Nahrungsmittelpreise auf Rekordhoch Länder erlassen Exportverbote

Von Mario Martin

Im Schatten der Ukrainekrise spitzt sich die Lage auf den Nahrungsmittelmärkten der Welt zu. Die Ukraine ist mit ihrem fruchtbaren Boden und ihren weitläufigen Weizenfeldern die Kornkammer Europas.

Durch den Krieg bleiben die ukrainischen Häfen geschlossen. Damit kommt der Export zum Erliegen.

Der Nahrungsmittelpreisindex (FFPI) der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO), der die monatliche Veränderung der internationalen Preise eines Warenkorbs von Nahrungsmitteln misst, meldete für Februar ein Rekordhoch. Der Index lag im Februar bei durchschnittlich 140,7 Punkten und damit um 3,9 % höher als im Januar und um 24,1 % höher als im Vorjahresmonat, wobei die Invasion erst am Ende des Monats erfolgte. Der FAO-Index erreichte am Freitag einen neuen Höchstwert.

FAO-Nahrungsmittelpreisindex
(Quelle: bloomberg.com)

Die Preise sind sogar 3,1 Prozent höher als im Februar 2011, als in der gesamten arabischen Welt regierungsfeindliche Proteste, Aufstände und bewaffnete Rebellionen ausbrachen.

Future-Verträge für Weizen liegen inzwischen ebenfalls auf einem Rekordhoch:

(Quelle: zerohedge.com)

Einige Länder bannen inzwischen den Export von Nahrungsmitteln, um die eigene Bevölkerung versorgen zu können. Kürzlich verbot Moldawien den Export von Weizen und Zucker. Russland verbietet nun den Export von Dünger, Ungarn den Export von Weizen. Ungarn ist einer der größten Getreideexporteure Europas.

Der Preisschock beschränkt sich allerdings bei weitem nicht nur auf die Nahrungsmittel. Heute Nacht stieg der Ölpreis (Brent) auf über 130 US Dollar pro Barrel an. Zuletzt lag Öl im Jahr 2014 auf diesem Niveau.

Jeffrey Currie, Global Head of Commodities Research bei der Investmentbank Goldman Sachs, sagte Anfang des Monats: „Ich bin seit 30 Jahren in diesem Bereich tätig und habe noch nie solche Märkte gesehen. Das ist eine Molekülkrise. Uns geht alles aus, egal ob Öl, Gas, Kohle, Kupfer, Aluminium, was auch immer, wir haben es nicht mehr.“

Russland und Ukraine – Die Kornkammer der Welt

Weltweit haben Russland und die Ukraine einen erheblichen Anteil an der Produktion von Getreide. 40 Prozent des in der EU genutzten Getreides kommt aus der Region. In den beiden Ländern wird die doppelte Menge im Vergleich zur EU produziert. Die Ukraine und Russland sind für die weltweite Nahrungsmittelversorgung von entscheidender Bedeutung. Laut der Nachrichtenseite Bloomberg entfallen auf beide Länder mehr als ein Viertel des weltweiten Weizenhandels, etwa ein Fünftel des Mais und 12 Prozent aller weltweit gehandelten Kalorien.

Weltweite Getreideproduktion
(Quelle: Bloomberg)

”Die Einschränkung der Getreidelieferungen aus der Schwarzmeerregion droht die weltweiten Lebensmittelpreise weiter in die Höhe zu treiben, die sich bereits in der Nähe eines Rekordhochs befinden – und das zu einer Zeit, in der die Versorgung aufgrund ungünstiger Witterungsbedingungen in vielen Anbauregionen bereits angespannt ist”, schreibt Bloomberg.

Exportstopp mit Auswirkungen

Durch die angespannte Preislage kommen immer mehr Länder in Schwierigkeiten. Die größten Abnehmer ukrainischen Getreides:

Importeure ukrainischen Getreides
(Quelle: bloomberg.com)

Der Exportstopp hat zur Folge, dass die auf die Exporte aus der Ukraine angewiesenen Länder die eingeplanten Güter woanders einkaufen müssen. Inzwischen zu viel höheren Preisen. Die Preise werden dann an die Verbraucher weitergegeben werden müssen, was zu reichlich Unmut führen könnte.

Eine Übersicht zu den Auswirkungen auf die verschiedenen Länder ist bei Gallup abrufbar.

Ägypten trifft es hart. Dort wurden 2019 70 Prozent der Getreideimporte des Landes aus Russland und der Ukraine bezogen. 41 Prozent der Ägypter gaben im Jahr 2021 an, dass ihnen in den letzten 12 Monaten irgendwann einmal das Geld für Lebensmittel fehlte. Der ägyptische Tycoon Naguib Sawiris appellierte am 22. Februar an den ägyptischen Versorgungsminister, große Mengen an Weizen zu kaufen und zu lagern.

„Wir müssen so schnell wie möglich Weizen kaufen und einlagern, bevor der Krieg zwischen der Ukraine und Russland ausbricht“, twitterte Sawiris.

Aber auch die Türkei ist in Schwierigkeiten, sie bezog 2019 ganze 75 Prozent ihrer Weizenimporte aus Russland und der Ukraine und gehörte damit zu den Ländern, die am stärksten von den beiden Ländern abhängig sind. Im Jahr 2021 gab eine knappe Mehrheit der Türken (51 Prozent) an, dass sie sich in den letzten 12 Monaten keine Lebensmittel leisten konnten.

Die Probleme sind auch in Südkorea zu spüren. Dort wird im April mit einer Lücke in der Nahrungsmittelversorgung gerechnet, die womöglich nicht mehr geschlossen werden kann.

Die in Südkorea ansässigen Futtermittelhersteller könnten in den kommenden Wochen gezwungen sein, einige ihrer Verträge durch höhere Gewalt für nichtig zu erklären, da der Ausfall der Maisexporte aus den ukrainischen Häfen eine schwer zu schließende Lücke in der Sofortversorgung hinterlässt.

„Auch in Südkorea gibt es viele Lieferprobleme, einige Lieferanten haben jetzt höhere Gewalt erklärt. Die Futtermittelhersteller haben jetzt große Probleme mit den Lieferketten“, so ein lokaler Händler gegenüber Agricensus.

Ohne Futtermittel können die Nutztiere nicht versorgt werden, um so die Erzeugung von Milch, Fleisch und Käse sicherzustellen.

Länder geraten unter Druck

Letzten Mittwoch trafen sich die EU-Landwirtschaftsminister, um über die drohende Krise zu beraten. „Der Einmarsch in die Ukraine birgt das Risiko einer Störung der globalen Märkte für landwirtschaftliche Produkte“, heißt es in der offiziellen Ankündigung der Videokonferenz der EU-Agrarminister.

Von Frankreich wurde sogar vorgeschlagen, den Europäischen Mechanismus zur Krisenvorsorge und Krisenreaktion im Bereich der Ernährungssicherheit (EFSCM) zu aktivieren. Frankreich hat derzeit den Vorsitz im Europäischen Rat.

Was dieser Plan konkret bedeutet, ist allerdings nicht klar. Agrarheute berichtet: “Der französische Vorschlag sieht vor, die Marktüberwachung maximal auszuweiten. Ansonsten liest sich der Notfallplan wie die Versatzstücke, die schon aus Corona-Zeiten bekannt sind. Auch das mitgelieferte Faktenblatt gibt wenig Aufschluss. Die angebotenen, unbestimmten Lösungen und Worthülsen kennen wir jedenfalls schon aus Zeiten der Corona-Pandemie.

Konkrete Maßnahmen werden also nicht genannt, aber die Vermutung liegt nahe, dass Quoten und Rationierungen eingesetzt werden. Diese radikalen Ideen tauchen jedenfalls im Notfallplan des Innenministeriums “Konzeption Zivile Verteidigung (KZV)” auf. Dort heißt es auf Seite 47:

Wenn der freie Markt die Grundversorgung nicht mehr gewährleistet, übernimmt der Staat die hoheitliche Bewirtschaftung der Lebensmittelerzeugung und die Lebensmittelverteilung. Durch die planwirtschaftliche Steuerung der Landwirtschaft dürfte sich die Lage dann nur noch weiter verschlechtern.

Deutsche Bauern betroffen

“Der Deutsche Bauernverband befürchtet wegen des Krieges Turbulenzen auch an den Agrarmärkten. Schon jetzt sei Stickstoffdünger exorbitant teuer und knapp. Diese Situation könne sich nun noch verschärfen, hieß es kürzlich”, schreibt Agrarheute.

“Hintergrund ist, dass der für die Landwirtschaft wichtige Stickstoffdünger unter Einsatz von Erdgas hergestellt wird – und die Gaspreise waren auch schon vor der jetzigen Eskalation hoch”, so das Magazin weiter.

Düngerpreise (blau) und Gaspreise (grün) im Vergleich
(Quelle: zerohedge.com)

Bereits im November lag der Preis für Dünger auf einem Rekordhoch. Die Preise haben jetzt nochmal angezogen und liegen für Februar auf einem neuen Höchstwert. Düngerknappheit wirkt sich auf Ernten aus, die noch Monate in der Zukunft liegen.

Erhöhte Düngerpreise werden also erst mit Zeitverzögerung an die Verbraucher weitergegeben.

EU-Regeln verschärfen Verknappung

Der französischer Agrarkonzern InVivo schlug letzte Woche vor bzw. fragte die EU um Erlaubnis, den Landwirten die Möglichkeit geben, brachliegende Flächen zu bewirtschaften, und eine Beihilfe für die steigenden Düngemittelpreise anzubieten, damit die EU Millionen Tonnen ukrainischen Weizens ersetzen kann.

In der EU erhalten Landwirte nur Subventionen, wenn sie auf die Bestellung eines gewissen Prozentsatzes ihrer Anbaufläche verzichten. Diese Regelung ist Teil des “Vom Hof auf den Tisch”-Programms, das das Herzstück des planwirtschaftlichen sogenannten “Europäischen Grünen Deals” ist. Eine Landwirtschaftsinitiative der EU mit dem Ziel, die Lebensmittelsysteme fair, gesund und umweltfreundlich zu gestalten.

Unter dem Vorwand der Umweltfreundlichkeit macht man es den Landwirten allerdings immer schwerer zu arbeiten. Und nun zahlt die EU auch noch Subventionen dafür, dass die Bauern einen Teil ihrer Felder nicht bestellen.

„Wir fordern, dass das Produktionspotenzial der Europäischen Union freigesetzt wird“, sagte InVivo-Geschäftsführer Thierry Blandinières auf einer Pressekonferenz auf der Pariser Landwirtschaftsmesse. Um die Landwirte in der EU zu ermutigen, ihre Produktion auszuweiten, sei jedoch eine finanzielle Unterstützung zum Ausgleich der gestiegenen Düngemittelpreise notwendig, fügte er hinzu. Ein Verzicht auf die Stilllegungsvorschriften im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik der EU könnte die Anbaufläche in der nächsten Saison um 10-15 Prozent vergrößern, sagte Blandinières .

Es drohe also eine Notsituation und die EU könnte zusätzliche Fläche freigeben, um die Produktion auszuweiten.

Diese Forderung besteht auch in Deutschland. Auch hier setzten sich Bauern für die Freigabe der Flächen ein, damit die Hungersnot abgefedert bzw. vermieden werden kann. Allerdings scheint das im von Cem Özdemir geführten Landwirtschaftsministerium niemanden zu interessieren.

Die Emotionen kochen hoch. Hier wendet sich ein frustrierter Landwirt an die Regierung:

Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) hatte in einer Mitteilung am Sonntag betont, die stärkere Förderung für umweltfreundliche Lebensmittelproduktion zurückzudrehen, sei ein „Holzweg“.

Wie sich die Situation darstellt, wird es in den folgenden Wochen zu einer angespannten Situation bei der Nahrungsmittelversorgung in mehreren Ländern kommen. Bereits jetzt liegt das Preislevel für Nahrungsmittel über dem des Arabischen Frühlings von 2011. Sollten in einzelnen Ländern Hungersnöte auftreten, während man in Deutschland in der Lage wäre, 15 Prozent mehr Ertrag zu generieren und somit die Situation zu mildern, man aber aus Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit darauf verzichtet, dann wären die Politiker, die diese Entscheidung zu verantworten haben, für die Hungersnot mitverantwortlich. Ideologie vor Menschenleben.

Diejenigen, die selbst wenig haben, bitte ich ausdrücklich darum, das Wenige zu behalten. Umso mehr freut mich Unterstützung von allen, denen sie nicht weh tut!

Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.

Mario Martin ist Ökonom und arbeitet als Software-Projektmanager in Berlin.

Bild: Shutterstock
Text: mm

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