Ein Gastbeitrag von Thomas Paulwitz
Mit der Passionszeit beschert die Evangelische Kirche in Berlin, Brandenburg, schlesische Oberlausitz (EKBO) den Freunden der deutschen Sprache eine ganz besondere Leidenszeit. Konnten sie die Ankündigung am Faschingsdienstag noch als Scherz mißverstehen, so wurde daraus zum Aschermittwoch bitterer Ernst: „Für die Dauer der Passionszeit posten wir die Bibeltexte für jeden Tag (Losungen) in geschlechtergerechter Sprache.“
Die Drohung wurde wahrgemacht. Ein „Team aus Mitarbeiter*innen“ der EKBO habe die Losungen der Herrnhuter Brüdergemeine in eine Sprache übersetzt, „die über männliche Dominanz und Zweigeschlechtlichkeit hinausgeht“ und die „die Vielfältigkeit G*ttes“ sichtbar mache, hieß es. Als Grundlage dient offenbar die theologisch fragwürdige „Bibel in gerechter Sprache“. So wurde am Aschermittwoch aus „Gott, unser Heil“, wie die Lutherbibel die entsprechende Stelle in Psalm 65 übersetzt, die weibliche „Gottheit unserer Befreiung“ aus der „Bibel in gerechter Sprache“. „Das Danklied gilt der Schöpfer*in“ erläuterte die EKBO.
Litt Maria unter einer Grammatikschwäche?
Die Übersetzerinnen der EKBO gehen jedoch weit über die „Bibel in gerechter Sprache“ hinaus. Sie vergendern den Bibeltext noch zusätzlich. Der „Bote des göttlichen Angesichts“ in „gerechter Sprache“ mutierte so am 20. Februar zur „Bot*in des göttlichen Angesichts“ (Jesaja 63,9). Dagegen übersetzt die Lutherbibel die Stelle völlig gegensätzlich: „Nicht ein Engel und nicht ein Bote, sondern sein Angesicht half ihnen.“ Gott erscheint so in der Lutherbibel wesentlich näher. „Mit Liebe und mit Schonung handelte G*tt an ihnen“, gibt die EKBO weiter den Vers wieder. In „gerechter Sprache“ war noch von „Gott“ die Rede.
So geht es täglich weiter. Am 22. Februar läßt die EKBO Maria von „G*tt, die mich rettet“ (Lukas 1,47), singen und unterstellt damit der werdenden Mutter Gottes eine Grammatikschwäche. Auf diese Weise nähern sich die täglichen Losungen einem gleichnamigen Begriff aus der Jägersprache. „Losung“ steht dort nicht für G*tt, sondern für K*t.
Die Schreibweise 'G*tt' ist keine Verbeugung vor dem Judentum
Was hat es aber mit der seltsamen Schreibweise „G*tt“ auf sich? Wohlmeinende Beobachter glaubten zunächst, dabei handele es sich um eine vermeidende Schreibweise wie im Judentum. Die Hebräische Bibel gibt den Namen des israelischen Gottes mit JHWH wieder, also ohne Selbstlaute. (Martin Luther schreibt für JHWH immer HERR.) Bis zur Zerstörung des Tempels in Jerusalem im Jahr 70 nach Christus war es üblich, daß nur der Hohepriester und nur am Versöhnungstag Jom Kippur den Namen JHWHs aussprechen durfte. Das geschah, damit niemand das Gebot verletzte, den Namen Gottes nicht unnütz und falsch zu gebrauchen. Mit dem Ende des Tempels ging dann auch das Wissen um die richtige Aussprache verloren. So entstanden mit der Zeit unzählige Aussprachevarianten, von „Jahwe“ bis „Jehova“.
Knüpft die Schreibweise „G*tt“ an die jüdische Tradition an? Nein. Vor einiger Zeit ist zwar der Brauch aufgekommen, die Schreibung von JHWH auch in anderen Sprachen nachzuahmen, zum Beispiel mit „G-d“ (Englisch), „D-ieu“ (Französisch) und „G-tt“ oder „Gʼtt“ (Deutsch). Dabei werden aber nie Asterisken (Sternchen) benutzt, sondern in der Regel Bindestriche und Apostrophe.
Kirche mit genderpolitischem Programm
Hinter der Schreibung „G*tt“ steht statt dessen ein klares politisches Programm. Eine ähnliche Schreibweise hat im vergangenen Herbst die Katholische Studierende Jugend (KSJ) in Umlauf gebracht, nämlich „Gott*“. Ziel der Aktion mit dem Genderstern sei es, „das katholische Gottes*bild zu entstauben und über den Verband hinaus eine Diskussion anzustoßen“, hieß es damals auf www.katholisch.de.
Daß auch die Schreibweise „G*tt“ der Evangelischen Kirche eine rein genderpolitisch begründete Schreibweise ist, bestätigt Magdalena Möbius. Die landeskirchliche Pfarrerin für Frauenarbeit in der EKBO ist an den gegenderten Losungen entscheidend beteiligt, verfaßte auch selbst Texte dazu. Als Studienleiterin für Frauenarbeit im Amt für kirchliche Dienste (AKD) ist sie gewissermaßen die Chefideologin für Gender Mainstreaming innerhalb der Landeskirche. Sie bezeichnet sich selbst als Feministin und „Aktivistin für geschlechtergerechte Sprache“. Als Vorbilder nennt sie zwei radikale Feministinnen: die biologie- und israelkritische Philosophin Judith Butler und die sozialistische Schriftstellerin Simone de Beauvoir.
'Für mich hat Gott auch einen Genderstern'
Mit einer „Predigt“ über „gendergerechte Sprache“, die Möbius am 9. Januar 2021 in der Evangelischen Kirchengemeinde Tiergarten in Berlin hielt, eröffnete sie eine Predigtreihe über die Bedeutung von Sprache. Dabei legte sie weniger Gottes Wort aus als ihre eigene Sprachideologie. Immer wieder spricht sie nur von sich selbst: „ich“, „ich“, „ich“. „Sich selbst predigen“, nennen Theologen eine solche Verfehlung.
Selbstverständlich spricht sie von „Pilger -innen“, „Beter -innen“ und „Nachbar -innen“, immer schön mit Genderpause, denn: „Ich finde es phantastisch, daß man den Genderstern auch hören kann, indem man diese Lücke beim Sprechen läßt.“ Dabei zieht sie klare Fronten. Wer nicht bereit sei, das mitzumachen, aus dem spreche „geradezu der Geist des Turmbaus in Babel.“
In ihrer „Predigt“, mit der sie ihre linken Parolen tarnt, sprach Möbius darüber, wie sehr sie sich ärgere, „wenn dieser Gottesname immer weiter mit ‚der HERR‘ wiedergegeben wird. Ja, ich finde es sogar gefährlich. Deswegen: Ich möchte keine Gottesdienste mehr feiern, in denen nur mit männlichen Worten über und zu Gott gesprochen wird. Für mich hat Gott auch einen Genderstern.“
Chefideologin ärgert sich über Gott als 'HERRN'
Leider könne man diesen Genderstern „nicht hören, wenn ich ‚Gott‘ sage. Wenn ich schreibe, dann sieht es für mich zur Zeit zumindest so aus: ‚G*TT‘.“ Die Großschreibung sei eine Verneigung vor Martin Luther, der das Tetragramm JHWH mit HERR wiedergegeben hat. Doch mit dieser Übersetzung hat Möbius Probleme: „Ich lasse mir nicht erzählen, daß damit keine Assoziation von Männlichkeit verbunden ist. Zu hören ist nun mal das Wort, mit dem in unserer Sprache Männer angeredet werden. Ich lasse mir nicht erzählen, daß damit nicht Generationen ein männliches Gottesbild eingetrichtert wurde und leider immer noch wird.“ Sie sei enttäuscht, „daß sich da noch immer nicht mehr getan hat in unserer Kirche. Als Gottesdienstbesucherin habe ich viele Jahre die männlichen Gottesbezeichnungen einfach nicht mitgesprochen. Im nachhinein würde ich sagen, ich habe da schon eine Genderlücke für G*TT gelassen.“
Reaktionen: „Gotteslästerung“, „krank“, „Luther würde sich im Grabe umdrehen“
Noch ganz andere Lücken reißt eine solche Sprachpolitik, nämlich in die Reihen der Kirchenmitglieder. Die Reaktionen auf die gegenderten Losungen ließen nicht lange auf sich warten. Eine kleine Auswahl: „Krank! Bin 2019 ausgetreten und habe es noch nicht bereut. Ihr seid schlimmer als die Grüne Jugend.“ – „Das ist der krasseste Fall von Gotteslästerung, den ich je gesehen habe.“ – „Bibeltexte verhunzen? Nicht für mich. Danke.“ – „Es ist KEIN WUNDER, dass Euch die Mitglieder in Scharen weglaufen.“ – „Ihr habt sie doch nicht mehr alle. Euch geht es nur noch um Eure persönliche Agenda, die nichts mit Glauben zu tun hat. Was ein Christ noch in der evangelischen Kirche sucht, ist mir schleierhaft. Luther würde sich im Grabe herumdrehen.“
Verkümmert die Kirche zur Gendersekte?
Da „G*tt“ also nicht als Respekterweisung gegenüber Juden gedacht ist, dürfen wir auch gespannt auf Reaktionen von jüdischer Seite sein. Die Aneignung und politische Umformung jüdischer Tradition könnten Juden im Gegenteil schlimmstenfalls als Verhöhnung ihres Glaubens verstehen.
„Richtig gut“ findet es hingegen Twitter-Nutzer „lulouk“, nach eigener Angabe Pfarrer in der EKBO, der mit seinem Twitterbild für „Antifaschistische Kirchen“ wirbt. Linke Ideologen haben die Evangelische Kirche in Berlin, Brandenburg und schlesischer Oberlausitz gekapert. Doch ob die Ausrichtung auf eine Kundschaft mit linksradikalem Weltbild für die Kirche zukunftsweisend ist, darf bezweifelt werden. Ohne Umkehr droht die EKBO zu einer Gendersekte zu verkümmern.
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Außerdem ist er Vorstandsvorsitzender der in Düsseldorf ansässigen Theo-Münch-Stiftung für die Deutsche Sprache sowie Vorstandsmitglied und Mitbegründer der Neuen Fruchtbringenden Gesellschaft zu Köthen/Anhalt. 2006 erhielt er den Gerhard-Löwenthal-Preis für Journalisten „in Anerkennung seiner herausragenden Verdienste für einen engagierten unabhängigen Journalismus“. Die Sprachpflegezeitschrift DEUTSCHE SPRACHWELT erscheint vierteljährlich in gedruckter Form und dient den Bürgern, die sich um die deutsche Sprache sorgen, als Sprachrohr. Der Bezug der spendenfinanzierten Zeitschrift ist kostenlos: Postfach 1449, 91004 Erlangen, [email protected]
Text: Gast