Nur Mini-Neuwahl in Berlin: Karlsruhe rettet Linke und Wagenknecht Bundesverfassungsgericht pfeift auf Meinung des Bundeswahlleiters

Es gab Gründe dafür, dass Berlins Verfassungsgericht 2022 die Wahlen zum Abgeordnetenhaus 2021 für rechtswidrig erklärte und eine komplette Wiederholung der Wahl anordnete. Zu groß und zu hanebüchen waren die Unregelmäßigkeiten am Wahltag. An dem gleichzeitig auch der Bundestag gewählt wurde. Pleiten, Pech und Pannen sorgten damals weltweit für Aufsehen. Warum die Unregelmäßigkeiten bei der Wahl auf Landesebene zu einer kompletten Neuwahl führten, auf Bundesebene aber nicht, ist schwer zu verstehen – denn bis auf die Stimmzettel waren alle Umstände identisch.

Deswegen hatte auch die Unionsfraktion gegen einen Beschluss des Wahlausschusses im Bundestag in Karlsruhe geklagt. Dieser hatte mit den Stimmen von SPD, Grüne und FDP entschieden, die Wahl nur in 327 der 2256 Berliner Wahlbezirken wiederholen zu lassen. Die höchsten deutschen Richter gingen nur teilweise auf die Klage ein. Statt in 327 muss die Wahl nun in 455 der 2256 Wahlbezirke wiederholt werden – innerhalb von 60 Tagen.

Die Union wollte, dass in allen sechs betroffenen Wahlbezirken komplett neu gewählt wird. Das hatte auch der Bundeswahlleiter empfohlen. Das Bundesverfassungsgericht bleibt mit seiner Entscheidung damit sogar unter der Empfehlung des Bundeswahlleiters. Dabei hätte es auch, so wie Kritiker gefordert haben, die gesamte Bundestagswahl in Berlin wiederholen lassen können. Angesichts der identischen Entscheidung auf Landesebene wäre das in meinen Augen die einzige vernünftige und saubere Lösung gewesen.

Die hätte weit reichende Konsequenzen gehabt. Denn die SED-Erben von der „Linken“ scheiterten bei der Bundestagswahl 2021 an der Fünf-Prozent-Hürde und sind nur deshalb im Bundestag, weil der Gewinn von drei Direktmandaten die Fünf-Prozent-Hürde aushebelte. Zwei davon gewann die Partei in Berlin: In Treptow-Köpenick siegte Gregor Gysi klar mit 20 Prozentpunkten Vorsprung. Spannend wäre eine Neuwahl in Lichtenberg geworden, wo zwischen Wahlsiegerin Gesine Lötzsch von der Linken und ihrer SPD-Herausforderin nur 6 Prozentpunkte lagen. Aufgrund des Booms der AfD und des Niedergangs der Linkspartei hätte Lötzsch hier um ihr Mandat zittern müssen.

Und nicht nur sie – alle Bundestagsmandate der „Linken“ wären mit Lötzsch gefallen – und ebenso die Sitze der Abgeordneten, die aus der Partei ausgetreten sind und sich Sahra Wagenknecht angeschlossen haben. Vor diesem Schreckensszenario hatten die „Linken“ ebenso gezittert wie Wagenknecht. Denn die Bundestagspräsenz ihrer neuen Partei ist für sie besonders wichtig in einem künftigen Wahlkampf.

Die Linke zeigte sich nach dem Urteil denn auch erleichtert. „Mit dem Urteil ist klar, dass wir im Bundestag bleiben und unsere Aufgabe als soziale Opposition weiter wahrnehmen werden“, sagte der frühere Fraktionschef Dietmar Bartsch am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur.

In meinen Augen beschädigt das Urteil massiv das Restvertrauen in die demokratischen Institutionen in Deutschland. Es zeigt deutlich: Man kann bei den Wahlen auch gegen Recht und Gesetz verstoßen – es kommt dann allenfalls zu Fassadenkosmetik. Man könnte nun zwar entgegnen, dass eben nur dort die Wahlen wiederholt wurden, wo es ergebnisrelevant ist. Aber wenn selbst der Bundeswahlleiter eine komplette Neuwahl in sechs Bezirken fordert, und das Bundesverfassungsgericht sogar hinter dieser Forderung zurückbleibt, zeigt es ganz offen, wie weit es sich von demokratischen Mindeststandards entfernt hat.

Auch die Tatsache, dass mehr als zwei Jahre vergingen zwischen den Wahlen und der Entscheidung, ist ein Armutszeugnis für Demokratie und Rechtsstaat – aber leider auch allzu symbolisch für ein Land, in dem bis auf das Abschröpfen und Gängeln der „schon länger hier Lebenden“ nicht mehr allzu viel funktioniert.

Entsprechend sarkastisch fallen die Kommentare im Internet aus. „Unfassbar, was in Deutschland mittlerweile los ist. Als Kind der 80er kann man das alles kaum glauben. Selbst in der Hauptstadt oder gerade deswegen sind wir nicht mehr in der Lage, ordnungsgemäße Wahlen durchzuführen. Vermutlich steht bei der nächsten Wahl ein Blauhelm neben jeder Urne“, schreibt Mike Schmidt auf „FOL“.

Ein anderer Nutzer kommentiert lakonisch:
„B ananen
R epublik
D eutschland“

Nicht in der Lage sein, saubere Wahlen zu organisieren oder wenigstens die Pleite zeitnah und anständig zu korrigieren – aber die Welt bzw. das Weltklima retten – das ist das „beste Deutschland aller Zeiten.“

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