Erinnern Sie sich noch an „Pimmelgate“? Hinter dem putzigen Namen steckt ein handfester Skandal. Am 8. September 2021 hieß es auf Twitter: „Heute morgen um 6.00 gab es eine Hausdurchsuchung. 6 Beamt*innen in der Wohnung. […] Sie wissen, dass zwei kleine Kinder in diesem Haushalt leben. Guten Morgen, Deutschland.“ Der Auslöser: Ein Nutzer auf Twitter hatte Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD) als „Pimmel“ bezeichnet, weil dieser sich echauffiert hatte über Feiern trotz Corona-Maßnahmen im Schanzenviertel und die dort Versammelten als „dämlich“ und „ignorant“ beschimpfte. Wobei Grote selbst zuvor durch Verstöße gegen die eigenen Regeln aufgefallen war: wegen Missachtung derselben musste er sogar ein Bußgeld von 1.000 Euro zahlen.
Jemanden als „Pimmel“ zu bezeichnen, ist unschön und eine Beleidigung. Aber rechtfertigt es eine Hausdurchsuchung um 6 Uhr morgens, in einem Haushalt, in dem nur die Lebensgefährtin des Beschuldigten mit zwei kleinen Kindern anwesend war? Kritiker sprachen damals von einer Instrumentalisierung der Justiz als Streitaxt des Senators.
Fehlendes öffentliches Interesse
Die Lebensgefährtin legte Beschwerde gegen die Hausdurchsuchung ein. Und war damit erfolgreich, wie SPON berichtet. Diese Maßnahme sei „unter Berücksichtigung der geringen Schwere der dem Beschuldigten vorgeworfenen Beleidigung unverhältnismäßig gewesen“, teilte das Landgericht Hamburg dem Text zufolge mit: „Zudem sei der Kommentar des ehemals Beschuldigten im Gesamtkontext zum Vorverhalten des Innensenators zu betrachten. Dem Mann habe höchstens eine geringfügige Geldstrafe gedroht.“ Inzwischen ist das Ermittlungsverfahren gegen ihn wegen fehlenden öffentlichen Interesses an einer Strafverfolgung eingestellt worden, wie das Portal „Legal Tribune Online“ mitteilte.
So weit, so gut. Was weniger gut ist: Von Ermittlungen gegen die Ermittler und den Amtsrichter, der den Durchsuchungsbefehl unterzeichnete, ist nichts bekannt. Dabei liegt hier in meinen Augen zumindest der Anfangsverdacht der Rechtsbeugung im Amt vor. Bei anderen Richtern, die gegen Maskenregeln entscheiden, greift die Justiz da ganz anders ein. Etwa mit Hausdurchsuchungen.
Solche Razzien, vorwiegend im Morgengrauen, werden im BeDaZ („besten Deutschland aller Zeiten“) offensichtlich immer häufiger als ein Mittel der Einschüchterung und Schikane verwendet.
Die Justiz agiert dabei wie ein verlängerter Arm der Regierung und versetzt deren Kritiker so in Angst und Schrecken – Kollateralschaden bei unbeteiligten Mitbewohnern vom Kleinkind bis zur Großmutter werden dabei zumindest billigend in Kauf genommen. Oder gar beabsichtigt?
Die Liste der Opfer solcher Aktionen ist lang: Bei Paul Brandenburg – maßnahmenkritischer Arzt und Publizist aus Berlin – wurde im Morgengrauen die Wohnungstür eingerammt, er wurde nackt auf den Boden geworfen, ihm wurde eine Waffe in den Rücken gedrückt und er wurde gefesselt. Der Impf-Experte und Kritiker der Corona-Impfung Stephan Hockertz bekam ebenfalls im Morgengrauen unerwarteten Besuch von der Polizei. Ebenso der Journalist Gerhard Wisnewski; bei ihm in München wurde am 1. Dezember 2021 die Tür aufgebohrt und seine Wohnung in einem Mehrfamilienhaus durchsucht.
Brandenburg wurde ein Verstoß gegen das Waffengesetz vorgeworfen – dabei war er in Besitz eines Waffenscheins. Bei Höckertz ging es um Steuerfragen, bei Wisnewski um eine Beleidigung von Markus Söder (CSU). Auch bei dem Weimarer Richter, der gegen die Maskenpflicht entschied, kam es zu einer Hausdurchsuchung; ebenfalls bei einem Polizisten, der bei einer Corona-Demo sprach, oder bei dem AfD-Abgeordneten Petr Bystron, weil er bei einer Karikatur zur Antifa ein SA-Symbol verwendete, um Parallelen, die er sieht, aufzuzeigen. Auch die Durchsuchung bei Bystron wurde rückwirkend als rechtswidrig eingestuft. Michael Ballweg kam nach einer Hausdurchsuchung in Untersuchungshaft – ganz anders etwa als Politiker, die mit dubiosen Maskendeals Vermögen machten.
Die Liste solcher Durchsuchungen ließe sich sehr lange fortsetzen. Der in der Tschechoslowakei geborene Publizist Dushan Wegner nahm das zum Anlass, um in einem brillanten Beitrag zu dem Thema zu schreiben: „Die Hausdurchsuchung als strafende Reaktion auf verbotene Meinung, womöglich sogar verbunden mit der Hoffnung auf ‘Beifang‘ wie illegal kopierte Musikdateien, wirkt auf mich erschreckend selbstverständlich im deutschen Rechtsstaat.“
Wegners bitterböse Bilanz: „Stellen Sie es sich vor: Es ist 4 Uhr am Morgen. Es klingelt und klopft rabiat an Ihrer Tür. Was ist Ihr erster Gedanke? Eine Zeit lang war es: ‘Bestimmt ein Notfall beim Nachbarn! Oder ein Feuer!‘ – Bald ist es wieder: ‘Habe ich etwas Falsches gesagt?‘“ Eine Anspielung auf den Terror im Sozialismus, als Andersdenkende bevorzugt im Morgengrauen von den „Sicherheitsdiensten“ heimgesucht wurden. In der Sowjetunion etwa wachten Dissidenten schweißgebadet auf, wenn sie in den frühen Morgenstunden den Lift hörten.
Rechtsbeugung im Amt?
So weit ist es in der Bundesrepublik. Doch so sehr sich jede Gleichsetzung verbietet, so sehr muss man die Lektionen der Geschichte lernen, nach dem Motto: Wehret den Anfängen. In vielen Fällen liegt der Verdacht der Rechtsbeugung im Amt in der Luft.
Erst kürzlich habe ich von einem Durchsuchungsbefehl gegen einen Corona-Maßnahmen-Kritiker erfahren, dessen „Verbrechen“ einzig und allein darin bestand, dass er auf Informationen aus Polizeikreisen verwiesen hatte. Das habe auch ich schon oft getan.
Es wird ein Klima der Angst geschürt mit Methoden, die den Ideen von Rechtsstaat und Demokratie Hohn sprechen. Wer diese Missstände anspricht, wird als „Rechts“ (=Nazi) und als „Delegitmierer“ demokratischer Institutionen gebrandmarkt. So erfolgreich, wie sich diese selbst diskreditieren, kriegt das kein Kritiker hin, nicht einmal ein extremistischer.
Bild: Shutterstock
Text: br
Mehr zum Thema auf reitschuster.de