon in der kommenden Woche ein konkretes Datum für die Umstellung auf die Kostenpflichtigkeit der Corona-Tests festlegen.“

Und noch gönnerhaft gegenüber dem Bürger gibt sich der Ministerpräsident: „Bis dahin hätte jeder bisher Ungeimpfte noch die Chance, sich vollständig impfen zu lassen.“ Ja, es soll Ausnahmen geben für Menschen, denen eine Impfung aus medizinischen Gründen nicht zumutbar ist. „Für diese Menschen – zum Beispiel Schwangere und Kinder – sollten die Tests kostenlos bleiben“, so Günther gegenüber Welt.

Was kostet der Antigen-Schnelltest, durchgeführt von geschultem Personal? Günthers Landesregierung schätzt den Preis auf 20 – 30 Euro je nach Anbieter. Eine ungeimpfte Familie aus vier Personen mit sagen wir einmal zehn testpflichtigen Terminen pro Person käme dann auf 800 bis 1200 Euro monatlich.

Aber gut, nicht jeder hat Familie, und warum ins Schwimmbad und ins Restaurant gehen – also vorausgesetzt man darf dort überhaupt noch hinein, ohne geimpft zu sein. Wer also nur fünf Termine unter Menschen wahrnimmt, der braucht ja nur 100 – 150 Euro zahlen. Interessant zu wissen wäre noch, welche Testungen hier vom Staat abhängige Personen bezahlt bekommen und ob beispielsweise das Sozialamt gar keinen Test für seine Klientel bezahlt und also auf der Zwangsimpfung besteht.

Aber wie ins Sozialamt kommen, wie seinen Termin wahrnehmen, wenn man dort nur mit Test oder Impfung Zugang hätte? Oder darf man so hinein? Fragen über Fragen.

Bayerns Ministerpräsident und Merkels erster Corona-Maßnahmen-Vollstrecker Markus Söder ist ebenfalls Befürworter der kostenpflichtigen Tests, also der Zwangsimpfung durch das Portemonnaie für weniger gut betuchte Impfskeptiker. Haltung nach Geldbeutel. Der Fairness halber muss jetzt noch erzählt werden, dass sich Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) gegen den kostenpflichtigen Test ausgesprochen hat, als er gegenüber der Mittelbayrischen Zeitung sagte: „Solange die Pandemie anhält, würde ich nichts an der Kostenfreiheit ändern.“ Aber wie glaubwürdig ist dieser Minister? Und wie glaubwürdig sind die Bundesminister Seehofer und Spahn überhaupt, wo auch bei Jens Spahn der Eindruck entsteht, als würde seine Absage einer Zwangsimpfung jetzt von seinen Unionsfreunden Günther, Söder und Co durchs Hintertürchen kassiert.

Die Bundeskanzlerin hatte im ARD-Interview Anfang Februar Impfverweigerern mit Konsequenzen gedroht. Bei Menschen, die nicht geimpft sind „muss man vielleicht Unterschiede machen“. Jetzt im Juli erteilte Angela Merkel nach einem Gespräch mit Jens Spahn und Lothar Wieler im Robert Koch-Institut der Zwangsimpfung ebenfalls eine Absage: „Wir haben gesagt, es wird keine Impfpflicht geben.“ Man sei „am Beginn der Phase, in der wir noch werben.“ Ein „noch“ mit einem schwer unangenehmen Nachhall. Und diese Phase des „Werbens“ werde man jetzt „mit allem Nachdruck vorantreiben“.

Daniel Günther, Söder und andere treiben den Michel vor sich her. Und das geht am besten mit einer Jagd durch den leeren Geldbeutel. Jedenfalls jene Deutsche, die Bedenken haben, sich impfen zu lassen – aber solche Bedenken könnten zukünftig richtig teuer werden – bis hin zu einer bis ins Unsoziale gesteigerten Ausgrenzung.

Diejenigen, die selbst wenig haben, bitte ich ausdrücklich darum, das Wenige zu behalten. Umso mehr freut mich Unterstützung von allen, denen sie nicht weh tut!
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Gastbeiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.

Alexander Wallasch ist gebürtiger Braunschweiger und betreibt den Blog alexander-wallasch.de. Er schrieb schon früh und regelmäßig Kolumnen für Szene-Magazine. Wallasch war 14 Jahre als Texter für eine Agentur für Volkswagen tätig – zuletzt u. a. als Cheftexter für ein Volkswagen-Magazin. Über „Deutscher Sohn“, den Afghanistan-Heimkehrerroman von Alexander Wallasch (mit Ingo Niermann) schrieb die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung: „Das Ergebnis ist eine streng gefügte Prosa, die das kosmopolitische Erbe der Klassik neu durchdenkt. Ein glasklarer Antihysterisierungsroman, unterwegs im deutschen Verdrängten.“

Bild: CorinnaL/Shutterstock
Text: Gast
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